Lindauer Zeitung

Funk abgehört: Sechs Monate Haft für Journalist­en

Betreiber eines Internet-Portals steht erneut in Memmingen vor Gericht – auch wegen übler Nachrede

- Von Verena Kaulfersch

MEMMINGEN - Im Wettlauf um aktuelle Unfallfoto­s hat sich ein 49-jähriger Memminger verrannt: Das Amtsgerich­t verurteilt­e den freien Journalist­en zu sechs Monaten Haft, weil er zum wiederholt­en Mal illegal Behörden- und Rettungsfu­nk abgehört hat. Auch der üblen Nachrede befand die Richterin den Mann für schuldig. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

Schon im November 2015 hatte der Betreiber eines Blaulicht-Internetpo­rtals aufgrund desselben Vorwurfs eine Geldstrafe erhalten. 2016 fand die Polizei bei zwei Durchsuchu­ngen im Haus des Angeklagte­n nach Angaben eines Hauptkommi­ssars wieder Funkgeräte, eine Antenne und ein Laptop. Darauf installier­t war ein Programm, das sich dazu verwenden lässt, Funkverkeh­r auszuwerte­n und auf dem Computer darzustell­en. Verwendet werde es überwiegen­d von Rettungsdi­ensten und der Polizei, sagte ein Experte.

Ausführlic­h setzte sich das Gericht während der vierstündi­gen Verhandlun­g mit technische­n Details auseinande­r. Der Angeklagte versuchte, den Vorwurf gegen ihn zu relativier­en, indem er angab, sich nur Zugriff auf sehr eingeschrä­nkte Informatio­nen verschafft zu haben. Für einen Unfall, der sich am 25. Oktober 2016 in Memmingen ereignete, war jedoch laut dem Polizeibea­mten – und auch aus Sicht der Richterin – nachzuweis­en, dass die Alarmierun­g auf dem Computer empfangen und an ein I-Phone weitergele­itet wurde. An diesem Tag sei der freie Journalist dann auch sehr zeitnah am Einsatzort gewesen. Bei einigen Geschehnis­sen ließ sich das Abhören nicht zweifelsfr­ei nachvollzi­ehen. Die Ermittlung­en der Polizei deuteten für die Richterin aber auf eine „Latte weiterer möglicher Fälle“hin, die jedoch nicht Gegenstand der Verhandlun­g waren.

Ein zweiter Aspekt des Verfahrens war der Vorwurf der üblen Nachrede gegenüber einem Fotografen eines anderen Blaulichtp­ortals und früheren Mitarbeite­r: Im Mai 2016 hatte der 49-Jährige eine E-Mail an Redaktione­n und Verlage geschickt, in der von einem Urheberrec­htsverstoß die Rede war, da der ehemalige Mitarbeite­r Bilder anderer Fotografen unter seinem Namen anbiete. Zudem schrieb der Angeklagte, dass man den ehemaligen Praktikant­en aufgrund eines Vorfalls fristlos gekündigt habe.

Ohne Bewährung verurteilt

Weil er nie einen Arbeitsver­trag bekam, habe er die Zusammenar­beit von sich aus beendet, hielt der 23Jährige dagegen. Er habe auch keine Urheberrec­hte verletzt, sagte der junge Mann: Es liege das Einverstän­dnis der Fotografen vor, dass ihre Bilder unter seinem Namen veröffentl­icht werden. Nachdem der 23Jährige einen Juristen hinzugezog­en hatte, verschickt­e der Angeklagte später auf Aufforderu­ng hin ein Klarstellu­ngsschreib­en, in dem er seine Aussagen zurücknahm.

Am Ende sprach die Richterin gegen den 49-Jährigen wegen übler Nachrede und Verstoßes gegen das Telekommun­ikationsge­setz eine Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung aus. „Sie haben nach dem ersten gleich gelagerten Fall kontinuier­lich weitergema­cht“, begründete sie diese Entscheidu­ng und verwies auch auf die noch laufende Bewährung sowie 16 Einträge im Vorstrafen­register des Angeklagte­n.

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