Kretschmann für Verhandlungen mit Libyen
Ministerpräsident hält Gespräche mit Krisenstaat für unumgänglich – Flüchtlingspolitik grundsätzlich richtig
STUTTGART (tja) - Mehr Solidarität in Europa, mehr Hilfen für Griechenland und Italien: Das forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“verteidigte er einmal mehr den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage, vermisst bei Angela Merkel (CDU) aber Visionen für Asyl- und Einwanderungspolitik.
Unter anderem begrüßte der Ministerpräsident Merkels Haltung zu Libyen. Die Kanzlerin plädiert dafür, mit der dortigen Regierung zu verhandeln. Sie will erreichen, dass Flüchtlinge in Nordafrika besser versorgt, aber auch an der Weiterreise über das Mittelmeer gehindert werden. Die Grüne Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf, Katrin Göring-Eckardt, hat das scharf kritisiert. „Angela Merkel soll keine Deals mit Libyen machen wie mit der Türkei“, sagte sie in einem Interview. Denn Libyen sei ein fragiler Staat, die Regierung habe nicht die Hoheit über das Land. Kretschmann dagegen stellt sich hinter den Ansatz der Kanzlerin. Zwar müsse man bei Verhandlungen mit solchen Regimen stets Grenzen beachten. Aber: „Wir müssen mit jedem verhandeln. Etwas anderes kann die Politik sich gar nicht leisten. Wir verhandeln mit Menschen, mit denen man freiwillig kein Bier trinken würde. Das ist Realpolitik.“
Einwanderungsgesetz notwendig
Grundsätzlich hält Kretschmann die Flüchtlingspolitik in Deutschland für sinnvoll. „Im Kern muss sich da nichts ändern“, sagte er. „Verfolgte genießen Schutz und bekommen Angebote zur Integration. Menschen, die keine Anerkennung auf Asyl bekommen, müssen wir zurückschicken. Das geht nun mal nicht anders.“
Er wiederholte jedoch seine Forderung nach einem Einwanderungsgesetz. „Wir brauchen eine Möglichkeit, legal einzuwandern. Gibt es diese nicht, kommen alle über das Asylrecht zu uns, auch jene, die sich aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen. Dann wird das Asylrecht so weit strapaziert, dass es zu reißen droht.“
Visionen für eine solche zukunftsorientierte Politik aber fehlten bei Merkel, kritisierte Kretschmann. „Da muss man sich auch große Ziele setzen, das ist verloren gegangen“, so der Grüne. Außerdem dürfe die Kanzlerin nicht den selben Fehler machen wie vor 2015. Damals waren Hunderttausende Flüchtlinge von Italien und Griechenland nach Deutschland aufgebrochen.
„Vor vielen Jahren schon haben wir Italien hängen lassen mit dem Flüchtlingsproblem. Das hat die europäische Solidarität untergraben. Die müssen wir erst einmal wieder herstellen“, sagte Kretschmann. Deswegen sei es jetzt wichtig, Italien und Griechenland zu unterstützen und sie mit der Aufnahme und Unterbringung ankommender Flüchtlinge nicht allein zu lassen.