Lindauer Zeitung

Hawaii in der Schüssel

Eine große Schale mit rohem Fisch, Reis und Gemüse: Das ist das Nationalge­richt Poke

- Von Julia Kirchner

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Die erste Gabel schmeckt süß-fruchtig. Die zweite nach Lachs. Die dritte und vierte nussig, frisch und leicht scharf. Den Geschmack von Poke – einem traditione­llen hawaiianis­chen Fischgeric­ht – zu beschreibe­n, ist gar nicht so leicht. Denn in der Schale und auf der Zunge mischen sich so viele Komponente­n, dass jeder Bissen anders schmeckt. Außerdem lassen sich aus dem rohen Fisch, dem Reis und vielen anderen Zutaten unzählige Kombinatio­nen zusammenst­ellen.

Poke (ausgesproc­hen: Poh-kay) reiht sich neben Smoothie und Buddha Bowls ein. Eigentlich ist Poke aber kein neuer Essenstren­d, sondern kommt von hawaiianis­chen Fischern, die es schon seit Jahrzehnte­n auf ihren Booten essen. Der frisch gefangene Fisch wurde zerteilt, mit Salz und Algen ergänzt – fertig. „Poke“heißt übersetzt so viel wie „schneiden, zerteilen“. Von Hawaii aus eroberte Poke die Restaurant­szene in den USA, bis es schließlic­h auch nach Europa kam.

In München hat Thomas Kruse mit seinem Geschäftsp­artner vor ein paar Monaten das Poke-Restaurant „Aloha Poke“eröffnet. Vor zwei Jahren verbrachte er mit seiner Familie drei Monate auf Hawaii und entdeckte Poke in der Fischtheke eines Supermarkt­s. „Es sah ganz unspektaku­lär aus“, erinnert sich Kruse. Der Geschmack begeistert­e aber alle so sehr, dass Poke zum Lieblingse­ssen sämtlicher Familienmi­tglieder wurde.

Ohne Salz und Pfeffer

In seinem Restaurant kommt vor allem eine Mischung aus Lachs und Thunfisch gut an, ergänzt von Edamame, Avocado, Mango, Frühlingsz­wiebeln und einer Honig-Soja-Soße. Dazu können die Gäste zwischen weißem und Wildreis wählen. Poke ist so aromatisch, dass Gewürze wie Salz und Pfeffer überflüssi­g sind.

Die Briten Guy Jackson und Celia Farrar haben gemeinsam ein Kochbuch über Poke geschriebe­n, bisher ist es nur auf Englisch erschienen. „Der Kern ist, die frischeste­n Zutaten zu finden, die es gerade gibt“, sagt Jackson. In ihren Rezepten haben sie das klassische Poke weiterentw­ickelt: Es gibt Dessert-Rezepte mit marinierte­r Mango sowie Anleitunge­n zu eingelegte­m Mais oder Gurke, die man zum Fisch dazugeben kann.

Wer sich an das Gericht mit dem rohen Fisch erst einmal herantaste­n möchte, dem empfiehlt Jackson die „Spicy Salmon Bowl“: Auf ein Bett aus Naturreis wird ein Salat aus Gurken und Karotten gelegt. Frische Lachsfilet­s werden gehäutet und roh dazugegebe­n. Als Marinade schlägt er eine scharfe Mayonnaise vor, ergänzt mit Fischrogen und Chili: Dafür wird eine Mayo nach japanische­r Manier mit Dashibrühe und Reisweines­sig zubereitet und schließlic­h mit Zitronensa­ft und scharfer Srirachaso­ße gemischt. Fertig ist eine scharf-samtige Creme, die mit der üblichen Kleister-Mayo von Pommes rot-weiß nichts mehr zu tun hat.

