Wo sind die Hoheitszeichen?
An mehreren grenzübergreifenden Wanderwegen fehlen die Metalltafeln
WESTALLGÄU - Es ist mysteriös: Eigentlich sollten sie die Grenzen des Freistaates Bayern und der Bundesrepublik Deutschland markieren. Doch von den ovalen Schildern mit weiß-blauen Rauten, goldenen Löwen oder einem schwarzen Adler auf goldenem Grund fehlt an mehreren Wanderwegen zwischen Bayern und Vorarlberg jede Spur. Rätselhaft ist neben dem Verschwinden selbst auch die Frage, wer denn überhaupt für die Hoheitszeichen zuständig ist.
Betroffen sind unter anderem der Grenzübergang am Wanderweg vom Weilerer Ortsteil Eyenbach nach Thal und die Grenze zwischen Sulzberg und Oberreute bei Hochsträss. „Das Schild fehlt dort schon seit Monaten, möglicherweise seit Jahren“, sagt Oberreutes Bürgermeister Gerhard Olexiuk. Würden die schwarzrot-goldenen Pfosten mit den leeren Eisenhalterungen nicht mehr stehen, wüsste wohl keiner, dass dort überhaupt mal ein Schild angebracht war.
Herauszufinden, wer für die Zeichen und ihren Unterhalt zuständig ist, gestaltet sich als schwierig. „Die Gemeinde ist es nicht“, sagt Olexiuk. Und auch Christian Wucher von der Polizei Lindenberg ist der Meinung, die Situation an den Wanderwegen sei schwer zu überblicken: „Seit dem Wegfall der Grenzkontrollen sind viele Wege hinzugekommen. Wir wissen gar nicht, wann und ob dort einmal Hoheitszeichen gestanden haben“, sagt Wucher. Er hält es auch für möglich, dass die Schilder während des Rückbaus der Grenzen zusammen mit Zollhütten und Schlagbäumen abgebaut wurden.
Klar geregelt ist die Situation hingegen an den Straßen zwischen Deutschland und Österreich. Dort kümmern sich Straßenmeisterei und Polizei Lindenberg um die Hoheitszeichen im Westallgäu. Auch diese Bayern- und Deutschlandschilder sind ein „begehrtes Souvenir“, erzählt Rüdiger Hänsler von der Straßenmeisterei. Um es potenziellen Dieben möglichst schwer zu machen, werden die Eisentafeln deshalb nicht nur an die Halterungen geschraubt, sondern geschweißt oder genietet. „Wir haben sie auch näher an den Häusern aufgestellt, damit sie besser einsehbar sind“, sagt Hänsler.
Unbekannte sägen Eisenpfosten durch
Geholfen hat das wenig: Beim Grenzübergang in Neuhaus haben Unbekannte heuer den Eisenpfosten einfach durchgesägt und das bayerische Wappen mitgenommen. Hänsler weiß auch von einem Fall, in dem das Hoheitszeichen mit einem Auto aus dem Boden gerissen wurde. Den Schaden dieser Aktion schätzt er auf rund 500 Euro. „Die Leute sind erfinderisch. Wenn einer so ein Schild haben will, bekommt er es auch“, sagt Hänsler. Das ist jedoch eine Straftat. Dabei gibt es auch einen legalen Weg: Interessierte können die Tafeln ganz einfach im Internet erwerben. Emailleschilder mit dem bayerischen Staatswappen in Originalgröße kosten bei Onlinehändlern rund 120 Euro.
Zurück zu den Hoheitszeichen an Wanderwegen: Nach Recherchen unserer Zeitung fand sich doch noch eine zuständige Behörde: das Bayerische Landeskriminalamt in München. 2009 übernahm das LKA diese Zuständigkeit vom damaligen Polizeipräsidium Niederbayern-Oberpfalz. Davor war die Bayerische Grenzpolizei bis zu ihrer Auflösung 1998 verantwortlich. Das LKA kümmert sich um die Lagerung und die Auslieferung der neuen Hoheitszeichen, erklärt Pressesprecher Luwig Waldinger. Seiner Meinung nach sind jedoch auch Ortspolizei und Kommunen mitverantwortlich: Regelungen zu Wartung und Pflege der Schilder seien Sache der regional zuständigen Polizeidienststellen; die jeweilige Gemeinde trage die Kosten für das Aufstellen.
Damit die Beamten einen Weg neu beschildern lassen, muss ein Wanderer den Diebstahl zunächst einmal anzeigen – und dazu kommt es nur äußerst selten. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, zu dem auch der Landkreis Lindau gehört, wurde kein gestohlenes Hoheitszeichen gemeldet, teilt Pressesprecher Jürgen Krautwald auf Anfrage mit. Doch auch wenn Passanten Anzeige erstatten, wird nicht jedes Hoheitszeichen ersetzt. An unbedeutenden Straßen-, Wander- oder Radwegen würden keine neuen Schilder mehr aufgestellt, erläutert Ludwig Waldinger vom Landeskriminalamt. Ob ein Weg unbedeutend ist, entscheidet die lokale Dienststelle im Einzelfall.
Auf der anderen Seite der Grenze, in Österreich, herrscht derweil eine ähnliche Situation: „Niemand fühlt sich zuständig“, erklärt Sulzbergs Bürgermeister Helmut Blank genervt. Im Gegensatz zu den bayerischen Schildern stehen die Vorarlberg-Wappen zwar noch an den Wegesrändern, allerdings sind sie teils in desolatem Zustand.
Daher hat das Sulzberger Gemeindeoberhaupt bereits beim Land Vorarlberg nach einem Ersatz gefragt: „Die sind verrostet und verbogen. Das hat auch eine Wirkung nach außen“, sagt Blank. Er möchte seine Beschwerde demnächst noch einmal an die Landesverwaltung richten.
Übrigens sind nicht nur Grenzschilder begehrt. Heuer haben Diebe bereits 15-mal bei normalen Verkehrszeichen im Gebiet des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West zugegriffen: „Besonders beliebt sind die runden Geburtstage“, sagt Krautwald. Also Schilder, die auf Tempo 30, 40 oder 50 hinweisen. Auch wer ein solches mitnimmt, begeht eine Straftat.