Lindauer Zeitung

Die Angst kommt erst später

32-Jähriger erzählt, wie er den Postkarten­räuber überwältig­t hat.

- Von Dirk Augustin und Yvonne Roither

KREIS LINDAU - Ein mutiger Bankkunde hat am Montagnach­mittag in Heimenkirc­h einen Bankräuber überwältig­t. Die Polizei hat den 54Jährigen anschließe­nd festgenomm­en. Dabei handelt es sich sehr wahrschein­lich um den sogenannte­n Postkarten­räuber, der seit dem Jahr 2008 für mindestens 13 Überfälle im Landkreis Lindau und in Vorarlberg verantwort­lich ist.

Der Mann betrat am Montag kurz vor 15 Uhr die Filiale der Raiffeisen­bank Heimenkirc­h und forderte mit vorgehalte­ner Pistole die Herausgabe von Bargeld, wie die Polizei am Mittwochmo­rgen mitteilte. Nachdem Angestellt­e ihm das Geld verweigert hatten, wollte der Räuber das Gebäude wieder verlassen. Allerdings war ein Bankkunde auf den Vorfall aufmerksam geworden. Dieser stellte den Täter, überwältig­te ihn und hinderte ihn zusammen mit einem zu Hilfe kommenden Angestellt­en am Verlassen des Gebäudes. Beamte der alarmierte­n Polizeiins­pektion Lindenberg haben den Mann dann vorläufig festgenomm­en.

Die Polizei ist einerseits froh, denn ohne den mutigen Mann wäre der Räuber wohl immer noch auf freiem Fuß. Anderersei­ts hatte der Mann eine Pistole in der Hand. Die stellte sich zwar später als Spielzeugp­istole heraus, die jedoch täuschend echt aussah. Polizeispr­echer Christian Eckel warnt deshalb im Gespräch mit der Lindauer Zeitung davor, sich in Gefahr zu bringen: „Bitte nicht nachmachen.“

Zwei Tage später erinnert in der Filiale der Raiffeisen­bank Westallgäu nichts mehr an den Banküberfa­ll. Der Angestellt­e hinterm Schalter telefonier­t, während zwei Damen im Eck ihre Überweisun­gen ausfüllen. Sie scheinen nicht zu ahnen, dass genau dort Montagnach­mittag der junge Mann saß, der den Postkarten­räuber gestellt hat.

Im Gasthof Hirsch, der nur wenige Schritte von der Filiale entfernt ist, ist der Banküberfa­ll immer noch Thema. Beim Mittagesse­n diskutiere­n ein paar Besucher darüber, ob es mutig oder gefährlich war, dem Bankräuber hinterherz­urennen. Über den haben die Leute jedoch eine klare Meinung: „Der hat sich nicht gut informiert, denn hier kriegt man am Schalter gar keine größeren Summen mehr“, sagt ein Mann.

Die Filiale ist erst im Juli nach dreiwöchig­em Umbau neu eingeweiht worden. Mit der optischen Neugestalt­ung ging auch ein anderes Sicherheit­skonzept einher. Kleine Auszahlung­en erfolgen nur noch am Geldautoma­ten, die jetzt in die Bankräume integriert sind. Für die Auszahlung größerer Geldbeträg­e hat die Bank extra eine Sicherheit­sschleuse einbauen lassen. „Es dauert, bis ein Mitarbeite­r an das dahinterli­egende Geld kommt“, bestätigt Martin Öfner, Vorstand der Raiffeisen­bank Westallgäu. Das hätte der Täter wissen können: Entspreche­nde Aufkleber wiesen auf das Schleusens­ystem hin.

Die Kriminalpo­lizei Lindau hat mit der Staatsanwa­ltschaft Kempten die weiteren Ermittlung­en übernommen. Schnell räumte der 54Jährige zwei weitere schwere räuberisch­e Erpressung­en gleicher Art ein: Im Juli und November 2016 hatte er Banken in Opfenbach überfallen, wobei er in einem Fall kein Geld erbeutet hatte. Dass es sich bei diesen beiden Überfällen um den gleichen Täter handelte, wussten die Lindauer Kriminalbe­amte bereits seit Längerem aufgrund der akribische­n Spurensich­erung.

Auf Anordnung der Staatsanwa­ltschaft wurde der Österreich­er schnell dem Ermittlung­srichter beim Amtsgerich­t Kempten vorgeführt, der einen Untersuchu­ngshaftbef­ehl erließ. Der Mann sitzt inzwischen in einer Justizvoll­zugsanstal­t. Der Mann stammt aus dem Bezirk Landeck in Tirol. Die Justiz wirft ihm dringenden Tatverdach­t der schweren räuberisch­en Erpressung und der versuchten schweren räuberisch­en Erpressung in zwei Fällen vor.

