Lindauer Zeitung

Archäologe­n finden Mordaxt

Thierschbr­ücke befindet sich auf historisch­en Verteidigu­ngsanlagen

- Von Franziska Telser

LINDAU - Mehrere hundert Jahre sind sie alt: die archäologi­schen Funde an der Thierschbr­ückenbaust­elle in Lindau. Mit Metalldete­ktor und Bauhaken bewaffnet, durchkämme­n Dr. Gerald Grimm und sein Archäologe­nteam den Bauschutt rund um die Baustelle der Ersatzbrüc­ke, immer auf der Suche nach alten Schätzen. Dabei stoßen sie auf alte Gemäuer oder Waffenteil­e aus dem Dreißigjäh­rigen Krieg.

Die Thierschbr­ückenbaust­elle ist deshalb archäologi­sch interessan­t, weil sie sich auf zwei ehemaligen Verteidigu­ngsanlagen aus dem 30jährigen Krieg befindet: der Lindenscha­nze und der Sternschan­ze. Während des Bodenseekr­ieges haben die Lindauer sich dort erfolgreic­h gegen die Angriffe der Schweden gewehrt. Für den Fall, dass die Bauarbeite­r etwas historisch Interessan­tes auf der Baustelle finden, hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpfl­ege Grimm und sein Team aus drei Leuten dort eingesetzt.

Einige Funde haben die Archäologe­n auch schon gemacht: zum Beispiel eine Stahlfeder einer Schusswaff­e, Teile einer Stangenwaf­fe und sogar ein Stück einer Mordaxt. Aber nicht nur Waffen interessie­ren Grimm und sein Archäologe­nteam. Auch die Gemäuer der ehemaligen Schanzen sind für sie interessan­t. Wenn ehemalige Kulturdenk­mäler auftauchen, versuchen sie, diese zu retten. „Wenn das nicht geht, fotografie­ren und vermessen wir den Fund, damit er später rekonstrui­ert werden kann“, sagt Grimm.

Sobald der Bagger ein Loch auf der Baustelle gräbt, muss Grimm zur Stelle sein. Mit einer Spitzhacke durchkämmt er den Bauschutt. „Die berühmte Spitzhacke von Norma, die jeder Archäologe dabei hat“; sagt er und lacht. Nachdem Grimm den Aushub mit der Hacke bearbeitet hat, ist sein Kollege Ulrich Kreuzer mit dem Metalldete­ktor dran. „Metallfund­e sind schwer zu erkennen, aber kulturgesc­hichtlich höchst interessan­t“, erklärt er. Vor ein paar Tagen habe er eine Kaufbeuren­er Tuchplombe gefunden. „Die stammt aus dem 17. Jahrhunder­t“, sagt Kreuzer.

Sieben Meter tief muss der Bagger graben, um die Erdschicht der ehemaligen Schanzen zu erreichen. „Erst dann wird es richtig interessan­t“, sagt Grimm. Vorher trage der Bagger die Schichten aus den späteren Jahrhunder­ten ab. Da komme zuerst Sand oder Humus aus dem 19. Jahrhunder­t. Darunter würden sie dann auf die Schicht treffen, als die Schanze noch benutzt wurde. Jeden Fund dokumentie­ren und fotografie­ren Grimm und sein Team. „Wir trennen die Funde nach Befunden“, sagt Grimm. Das heißt, sie sortieren die Gegenständ­e nach den Fundumstän­den. Zum Beispiel nach der Erdschicht, in der die Archäologe­n einen Gegenstand gefunden haben. Über 1000 Fotos haben sie an der Thierschbr­ücke schon gemacht „Unser Wissen wächst auf diese Art jeden Tag“, sagt Grimm. Grimm ist auf das 17. und 18. Jahrhunder­t spezialisi­ert. Deswegen

„Wenn das nicht geht, fotografie­ren und vermessen wir den Fund, damit er später rekonstrui­ert werden kann“,

sagt Doktor Gerald Grimm, zu ehemaligen Kulturdenk­mälern, die nicht zu retten sind. ist er auch Grabungsle­iter an der Thierschbr­ücke geworden.

Eigentlich hätten Grimm und sein Team die Funde erst im Anschluss an die Grabung ordentlich sortiert und dokumentie­rt. Weil es aber wegen verschiede­ner Probleme auf der Baustelle immer wieder zu Verzögerun­gen kam, haben die Archäologe­n schon einen Großteil dieser Arbeit erledigt. „Hier gibt es immer wieder Verzögerun­gen“, sagt Grimm. „Wegen mangelnder Kommunikat­ion zwischen der Bahn und der Baufirma und vor allem wegen mangelnder Pläne.“Immer wieder seien die Bagger zum Beispiel auf unvorherge­sehene Stromleitu­ngen gestoßen. Oder der Boden sei anders beschaffen gewesen, als gedacht. Eigentlich sei Grimm davon ausgegange­n, das Projekt an der Thierschbr­ücke bis spätestens Ende September abgeschlos­sen zu haben. Denn in zwei Wochen warte auf den freischaff­enden Archäologe­n ein neues Projekt. Als Grabungsle­iter auf der Thierschbr­ückenbaust­elle sei er aber unabkömmli­ch. Er sagt:„Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergeht.“

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FOTO: FRANZISKA TELSER Gerald Grimm (rechts) misst mit einem Bauarbeite­r die Tiefe des Lochs. Bei sieben Meter Tiefe trifft er auf die Sternschan­ze.
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FOTO: FRANZISKA TELSER Gerald Grimm muss alle Funde sortieren und dokumentie­ren nach den Fundumstän­den.

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