Archäologen finden Mordaxt
Thierschbrücke befindet sich auf historischen Verteidigungsanlagen
LINDAU - Mehrere hundert Jahre sind sie alt: die archäologischen Funde an der Thierschbrückenbaustelle in Lindau. Mit Metalldetektor und Bauhaken bewaffnet, durchkämmen Dr. Gerald Grimm und sein Archäologenteam den Bauschutt rund um die Baustelle der Ersatzbrücke, immer auf der Suche nach alten Schätzen. Dabei stoßen sie auf alte Gemäuer oder Waffenteile aus dem Dreißigjährigen Krieg.
Die Thierschbrückenbaustelle ist deshalb archäologisch interessant, weil sie sich auf zwei ehemaligen Verteidigungsanlagen aus dem 30jährigen Krieg befindet: der Lindenschanze und der Sternschanze. Während des Bodenseekrieges haben die Lindauer sich dort erfolgreich gegen die Angriffe der Schweden gewehrt. Für den Fall, dass die Bauarbeiter etwas historisch Interessantes auf der Baustelle finden, hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege Grimm und sein Team aus drei Leuten dort eingesetzt.
Einige Funde haben die Archäologen auch schon gemacht: zum Beispiel eine Stahlfeder einer Schusswaffe, Teile einer Stangenwaffe und sogar ein Stück einer Mordaxt. Aber nicht nur Waffen interessieren Grimm und sein Archäologenteam. Auch die Gemäuer der ehemaligen Schanzen sind für sie interessant. Wenn ehemalige Kulturdenkmäler auftauchen, versuchen sie, diese zu retten. „Wenn das nicht geht, fotografieren und vermessen wir den Fund, damit er später rekonstruiert werden kann“, sagt Grimm.
Sobald der Bagger ein Loch auf der Baustelle gräbt, muss Grimm zur Stelle sein. Mit einer Spitzhacke durchkämmt er den Bauschutt. „Die berühmte Spitzhacke von Norma, die jeder Archäologe dabei hat“; sagt er und lacht. Nachdem Grimm den Aushub mit der Hacke bearbeitet hat, ist sein Kollege Ulrich Kreuzer mit dem Metalldetektor dran. „Metallfunde sind schwer zu erkennen, aber kulturgeschichtlich höchst interessant“, erklärt er. Vor ein paar Tagen habe er eine Kaufbeurener Tuchplombe gefunden. „Die stammt aus dem 17. Jahrhundert“, sagt Kreuzer.
Sieben Meter tief muss der Bagger graben, um die Erdschicht der ehemaligen Schanzen zu erreichen. „Erst dann wird es richtig interessant“, sagt Grimm. Vorher trage der Bagger die Schichten aus den späteren Jahrhunderten ab. Da komme zuerst Sand oder Humus aus dem 19. Jahrhundert. Darunter würden sie dann auf die Schicht treffen, als die Schanze noch benutzt wurde. Jeden Fund dokumentieren und fotografieren Grimm und sein Team. „Wir trennen die Funde nach Befunden“, sagt Grimm. Das heißt, sie sortieren die Gegenstände nach den Fundumständen. Zum Beispiel nach der Erdschicht, in der die Archäologen einen Gegenstand gefunden haben. Über 1000 Fotos haben sie an der Thierschbrücke schon gemacht „Unser Wissen wächst auf diese Art jeden Tag“, sagt Grimm. Grimm ist auf das 17. und 18. Jahrhundert spezialisiert. Deswegen
„Wenn das nicht geht, fotografieren und vermessen wir den Fund, damit er später rekonstruiert werden kann“,
sagt Doktor Gerald Grimm, zu ehemaligen Kulturdenkmälern, die nicht zu retten sind. ist er auch Grabungsleiter an der Thierschbrücke geworden.
Eigentlich hätten Grimm und sein Team die Funde erst im Anschluss an die Grabung ordentlich sortiert und dokumentiert. Weil es aber wegen verschiedener Probleme auf der Baustelle immer wieder zu Verzögerungen kam, haben die Archäologen schon einen Großteil dieser Arbeit erledigt. „Hier gibt es immer wieder Verzögerungen“, sagt Grimm. „Wegen mangelnder Kommunikation zwischen der Bahn und der Baufirma und vor allem wegen mangelnder Pläne.“Immer wieder seien die Bagger zum Beispiel auf unvorhergesehene Stromleitungen gestoßen. Oder der Boden sei anders beschaffen gewesen, als gedacht. Eigentlich sei Grimm davon ausgegangen, das Projekt an der Thierschbrücke bis spätestens Ende September abgeschlossen zu haben. Denn in zwei Wochen warte auf den freischaffenden Archäologen ein neues Projekt. Als Grabungsleiter auf der Thierschbrückenbaustelle sei er aber unabkömmlich. Er sagt:„Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergeht.“