Krisendienst gibt’s im Oberallgäu rund um die Uhr
Bei Selbsttötungsabsichten ist es wichtig, dass sich Betroffene jederzeit Hilfe holen können
KEMPTEN/OBERALLGÄU - „Eine Krise meldet sich nicht von Montag bis Freitag und macht dann vor dem Wochenende Halt.“Wenn Jutta Schröppel das sagt, weiß sie, wovon sie spricht. Seit drei Jahren ist die evangelische Theologin „Suizidpfarrerin“und hilft Menschen, die sich mit Selbsttötungsgedanken tragen, wie auch Menschen, die in ihrem Umfeld einen Suizid erleben mussten. Von Beginn an forderte sie wie viele andere vom Bezirk Schwaben einen Krisendienst, der auch abends und am Wochenende besetzt ist. Ab 2018 soll es diesen Dienst jetzt geben, sagt Bezirksrätin Renate Deniffel auf Anfrage.
Das evangelische Dekanat hat – bundesweit einmalig – eine eigene Pfarrstelle eingerichtet, um in diesem sensiblen Bereich Hilfe anzubieten. Schröppel begegnet bei ihrer Arbeit vielen Menschen, die in einer seelischen Not stecken. So tief, dass sie keinen Ausweg mehr sehen und ihr Leben nicht mehr leben wollen. In der Pflicht stehe in solchen Situationen vor allem auch das Umfeld dieser Menschen.
Suizid, sagt Schröppel, sei allerdings immer noch ein Tabuthema, sei verbunden mit Angst, Schrecken und Ohnmacht. Und dem Gefühl, nicht zu wissen, was zu tun ist. „Doch es gibt Hilfe“, sagt die Pfarrerin. Die bekannten Einrichtungen wie Bezirkskrankenhaus und sozialpsychiatrischer Dienst der Diakonie zum Beispiel.
Weil nicht jeder aber sofort dorthin will, wurde vor einiger Zeit ein Flyer mit Telefonnummern anderer Anlaufstellen zusammengestellt. Betroffene und Angehörige können anrufen und sich dort Hilfe holen. Erreichbar freilich sind Dienste wie die psychologische Beratungsstelle und der sozialpsychiatrische Dienst jedoch nicht rund um die Uhr. Hier soll jetzt ein eigener Krisendienst, eingerichtet vom Bezirk, Abhilfe schaffen. Seit Jahren wird ein solcher gefordert. Ab nächstem Jahr will der Bezirk diese Einrichtung, die es in Oberbayern bereits gibt, auch in Schwaben realisieren. Im Herbst, sagt CSU-Bezirksrätin Deniffel, soll das Konzept erarbeitet und verabschiedet werden. Im Haushalt 2018 und 2019 soll Geld dafür bereitgestellt werden.
Der Bezirk will eine Fachkraft einstellen, die den Krisendienst in der Region koordiniert und aufbaut. Angegliedert werden soll die Einrichtung beim sozialpsychiatrischen Dienst. Wie in Oberbayern soll der Krisendienst dann eine Art Soforthilfe sein, um Menschen in akuten psychischen Notfällen beizustehen. Und zwar rechtzeitig, auch am Abend und am Wochenende. Denn, sagt Schröppel, man müsse vermitteln, dass es nicht schwer sei, an Hilfe und Beratung zu kommen.
Immer noch gilt Kempten als die Stadt mit der höchsten Selbstmordrate, wie die Gesellschaft für Suizidprävention darstellt. Warum das so ist, wird seit längerer Zeit von Psychologen und Psychiatern untersucht. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Kein Anstieg der Zahlen
Registriert sind die Zahlen der Suizide und Suizidversuche bei der Polizei. Für Stadt und Landkreis könne jedoch beim Blick auf die vergangenen fünf Jahre kein Anstieg festgestellt werden, sagt Jürgen Krautwald von der Polizei. Weder bei den Selbsttötungsversuchen noch bei den vollendeten Suiziden.
Tod durch Erhängen, durch Schnittverletzungen oder durch Überfahren seien die häufigsten Ursachen. Tendenziell sei die Zahl in den vergangenen drei Jahren nach unten gegangen. Doch man müsse von einer Dunkelziffer ausgehen, da nicht jeder Versuch (vor allem, wenn er zuhause oder abgeschieden geschehe) gemeldet werde.