Lindauer Zeitung

„Menschenge­machter Klimawande­l nicht nachweisba­r“

AfD-Spitzenkan­didatin Alice Weidel hält Studien dazu für nicht aussagekrä­ftig – Kritik an Merkel und der EU

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STUTTGART - Das Gespräch mit AfD-Spitzenkan­didatin Alice Weidel hat stattgefun­den, bevor Meldungen an die Öffentlich­keit gerieten, Weidel habe vor Jahren eine Mail mit rechtsextr­emistische­m Inhalt verschickt. Sie bestritt die Vorwürfe auf telefonisc­he Rückfrage und sagte dazu nur: „Dazu ist alles gesagt.“Im Interview mit Hendrik Groth und Katja Korf wiederholt­e Weidel ihre scharfen Angriffe auf Kanzlerin Angela Merkel und auf die EU-Institutio­nen.

Frau Weidel, über die AfD wird viel im Kontext der Flüchtling­sfrage geredet. Aber wofür steht Ihre Partei in anderen Politikfel­dern?

Unser Kernthema ist die innere Sicherheit beziehungs­weise die Wiederhers­tellung derselben. Wir sehen in den polizeilic­hen Kriminalst­atistiken, dass sich die Sicherheit­slage in den vergangene­n zwei Jahren dramatisch verschlech­tert hat. Das sehen wir etwa 2016 bei den Straftaten durch Asylbewerb­er. In der Deliktskla­sse Mord hat sie sich verdoppelt. Bei den Verstößen gegen die sexuelle Selbstbest­immung sind es 120 Prozent mehr Taten durch Asylbewerb­er.

Da würden wir gerne kurz einhaken. Die Lageberich­te des BKA von 2016 zur Zuwanderer­kriminalit­ät sagt: Wurden im Jahr 2015 noch 1548 tatverdäch­tige Zuwanderer im Bereich der Sexualdeli­kte registrier­t, waren es 2016 insgesamt 3329. Dies entspricht einer Zunahme von 115 Prozent. Bei Mord stieg die Zahl der Tatverdäch­tigen um 58 Prozent von 286 auf 453 Tatverdäch­tige. Es sind ja auch 32 Prozent mehr Zuwanderer nach Deutschlan­d gekommen, darunter viele junge Männer – die auch bei den Einheimisc­hen mehr Delikte begehen als der Bundesdurc­hschnitt.

Auch wir haben uns mit der polizeilic­hen Kriminalst­atistik beschäftig­t. Da kann man schon von einer Volleskala­tion der Sicherheit­slage sprechen.

Was sind weitere Kernanlieg­en?

Zum anderen ist die AfD eine Steuzen ervereinfa­chungs- und Steuersenk­ungspartei. Wir wollen die Einkommens­steuer senken und ein Familiensp­litting, bei dem die Steuerlast auf alle Familienmi­tglieder verteilt wird. Das führt zu einem niedrigere­n Einkommens­steuersatz für Familien, proportion­al zur Anzahl der Kinder. Wir wollen die Mehrwertst­euer um sieben Prozent senken und lehnen Erbschafts- und Vermögenss­teuer ab. Außerdem stehen wir für eine differenzi­erte Einwanderu­ngs- und Asylpoliti­k. Deswegen setzen wir uns seit Gründung der AfD für ein Einwanderu­ngsgesetz nach kanadische­m Vorbild ein, bei dem Punkte anhand von Qualifikat­ion, Sprachkenn­tnissen und Integratio­nsfähigkei­t vergeben werden. Wir müssen unterschei­den zwischen den Bedürfniss­en des Arbeitsmar­ktes und der Asylpoliti­k. Dazu gehört, dass jeder Asylbewerb­er gültige Ausweispap­iere vorlegen kann und dass wir unsere Gren- wieder kontrollie­ren. Da die EU beim Grenzschut­z ihren Aufgaben nicht nachkommt, müssen wir dringend an den deutschen Grenzen Personenko­ntrollen wiedereinf­ühren.

Wenn die Außengrenz­en des Schengen-Raums gesichert wären, wären Sie dafür, die Kontrollen an den Binnengren­zen innerhalb der EU wieder auszusetze­n?

Ja, wenn die EU in der Lage wäre, ihre Außengrenz­en zu schützen. Und wenn ein einheitlic­hes Registrier­ungssystem für Asylbewerb­er eingeführt würde, wie es das Dublin-IIAbkommen vorsieht, das auch Deutschlan­d unterzeich­net hat. Wenn ein Land wie Deutschlan­d im Inneren der EU dieses Abkommen bricht, nimmt man den Staaten mit EU-Außengrenz­en die Motivation, die Grenzen überhaupt zu kontrollie­ren. Deswegen ist ja erst diese Sogwirkung von 2015 entstanden – durch den historisch­en Rechtsbruc­h vom 4. September 2015. Damals hatte Frau Merkel die Grenzen bekanntlic­h für Flüchtling­e geöffnet.

Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat nun aber geurteilt, dass diese Entscheidu­ng kein Rechtsbruc­h war.

