Groll auf die Schwesterpartei
CSU-Chef Horst Seehofer will trotz Wahlschlappe weitermachen – Zu Gesprächen über Regierungsbildung bereit
MÜNCHEN - Ganz gegen seine Gewohnheit wollte CSU-Chef Horst Seehofer am Montagmorgen an den vor der CSU-Parteizentrale wartenden Journalisten vorbeigehen. Zu einer Art vorgezogenen Pressekonferenz hatte er keine Lust. Doch dann ließ er sich doch breitschlagen, ein paar Fragen zu beantworten. Eine davon war die nach seiner Zukunft an der Spitze der Partei und dem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018. Er stehe zur Verfügung, bekräftigte Seehofer und fügte hinzu: „Wenn jemand das anders sieht, soll er es sagen.“
Vor Kameras und Mikrofonen wollte das am Montag kein CSU-Vorstandsmitglied anders sehen. Vom Vorsitzenden der Jungen Union Bayern, Hans Reichhart, bis zu Parteivize Manfred Weber warnten alle unisono vor Personaldiskussionen. Die CSU müsse jetzt in Berlin unbedingt ihre Positionen durchsetzen, forderte Ehrenvorsitzender Edmund Stoiber. Und zwar mit Seehofer: „Wer sonst?“Und Landtagspräsidentin und Parteivizechefin Barbara Stamm meinte: „Es geht ja gar nicht anders.“
Ortsverband fordert Rücktritt
Einer freilich beantwortete die Frage nach einer personellen Neuaufstellung als Folge des 38,8-Prozent-Desasters nicht: Der bayerische Finanzminister und Nürnberger CSU-Vorsitzende Markus Söder entzog sich der Frage durch eiliges Davonstürmen in den Sitzungssaal. Zuvor hatte er aber noch unterstrichen, dass man sehr genau „in die Partei hineinhorchen“und die „Stimmung an der Basis aufnehmen“müsse. Am Nachmittag forderte der Ortsverband Großhabersdorf in Mittelfranken Seehofer zum Rücktritt auf.
Dabei komme es vor allem auf die oberbayerische Parteibasis an, hieß es aus mittelfränkischen CSU-Kreisen. Wenn Seehofer gestürzt werden sollte, müsse von dort das Signal kommen. „Logischerweise“, so Söder, könne man „nach diesem Ergebnis nicht zur Tagesordnung übergehen“. Der ehemalige Ministerpräsident Günther Beckstein erinnerte daran, dass er nach einem 43,5-Prozent für die CSU bei der Landtagswahl 2008 seinen Hut nehmen musste. Am Montag darauf, so der Nürnberger mit einem verschmitzten Lächeln, „war noch heile Welt“.
Kurz nach Beginn der CSU-Vorstandssitzung hieß es, dass Seehofer – wie Franz Josef Strauß in Kreuth vor mehr als 40 Jahren – angeblich die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU infrage stelle. Doch schon wenige Stunden später kam die Entwarnung: Ausnahmslos alle CSU-Vorständler haben – wie nach jeder Wahl bisher eher Routine – für eine Fortsetzung der Fraktionsgemeinschaft mit der Schwesterpartei gestimmt. Die CSU ist nach Seehofers Worten bereit zu Gesprächen über eine Regierungsbildung,
Wenn die CSU ihre Obergrenze für die Einwanderung nicht durchsetzen könne, müsse sie in die Opposition gehen, hatte freilich JU-Chef Reichhart gefordert – wohl wissend, dass dies nach Lage der Dinge nur ein Ende der Unions-Fraktionsgemeinschaft bedeuten würde.
Die Obergrenze, welche die Grünen strikt ablehnen, gehöre „zur Selbstachtung“der CSU, hatte Seehofer gesagt. Oberwasser bekamen diejenigen, denen der Schmusekurs gegenüber der Kanzlerin ohnehin nicht schmeckte. Die CSU sei zu lange der CDU hinterhergelaufen und habe sich geradezu zu deren 16. Landesverband gemacht, grummelte der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich.
Dass die CSU-Führung die CDU für ihr Wahldesaster maßgeblich verantwortlich machen würde, hatte sich am Wahlabend abgezeichnet. Die Zufriedenheit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel konnte CSUGeneralsekretär Andreas Scheuer nicht nachvollziehen, was er auch deutlich zum Ausdruck brachte: „Das Land ist nach diesem Wahlergebnis tief gespalten“, sagte Scheuer.
Und auch die Union. Ein Trennungsbeschluss à la Kreuth hätte immerhin eine Jamaika-Koalition CDU/FDP/Grüne unmöglich gemacht. Anders als nach früheren Wahlen sei die CSU für eine Regierungsbildung in Berlin unverzichtbar, hat man sich über Nacht ausgerechnet. Er hoffe immer noch auf die SPD, die sich im Augenblick noch „in einer Verweigerungsecke befindet“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der als neuer Chef der CSU-Landesgruppe nach eigenen Worten zur Verfügung steht: „Von mir aus ist eine Bereitschaft da.“Seehofer sagte am Montag nach einer Sitzung des Parteivorstandes in München: „Ich werde Dobrindt morgen als Landesgruppenchef vorschlagen.“
Vizechefin Stamm bremst
Viel geredet wurde am Montag über das „Schließen der rechten Flanke“der Union. Ausgerechnet dem erfolglosen und dem entsprechend enttäuschten CSU-Spitzenkandidaten Joachim Herrmann („Keiner hat mit diesem Wahlergebnis gerechnet“) blieb es überlassen, auch auf die offene liberale Flanke der CSU aufmerksam zu machen. Immerhin habe man auch Stimmen an die FDP verloren, sagte Herrmann. Schon deshalb könne es keinen „Rechtsruck der CSU“geben, versicherte Herrmann. Auch Parteivizechefin Stamm bremste diejenigen, die wegen des Wahlergebnisses eine Rechtskurve fordern: „Ich wüsste nicht, was wir auf den Bayernplan noch draufsetzen sollen.“
Die CSU entsendet in der neuen Unionsfraktion 46 Abgeordnete, deutlich weniger als in der abgelaufenen Legislaturperiode (56).