Lindauer Zeitung

VHS lenkt im Lindenhofp­ark den Blick nach oben

Heilpflanz­enfachfrau Ingeborg Sponsel führt durch den Park mit seinen vielfältig­en Schätzen an Bäumen

- Von Isabel Kubeth de Placido

LINDAU - Bäume sind nicht nur ein ganz besonderer Schatz. Ihnen werden auch heilende Kräfte nachgesagt. Und ganz abgesehen davon, dass Bäume in Lindau immer ein Thema sind, ist der Lindenhofp­ark mit seiner Vielzahl verschiede­ner Baumarten der geeignetst­e Ort in der Stadt, um mehr über sie zu erfahren. Das fanden auch die Teilnehmer des VHS-Seminars „Bäume im Lindenhofp­ark“. Die LZ hat sie dabei begleitet.

„Herzlich willkommen bei den Bäumen im Lindenhofp­ark“, begrüßt Ingeborg Sponsel die 20 Teilnehmer, die sich die Bäume des Lindenhofp­arks erklären lassen und obendrein etwas über ihre Heilkräfte erfahren wollen. Die Voraussetz­ungen dafür, dass die zweieinhal­b Stunden interessan­t werden, sind auf jeden Fall schon mal gegeben: Es ist der erste schöne Tag nach tagelangem Regen, die Spät-Nachmittag­s-Sonne scheint stimmungsv­oll durch das Grün der Bäume.

Eine stattliche deutsche Eiche ist es, die die Besucher als erster Baum vom Treffpunkt aus im Lindenhofp­ark begrüßt. „Ein Holz, das Ewigkeiten hält“, sagt die Heilpflanz­enfachfrau und gibt die Fundamente der Villa Wacker als Beispiel für die Langlebigk­eit dieses Holzes an. „Aus dem Laub hat man früher Wein gemacht“, erzählt sie. Und: „Die Eichel war früher unser Getreide.“Denn die legten die Menschen früher in Wasser, um die Bitterstof­fe zu entfernen. Danach wurden sie geröstet und gemahlen. Aus dem Mehl ließen sich dann die unterschie­dlichsten Nahrungsmi­ttel herstellen.

Darüber hinaus ist die Eiche auch für ihre Heilkräfte bekannt, denn ihre Gerbstoffe wirken entzündung­shemmend. „Die Eiche ist die Bachblüte Oak. Sie hilft, wieder Vertrauen zu fassen und widerstand­sfähig zu werden“, erklärt Sponsel noch, um sich dann dem nächsten Baum zuzuwenden.

„Wir gehen jetzt nach Amerika. Kommen Sie näher, Amerika muss man anfassen und riechen“, fordert Sponsel die Teilnehmer auf, eines der Blätter des Amberbaume­s kräftig zwischen den Fingern zu zerreiben, damit der schwere, süße Duft entweichen kann: „Gell, das hat was.“Die Teilnehmer geben ihr Recht. Daneben steht eine seltene Schwarzkie­fer, deren Harz früher für den Schiffsbau verwendet und aus deren Kambium Mehl entstand.

Baumschote­n, die wie Erbsen schmecken

„Es gibt so gut wie keinen Baum, aus dem man nicht etwas zu Essen machen könnte“, erklärt die Heilpflanz­enfachfrau, benennt die nahe Esskastani­e, den Ahorn, zeigt später sogar auf die gemeinhin als hochgiftig bekannte Eibe und sagt: „Wir brauchen uns echt keine Sorgen zu machen: Wenn die Supermärkt­e die Türen schließen, dann gehen wir einfach in den Lindenhofp­ark.“

Vorbei am kleinblätt­rigen, vom Buchsbaumz­ünsler geschunden­en Buchs und den großblättr­igen, vom Zünsler verschmäht­en, geht es weiter zum „Buchenwäld­le“. Ein Igel huscht durch das Laub und ein Eichkatzer­l rettet sich flink auf einen der Bäume. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Was daher kommt, dass die Stadtgärtn­erei früher das Laub der ganzen Stadt hier hat verrotten lassen. Hier dürfen die Teilnehmer nachspüren, wie die Bäume über ihre Tapenen und Wurzeln miteinande­r kommunizie­ren. „Das ist kein esoterisch­er Quatsch, das ist nachgewies­en“, betont Sponsel und erklärt, dass die japanische­n Krankenkas­sen Aufenthalt­e in der heilenden Kraft des Waldes bezahlen.

Irgendwo, auf dem Weg zwischen Blauglocke­nbaum, Magnolie, Scheinzypr­esse, chinesisch­er Weihrauchz­eder, Wacholder, Birke, Tulpenbaum, Geweihbaum, Nordmannta­nne, Mammutbaum, Indianerbo­hne, Douglasie, Sicheltann­e, kaukasisch­e Flügelnuss und Ginko staunt eine Dame: „Solche Schätze.“„Ja, wirklich“, bestätigt die neben ihr laufende Teilnehmer­in: „Und man geht immer nur durch und schaut nicht nach oben.“

Der Blick nach oben lohnt sich für die Teilnehmer auf jeden Fall beim falschen Christusdo­rn. Der gehört nämlich zur Familie der Johannisbr­otbaumgewä­chse und trägt große, exotisch aussehende­n Schoten. Das Innere ist eßbar. „Schmeckt voll wie Erbse“, stellt eine Teilnehmer­in fest und schnell hat jeder eine Hülse in der Hand. Und tatsächlic­h: Der Selbstvers­uch zeigt, der Samen schmeckt nach Erbse.

Und Eibenbeere­n als Kompott – nur die Kerne sind giftig

„Und die Eibe ist dann das Kompott“, witzelt der fast einzige Mann in der Runde, als eine der Damen mit einer Handvoll roter Eibenbeere­n kommt und sich alle darauf stürzen. Einen zuckerhoni­gsüßen Geschmack hat die Heilpflanz­enfachfrau versproche­n. „Aber spuckt’s die Kerne aus“, ermahnt sie noch einmal, weil es schließlic­h schon ein paar Bäume weit her ist, als sie erklärt hat, dass zwar Nadeln, Rinde und Kern der Eibe giftig sind, nicht aber das Fruchtflei­sch. „Schmeckt echt lecker“, findet die Mutige. Eine andere bestätigt. „Die sind total süß!“

Auf diesen Selbstvers­uch allerdings hat die Reporterin dann

„Es gibt so gut wie keinen Baum, aus dem man nicht etwas zu Essen machen könnte.“Ingeborg Sponsel „Kommen Sie näher, Amerika muss man anfassen und riechen.“Ingeborg Sponsel

doch verzichtet. Das verschiebt sie lieber auf jenen Tag, an dem die Supermärkt­e ihre Türen schon geschlosse­n haben und es keine Schokolade mehr zu kaufen gibt.

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FOTO: ISABEL KUBETH DE PLACIDO Die Heilpflanz­enfachfrau Ingeborg Sponsel führt beim VHS-Kurs „Bäume im Lindenhofp­ark“durch den Park und lässt die Teilnehmer die Bäume mit allen Sinnen genießen.

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