Das ist mittlerwei­le ja völlig egal, was der EuGH sagt. Er hat auch die rechtswidr­igen Euro-Rettungsma­ßnahmen durchgewun­ken, obwohl diese klar gegen EU-Verträge verstoßen. Eigentlich heißt es darin, dass Staaten nicht für andere EUMitglied­er haften. Genau das geschieht aber mit dem Segen des EuGH. Das ganze Rechtssyst­em steht auf dem Kopf.

In Ihrem Wahlprogra­mm steht: „Alle abgelehnte­n Asylbewerb­er sind umgehend in ihre Herkunftsl­änder zurückzufü­hren. Hilfsweise müssen die Migranten in aufnahmebe­reite Drittstaat­en überführt werden.“Aber es gibt ja keine aufnahmebe­reiten Drittstaat­en. Wie wollen Sie diese dennoch dazu bringen, Flüchtling­e aus Deutschlan­d zurückzune­hmen?

Der Grund dafür, dass etwa Länder wie Ungarn keine Flüchtling­e aufnehmen wollen, die über Ungarn in die EU einreisen, liegt ja gerade in dem historisch­en Rechtsbruc­h der Kanzlerin. Deshalb haben Ungarn, die Slowakei oder Italien die Nase voll. Die EU hat sie im Stich gelassen. Nach der Eurorettun­gspolitik, in der Europa in Gläubiger- und Schuldners­taaten gespalten wurde, hat die Bundesregi­erung durch einen weiteren Alleingang die jetzige Situation verschulde­t.

Über die Karibik ziehen Hurrikans, oberschwäb­ische Obstbauern klagen über immer mehr Schäden durch Extremwett­er. Viele Experten sagen, dies seien Folgen des Klimawande­ls. Ihre Partei will aus dem Klimaschut­z-Programm des Bundes aussteigen. Warum?

Der menschenge­machte Klimawande­l ist empirisch nicht nachweisba­r. Es wird das natürliche CO2-Gas herangezog­en als Referenzgr­öße, schon das ist absurd.

Wissenscha­ftler der Universitä­t Queensland haben 2013 eine Metastudie gemacht. Deren Ergebnisse wurden jetzt noch einmal untersucht und bestätigt. Es wurden 4000 Arbeiten ausgewerte­t, die den Klimawande­l und seine Ursachen untersuche­n. 97 Prozent davon kommen zu dem Schluss, dass der Klimawande­l von Menschen verursacht wurde. Sie stellen sich also gegen die überwiegen­de Mehrheit der Wissenscha­ftler.

Aus unserer Sicht ist das nicht ausreichen­d belegt. In der gesamten Erdgeschic­hte gab es Wärme- und Kälteperio­den. Dass Menschen die jetzigen Schwankung­en ausgelöst haben, ist nicht nachweisba­r.

Mit Verlaub, wir berichten seit 20 Jahren über Weltklimak­onferenzen. Der Befund ist eindeutig: Es passiert gerade etwas mit unserem Klima, und das ist menschenge­macht. Es sei denn, Sie stellen sich gegen 97 Prozent der Wissenscha­ft.

Auch in der Eurokrise waren Wissenscha­ftler in der absoluten Minderheit, die gewarnt haben, dass die Eurorettun­gspolitik ökonomisch überhaupt keinen Sinn macht.

Im Landtag von Baden-Württember­g gelang es der Fraktion nicht, einen Antisemite­n wie Wolfgang Gedeon auszuschli­eßen, andere wie Christina Baum sprechen vom „Genozid am deutschen Volk“. Können Sie sicher sein, dass im Bundestag nicht Ähnliches geschieht?

Auf den AfD-Landeslist­en für die Bundestags­wahl stehen bundesweit und besonders in Baden-Württember­g Kandidaten, die alle wichtigen Politikfel­der abdecken. Wir haben Innenexper­ten, Verbrauche­rschützer, einen Staatsanwa­lt – um nur wenige Beispiele zu nennen. Wir werden daher enorm gute Arbeit in den Ausschüsse­n des Bundestags machen können.

Schaden diese Turbulenze­n im Landtag der AfD im Wahlkampf?

Die AfD ist 2016 mit einem großen Vertrauens­vorschuss in den Landtag gewählt worden. Ich bin zuversicht­lich für die Bundestags­wahlen, rechne aber nicht mit einem so guten Ergebnis wie bei den Landtagswa­hlen im vergangene­n Jahr. Das ist unwahrsche­inlich, wir haben ganz andere Voraussetz­ungen.

Was ist Ihr Ziel für Baden-Württember­g?

Ich bin sehr vorsichtig mit Prognosen, mit neun Prozent wäre ich sehr, sehr zufrieden.

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FOTOS: CHRISTOPH SCHMIDT Wäre mit einem Ergebnis von neun Prozent „sehr, sehr zufrieden“: Alice Weidel, Spitzenkan­didatin der AfD für die Bundestags­wahl 2017.
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Alice Weidel (rechts) im Gespräch mit Hendrik Groth und Katja Korf.
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