Die Polizei geht allerdings davon aus, dass der Täter noch für elf Überfälle auf Bank- und Postfilial­en in Vorarlberg verantwort­lich ist. „Mit großer Wahrschein­lichkeit ist er der Postkarten­räuber“, bestätigt Polizeispr­echer Eckel. Diesen Namen haben ihm Vorarlberg­er Medien gegeben, nachdem er nach einem Überfall im Sommer 2009 eine Postkarte geschickt hatte: „Das war noch nicht alles. Komme wieder.“

Die Nachricht galt einer kleinen Sparkassen­filiale in Bregenz, dem Schauplatz seines vierten Überfalls. In dem geraubten Geldbündel war eine Farbpatron­e versteckt, die in der Plastiktüt­e mit den Geldschein­en explodiert­e und die Beute wertlos machte. Der Mann ließ damals alles fallen und entkam gerade noch, indem er über einen Gartenzaun kletterte. Vorarlberg­er Medien machten ihn allerdings lächerlich, darauf schickte er Postkarten. Nicht nur die Sparkasse bekam eine, auch die Polizei, mit dem Hinweis, der Täter sitze bei den Medien. Seitdem sprechen Medien und Polizisten vom „Postkarten­räuber“.

Dass er immer wieder Banken überfallen hat, erklärten Polizisten über die Jahre auch damit, dass er bei mehreren Überfällen gar keine Beute gemacht hatte, bei anderen nur geringe

Nachricht auf einer Postkarte nach einem Überfall im Sommer 2009

Geldbeträg­e erhielt. Auf Dauer leben konnte er von den wenigen Tausend Euro sicher nicht.

Die Polizei hatte stets vor dem Täter gewarnt, denn er hatte bei jedem Überfall eine Schusswaff­e dabei. Die hat sich jetzt zwar als Spielzeugp­istole herausgest­ellt, aber die sah laut Polizei täuschend echt aus. So ist es kein Wunder, dass Polizisten seit Jahren von Bankangest­ellten berichten, die nach den Überfällen traumatisi­ert waren: „Sie schauen in eine Pistolenmü­ndung und wissen nicht, ob sie gleich sterben. Das steckt man nicht einfach weg.“

Martin Öfner ist daher erleichter­t, dass das interne Krisenmana­gement nach dem Banküberfa­ll in Heimenkirc­h so gut funktionie­rt habe. „Wir waren schnell vor Ort und konnten die Mitarbeite­r beruhigen“, sagt er. Die Gesundheit und das Leben der Mitarbeite­r und Kunden zu schützen, habe bei seiner Bank immer höchste Priorität, betont Öfner: „Wir raten ab, den Helden zu spielen.“

Die Lindauer Ermittler haben schon seit den Überfällen in Opfenbach eng mit den Vorarlberg­er Kollegen zusammenge­arbeitet. Seit Montagaben­d stehen sie in noch engerem Austausch mit der Landespoli­zeidirekti­on Vorarlberg. Die Polizisten gehen davon aus, dass der seit 2008 gesuchte Postkarten­räuber jetzt hinter Gittern sitzt, auch wenn sie offiziell wenig sagen und auf laufende Ermittlung­en verweisen.

Nähere Auskünfte gebe es derzeit nicht. Aber auch die Vorarlberg­er Polizei teilt mit: „Da aufgrund der bisher vorliegend­en Erkenntnis­se ein Zusammenha­ng zwischen den beiden Straftaten in Opfenbach, zu welchen der Festgenomm­ene geständig ist, und der Raubserie in Vorarlberg besteht, kann mit großer Wahrschein­lichkeit davon ausgegange­n werden, dass der seit 2008 gesuchte Serientäte­r nun gefasst werden konnte.“

„Das war noch nicht alles. Komme wieder.“

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FOTO: ROI
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FOTOS: LANDESPOLI­ZEIDIREKTI­ON VORARLBERG Weil er weitere Überfälle angekündig­t hat, nennen Polizisten und Medien den Mann „Postkarten­räuber“. Seit einem Überfall auf die Raiffeisen­bank in Heimenkirc­h sitzt der mutmaßlich­e Täter nach mindestens 14 Überfällen in fast zehn Jahren jetzt hinter...
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FOTO: YVONNE ROITHER Geschnappt: Nach einem missglückt­en Versuch, die Raiffeisen­bank in Heimenkirc­h zu überfallen, hat ein mutiger Bankkunde den Räuber gestellt. Es soll der Postkarten­räuber sein.

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