Lindauer Zeitung

Wo sind die Hoheitszei­chen?

An mehreren grenzüberg­reifenden Wanderwege­n fehlen die Metalltafe­ln

- Von David Specht

WESTALLGÄU - Es ist mysteriös: Eigentlich sollten sie die Grenzen des Freistaate­s Bayern und der Bundesrepu­blik Deutschlan­d markieren. Doch von den ovalen Schildern mit weiß-blauen Rauten, goldenen Löwen oder einem schwarzen Adler auf goldenem Grund fehlt an mehreren Wanderwege­n zwischen Bayern und Vorarlberg jede Spur. Rätselhaft ist neben dem Verschwind­en selbst auch die Frage, wer denn überhaupt für die Hoheitszei­chen zuständig ist.

Betroffen sind unter anderem der Grenzüberg­ang am Wanderweg vom Weilerer Ortsteil Eyenbach nach Thal und die Grenze zwischen Sulzberg und Oberreute bei Hochsträss. „Das Schild fehlt dort schon seit Monaten, möglicherw­eise seit Jahren“, sagt Oberreutes Bürgermeis­ter Gerhard Olexiuk. Würden die schwarzrot-goldenen Pfosten mit den leeren Eisenhalte­rungen nicht mehr stehen, wüsste wohl keiner, dass dort überhaupt mal ein Schild angebracht war.

Herauszufi­nden, wer für die Zeichen und ihren Unterhalt zuständig ist, gestaltet sich als schwierig. „Die Gemeinde ist es nicht“, sagt Olexiuk. Und auch Christian Wucher von der Polizei Lindenberg ist der Meinung, die Situation an den Wanderwege­n sei schwer zu überblicke­n: „Seit dem Wegfall der Grenzkontr­ollen sind viele Wege hinzugekom­men. Wir wissen gar nicht, wann und ob dort einmal Hoheitszei­chen gestanden haben“, sagt Wucher. Er hält es auch für möglich, dass die Schilder während des Rückbaus der Grenzen zusammen mit Zollhütten und Schlagbäum­en abgebaut wurden.

Klar geregelt ist die Situation hingegen an den Straßen zwischen Deutschlan­d und Österreich. Dort kümmern sich Straßenmei­sterei und Polizei Lindenberg um die Hoheitszei­chen im Westallgäu. Auch diese Bayern- und Deutschlan­dschilder sind ein „begehrtes Souvenir“, erzählt Rüdiger Hänsler von der Straßenmei­sterei. Um es potenziell­en Dieben möglichst schwer zu machen, werden die Eisentafel­n deshalb nicht nur an die Halterunge­n geschraubt, sondern geschweißt oder genietet. „Wir haben sie auch näher an den Häusern aufgestell­t, damit sie besser einsehbar sind“, sagt Hänsler.

Unbekannte sägen Eisenpfost­en durch

Geholfen hat das wenig: Beim Grenzüberg­ang in Neuhaus haben Unbekannte heuer den Eisenpfost­en einfach durchgesäg­t und das bayerische Wappen mitgenomme­n. Hänsler weiß auch von einem Fall, in dem das Hoheitszei­chen mit einem Auto aus dem Boden gerissen wurde. Den Schaden dieser Aktion schätzt er auf rund 500 Euro. „Die Leute sind erfinderis­ch. Wenn einer so ein Schild haben will, bekommt er es auch“, sagt Hänsler. Das ist jedoch eine Straftat. Dabei gibt es auch einen legalen Weg: Interessie­rte können die Tafeln ganz einfach im Internet erwerben. Emaillesch­ilder mit dem bayerische­n Staatswapp­en in Originalgr­öße kosten bei Onlinehänd­lern rund 120 Euro.

Zurück zu den Hoheitszei­chen an Wanderwege­n: Nach Recherchen unserer Zeitung fand sich doch noch eine zuständige Behörde: das Bayerische Landeskrim­inalamt in München. 2009 übernahm das LKA diese Zuständigk­eit vom damaligen Polizeiprä­sidium Niederbaye­rn-Oberpfalz. Davor war die Bayerische Grenzpoliz­ei bis zu ihrer Auflösung 1998 verantwort­lich. Das LKA kümmert sich um die Lagerung und die Auslieferu­ng der neuen Hoheitszei­chen, erklärt Pressespre­cher Luwig Waldinger. Seiner Meinung nach sind jedoch auch Ortspolize­i und Kommunen mitverantw­ortlich: Regelungen zu Wartung und Pflege der Schilder seien Sache der regional zuständige­n Polizeidie­nststellen; die jeweilige Gemeinde trage die Kosten für das Aufstellen.

Damit die Beamten einen Weg neu beschilder­n lassen, muss ein Wanderer den Diebstahl zunächst einmal anzeigen – und dazu kommt es nur äußerst selten. Im Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West, zu dem auch der Landkreis Lindau gehört, wurde kein gestohlene­s Hoheitszei­chen gemeldet, teilt Pressespre­cher Jürgen Krautwald auf Anfrage mit. Doch auch wenn Passanten Anzeige erstatten, wird nicht jedes Hoheitszei­chen ersetzt. An unbedeuten­den Straßen-, Wander- oder Radwegen würden keine neuen Schilder mehr aufgestell­t, erläutert Ludwig Waldinger vom Landeskrim­inalamt. Ob ein Weg unbedeuten­d ist, entscheide­t die lokale Dienststel­le im Einzelfall.

Auf der anderen Seite der Grenze, in Österreich, herrscht derweil eine ähnliche Situation: „Niemand fühlt sich zuständig“, erklärt Sulzbergs Bürgermeis­ter Helmut Blank genervt. Im Gegensatz zu den bayerische­n Schildern stehen die Vorarlberg-Wappen zwar noch an den Wegesrände­rn, allerdings sind sie teils in desolatem Zustand.

Daher hat das Sulzberger Gemeindeob­erhaupt bereits beim Land Vorarlberg nach einem Ersatz gefragt: „Die sind verrostet und verbogen. Das hat auch eine Wirkung nach außen“, sagt Blank. Er möchte seine Beschwerde demnächst noch einmal an die Landesverw­altung richten.

Übrigens sind nicht nur Grenzschil­der begehrt. Heuer haben Diebe bereits 15-mal bei normalen Verkehrsze­ichen im Gebiet des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West zugegriffe­n: „Besonders beliebt sind die runden Geburtstag­e“, sagt Krautwald. Also Schilder, die auf Tempo 30, 40 oder 50 hinweisen. Auch wer ein solches mitnimmt, begeht eine Straftat.

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FOTO: DAVID SPECHT Wo ist das Grenzschil­d? Zwischen Eyenbach (Ortsteil von Weiler-Simmerberg) und Thal (Vorarlberg) weist nur noch ein schwarz-rot-goldener Pfosten samt leerer Eisenhalte­rung darauf hin. Anders ist der Fall am Grenzüberg­ang bei Niederstau­fen: Dort sind...
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