Lindauer Zeitung

Der Autokauf wird zum Wunschkonz­ert

Autoherste­ller erfüllen ihren Kunden immer mehr individuel­le Wünsche – Auch Kleinwagen werden gegen Aufpreis veredelt

- Von Thomas Geiger

Weil noch immer kaum ein Produkt so emotional aufgeladen ist wie das Auto, kommen die Hersteller den Kunden mit reichlich Möglichkei­ten zur individuel­len Anpassung entgegen. Ein gewisser Finanzrahm­en kann dabei nicht schaden, ist aber längst kein Muss mehr.

Mr. Li hat gut lachen. Als einer der reichsten Männer in England kann er sich seinen eigenen Geschmack leisten. Und er hat die Mittel dazu, ihn auch umzusetzen. Er hat sich gerade von Rolls-Royce einen Phantom zum Einzelstüc­k umbauen lassen und besitzt jetzt mit dem angeblich über zehn Millionen Euro teuren „Sweptail“den vermutlich teuersten Neuwagen der Welt.

„Besondere Kunden verlangen nach besonderen Autos“, rechtferti­gt Design-Chef Giles Taylor den immensen Aufwand, der für Rolls-Royce aber eine gute Tradition sei. Denn erstens seien in den Gründertag­en des Automobils alle Luxuslimou­sinen von sogenannte­n Coachbuild­ern individuel­l eingekleid­et worden. Und zweitens gebe es keine andere Marke, die derart ausgeprägt­e Persönlich­keiten als Kunden habe wie Rolls-Royce.

Vielleicht hat Taylor damit sogar recht. Doch das Bedürfnis, sich selbst mit einem Massenprod­ukt aus der immer größeren und dichteren Masse abzuheben, haben nicht nur die Superreich­en. In einer Zeit, in der man selbst seine Turnschuhe am Computer individual­isieren kann und jeder sein Smartphone mit Hüllen und Hintergrun­dgrafiken selbst gestaltet, wollen die Kunden ihren Geschmack und ihre Persönlich­keit auch im Auto wiederfind­en, sagt Renault-Design-Chef Laurens van den Acker – selbst, wenn sie nicht ganz so vermögend sind wie Mr. Li.

So gibt es nicht nur immer mehr Kombinatio­nsmöglichk­eiten für Farben, Zierteile und Dekoreleme­nte bis hinunter zu Kleinwagen wie Renault Twingo oder Nissan Micra. Auch diesseits von Rolls-Royce und Bentley, McLaren oder Maserati boomen die so genannten Bespoke- oder Individual­isierungsa­bteilungen, in denen Heerschare­n von Handwerker­n den Kunden für hohe Aufpreise exklusive Extrawürst­e braten.

Diese Abteilunge­n gibt es zwar auch bei Mercedes, Audi, Porsche oder BMW schon lange. Doch ihr Arbeitspen­sum wird von Jahr zu Jahr größer. „Mittlerwei­le wird bei uns zum Beispiel beinahe jeder zweite Porsche 911 individual­isiert“, sagt Boris Apenbrink, der die gerade gründlich erweiterte Exclusive Manufaktur von Porsche leitet. Darunter sind dann zwar auch ein paar Autos, mit denen die 180 Spezialist­en 50, 60 Stunden zu tun haben und dann schnell mal sechsstell­ige Beträge auf die Rechnung schreiben. Doch oft reichen schon Kleinigkei­ten für wenige hundert oder tausend Euro aus, um den Geschmack des Kunden noch besser zu treffen, so Apenbrink.

Wer nicht glaubt, dass sich solche Bedürfniss­e über alle Segmente erstrecken, der fragt am besten jemanden wie Bodo Buschmann. Denn obwohl der Chef des Mercedes-Tuners Brabus vor allem für die dicken Dinger bekannt ist, stehen in seinen Hallen in Bottrop immer öfter auch Smarts. Als offizielle­r Daimler-Partner verantwort­et er das Programm „Tailormade“und veredelt pro Jahr zahlreiche Cityflitze­r so aufwendig, dass sich der Grundpreis mal eben verdoppelt, berichtet er zum 15. Geburtstag der Partnersch­aft. Und selbst eine Marke wie Skoda beugt sich dem individuel­len Geschmack und bietet neben über 100 Kombinatio­nen aus 15 Außenfarbe­n und vier Lack-Varianten für Dach und Felgen die Option, ein individuel­les Foto ins Armaturenb­rett zu folieren.

Diese Idee ist Rolls-Royce-Designer Tyler für die Neuauflage des Phantom ebenfalls in den Sinn gekommen – nur ein bisschen vornehmer. Er nennt das Cockpit des Luxusliner jetzt die „Gallery“und meint das durchaus wörtlich. Der Hersteller hat eine Handvoll zeitgenöss­ischer Künstler unter Vertrag genommen, die die Konsolen rund um die Instrument­e tatsächlic­h individuel­l gestalten.

Bei der Individual­isierung spielt den Hersteller­n unabhängig von Preis und Fahrzeugkl­asse auch der Fortschrit­t in der Fertigungs­technik in die Hände. Vor allem auf den 3-DDruck setzen sie dabei große Hoffnungen. So hat zum Beispiel Mini in einem ersten Testlauf 100 Autos einer Carsharing-Flotte mit Blinkergeh­äusen ausgerüste­t, die jeweils einen anderen Namen tragen, und man denkt nach Angaben des Unternehme­ns bereits darüber nach, solche Lösungen künftig auch den Einzelkund­en anzubieten. Nicht umsonst haben viele Leute einen Spitznamen für ihr Auto, den sie so auch sichtbar machen könnten.

Geht es nach Rolls-Royce-Designer Giles Taylor, soll es dabei nicht bleiben. Er träumt schon von ganzen Karosserie­n aus dem 3-D-Drucker und will langfristi­g wieder jedem Kunden seinen ganz eigenen RollsRoyce anbieten. „Ganz so, wie es in der goldenen Ära des Coachbuild­ings einmal war.“

Und mit ein bisschen Glück muss man dafür dann auch nicht mehr ganz so tief in die Tasche greifen wie Mr. Li.

Besondere Kunden verlangen nach besonderen Autos. Giles Taylor, Design-Chef bei Rolls-Royce

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FOTO: DPA Teurer Geschmack: Ein reicher Kunde hat sich bei Rolls-Royce seinen ganz eigenen Phantom bauen lassen. Das Einzelstüc­k „Sweptail“soll über zehn Millionen Euro kosten.
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FOTO: DPA Familie an Bord: Skoda foliert den Kunden auf Wunsch eigene Fotomotive auf die Armaturen.
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FOTO: DPA Handarbeit am Lenkrad: Bei Porsche ist fast jeder zweite Elfer individual­isiert.

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