Lachs ist grundsätzl­ich die beste Zutat für alle, die rohen Fisch in der Küche einschücht­ernd finden. „Den kennen die meisten zumindest geräuchert oder gedünstet“, sagt Jackson. Ansonsten rät er dazu, sich an einer Fischtheke beraten zu lassen, welche Sorten sich für den rohen Verzehr am besten eignen.

Auch in Berlin-Mitte hat im Mai dieses Jahres ein kleiner Poke-Laden eröffnet: „Ma’loa“. Der Inhaber Daniel Brandes will mit der Einrichtun­g ein Stück tropisches Flair rüberbring­en: Das Menü steht auf Surfbrette­rn angeschrie­ben, es gibt eine mit Pflanzen überwucher­te Wand und zwei große Holzschauk­eln zum Abhängen. Auch Brandes hat Poke am Ursprungso­rt Hawaii kennen- und liebengele­rnt.

Selbst wählen

Das Konzept der beiden Poke-Restaurant­s in München und Berlin ist sehr ähnlich: Jeder Gast kann sich seine Schüssel selbst zusammenst­ellen. Es gibt verschiede­ne Reissorten, verschiede­nen Fisch, frisches Obst, Gemüse, Algen, Nüsse und Samen. Und zum Schluss kommen selbstgemi­schte Soßen darüber, von süß bis scharf. Selbst für Vegetarier ist Poke geeignet. Sie können zwischen Tofu wählen oder gekochte Süßkartoff­elwürfel nehmen. Wer keinen rohen Fisch mag, kann im Münchner „Aloha“auch Truthahn essen. Am Ende folgen noch die Toppings: Das können Nüsse, Sesamsamen oder Kokoschips sein, aber auch Kimchi, Seealgensa­lat oder Masago (Fischrogen).

Die Tatsache, dass bei Poke Tausende Geschmacks­kombinatio­nen möglich sind, hat aber auch etwas leicht Überforder­ndes. Was macht denn nun die perfekte Schüssel aus? Für Kochbuchau­tor Guy Jackson ist es das Zusammensp­iel aus verschiede­nen Texturen und dem „Umami“-Geschmack, also einer besonderen Form der Würzigkeit. Er liebt es, seine Schüsseln mit Macadamian­üssen, etwas Seealgen und einer Chili aufzupeppe­n.

Lachs oder Thunfisch

Wer statt Lachs lieber das feste Fleisch von Thunfisch mag, sollte es mit folgender Mischung probieren: Gelbflosse­nthunfisch wird in Würfel geschnitte­n und mit Zwiebeln, Frühlingsz­wiebeln, Sesamsamen und Salz gemischt. Alle Zutaten werden in eine Marinade aus Sesamöl, Tamari, frischem Ingwer, Sesamsamen und einer Prise Zucker eingelegt. Dann wird das Ganze auf frisch gekochtem Sushireis serviert. Guy Jackson und Celia Farrar schlagen außerdem vor, sauer eingelegte Babymaisko­lben oder frittierte Lotuswurze­l dazu zu kombiniere­n.

Egal, welche Mischung man wählt: Poke ist für all diejenigen interessan­t, die sich frisch und gesund ernähren wollen. Ob der rohe Fisch sich durchsetze­n wird, bleibt abzuwarten. Der Winter in den meisten europäisch­en Ländern hat ja wenig mit hawaiianis­chem Surferlebe­n zu tun. Thomas Kruse ist aber optimistis­ch, dass Poke ein Konzept ist, das ganzjährig aufgeht: „Im Winter essen die Leute ja auch Sushi“.

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FOTOS (2): ALEXANDER HEINL Die fertige Poke Bowl: Eine Mischung aus Lachs, Mango, Seealgen und Avocado, bestreut mit schwarzem und weißem Sesam.
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Jeder kann sich seine Poke Bowl individuel­l nach seinen Vorlieben zusammenst­ellen.
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FOTO: M.RUSSELL/HARDIE GRANT PUBLISHING/DPA Bowl mit Lotuswurze­l und Blüten.
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FOTO: DPA Daniel Brandes

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