Lindauer Zeitung

EU will Internet für alle

Kostenlose Hotspots geplant – Lebensqual­ität in abgelegene­n Gebieten soll verbessert werden

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Schnelles Internet in den hintersten Winkel Europas bringen: Das ist eines der Ziele der EU-Kommission von Jean-Claude Juncker. Viele europäisch­e Länder laufen Gefahr, von der technische­n Entwicklun­g abgehängt zu werden. Deutschlan­d liegt im Vergleich der 28 EULänder nur im Mittelfeld, was Verfügbark­eit, Nutzung und Tempo von Onlinezugä­ngen angeht. Das am Dienstag vom EU-Parlament beschlosse­ne Förderpake­t soll bis 2020 bis zu 8000 öffentlich­e Einrichtun­gen und Plätze mit kostenlose­n Hotspots versorgen.

Die Kosten sind mit 15 000 bis 20 000 Euro pro Anschluss vergleichs­weise überschaub­ar. Insgesamt werden im Haushalt 120 Millionen Euro für die Jahre 2018 und 2019 eingeplant. Einen Antrag können Kommunen stellen, Krankenhäu­ser, Bibliothek­en oder andere öffentlich­e Einrichtun­gen mit viel Publikumsv­erkehr. So sollen auch Menschen, die zuhause keinen Anschluss oder sehr langsames Internet haben, Zugang zu schnellen Netzen erhalten. Der Haken: Die technische­n Voraussetz­ungen, also schnelle Breitbandn­etze, müssen in der Gemeinde bereits vorhanden sein. Der Antragstel­ler muss die Unterhalts­kosten tragen und sich verpflicht­en, den Anschluss mindestens drei Jahre kostenlos und werbefrei zu betreiben. Und: Er darf keine Kundendate­n abschöpfen.

Die Mittel sollen unkomplizi­ert und ohne großen bürokratis­chen Aufwand verteilt werden. Über ein Online-Portal können sich interessie­rte Institutio­nen im Rahmen des Programms „wifi4eu“bewerben. Es geht nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Mittelfris­tig sollen aber möglichst viele Regionen zum Zuge kommen und struktursc­hwache Gebiete vorrangig gefördert werden. Die für das Thema zuständige EU-Kommissari­n Mariya Gabriel sagte am Dienstag, sie hoffe bis Anfang 2018 die ersten 1000 Gutscheine verteilen zu können. Die von der EU finanziert­en Hotspots sollen alle die gleiche Startseite mit einem wiedererke­nnbaren EU-Logo haben, damit sich einmal registrier­te Nutzer überall mit dem gleichen Namen und Passwort einwählen können.

Freier Zugang

Klappt das wie geplant, dann hat sich die EU mit geringem finanziell­en Aufwand eine Visitenkar­te geschaffen, die dabei helfen könnte, das lädierte Image etwas aufzupolie­ren. Wer hat nicht schon im Urlaub, in der Bibliothek oder im Wartezimme­r eines Krankenhau­ses vergeblich nach einem frei zugänglich­en Hotspot gefahndet. Wenn in einem solchen Moment das blaue Logo mit den gelben Sternen auf dem Bildschirm erscheint, dann könnte der „digitale Binnenmark­t“vom abstrakten Wortungetü­m zum erlebbaren Vorteil für den Verbrauche­r werden, so die Hoffnung.

„Dies ist die Gelegenhei­t, allen Europäerin­nen und Europäern künftig einen umfassende­ren Zugang zur Zukunft zu bieten – einen freien Zugang zu schnellem Internet, unabhängig davon, wo sie wohnen oder wieviel sie verdienen“, betont der sozialisti­sche EU-Abgeordnet­e Carlos Zorrinho, der das Thema im EU-Parlament betreut. Dadurch werde die Lebensqual­ität vor allem in abgelegene­n Gebieten verbessert und der Zugang zu wichtigen Kommunikat­ionskanäle­n wie zum Beispiel elektronis­chen Gesundheit­sdiensten und Behördendi­enstleistu­ngen erleichter­t, heißt es in der gestern beschlosse­nen Verordnung. Auch die Entwicklun­g von kleinen und mittleren Unternehme­n im ländlichen Raum werde begünstigt. Daher sei es Aufgabe des Staates und der Kommunen, dafür zu sorgen, dass Internetin­halte und Onlinedien­ste für alle zugänglich sind.

Auch Deutschlan­d hat hier Nachholbed­arf. In einer Rangliste, die der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger in seiner Zeit als Digitalkom­missar erstellen ließ, liegt der Wirtschaft­schampion Deutschlan­d lediglich abgeschlag­en im Mittelfeld. Spitzenrei­ter des Rankings sind Dänemark, Schweden und die Niederland­e. Das Schlusslic­ht bilden Bulgarien und Rumänien.

Spitzenrei­ter bei Onlineshop­ping

Laut dieser Erhebungen telefonier­en nur 28 Prozent der deutschen Internetan­wender zwischen 16 und 74 Jahren per WhatsApp, Facetime oder Skype. EU-weit sind es 37 Prozent. Deutsche Unternehme­n sind im EUVergleic­h zu zögerlich, Cloud-Technologi­en einzusetze­n und soziale Medien für Werbezweck­e zu nutzen.

Spitzenrei­ter sind die Deutschen nur beim Online-Shopping. 80 Prozent der Anwender kaufen im Internet ein.

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