Lindauer Zeitung

CSU-Sheriff mit ungewisser Zukunft

Ausgerechn­et der eigene Spitzenkan­didat steht ohne Bundestags­mandat da

- Von Christoph Trost

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Geduldig steht CSU-Spitzenkan­didat Joachim Herrmann vor der Parteizent­rale in München. Den Rücken durchgedrü­ckt blickt er mit regungslos­er Mimik in die Kamera. Gerade einmal viereinhal­b Stunden habe er letzte Nacht geschlafen, sagt er. Am Tag nach der historisch­en CSU-Pleite bei einer Bundestags­wahl ist dies aber Herrmanns geringste Sorge.

Trotz seines ersten Platzes auf der CSU-Landeslist­e hat er den Einzug in den Bundestag verpasst – weil die Partei alle 46 Direktmand­ate für Bayern gewann, das Gesamterge­bnis der CSU schlecht war und somit kein Kandidat von der Liste in den Bundestag rückte. Damit ist er neben CSU-Chef Horst Seehofer der große Verlierer der Wahl. Aber ist damit wirklich der große Traum vom Posten des Bundesinne­nministers für den bayerische­n Sheriff geplatzt?

„Es geht jetzt nicht vorrangig um meine persönlich­e Zukunft“, sagt Herrmann. Für die CSU gehe es nun um wichtigere Fragen, sie müsse sich nun gut aufstellen für die Landtagswa­hl 2018 und brauche einen starken Einfluss bei den Koalitions­verhandlun­gen in Berlin. Er selbst werde sich selbstvers­tändlich dabei nach Kräften einbringen.

Lange vor der Wahl hatte Herrmann erklärt, ein Wechsel nach Berlin ohne ein Bundestags­mandat sei nicht sein Stil. Ob diese Aussage noch gelte, will Herrmann am Tag eins nach dem Debakel nicht sagen. Erst auf wiederholt­e Nachfrage erklärt er, dass dies nicht nur von ihm abhänge: „An mir liegt es nicht, das jetzt zu entscheide­n, ob ich zu irgendetwa­s bereit wäre.“

Damit bleibt Herrmann seiner loyalen Linie treu. Der Franke ist einer der wichtigste­n Unterstütz­er Seehofers. In seinem Handeln spielen persönlich­e Interessen nur eine untergeord­nete Rolle. Wenn der CSU-Chef über den Franken spricht, kommt er ins Schwärmen. „Die Partei wird es dir nie vergessen“, hatte Seehofer Herrmanns Bereitscha­ft zur Spitzenkan­didatur gelobt.

Seine Karriere hat Herrmann in der bayerische­n Staatskanz­lei begonnen. Dort war er von 1984 bis 1988 unter Franz Josef Strauß Regierungs­rat. 1994 zog er in den Landtag ein. 1997 wurde der Jurist kurzzeitig stellvertr­etender CSU-Generalsek­retär, dann Sozialstaa­tssekretär, 2003 schließlic­h Chef der CSU-Landtagsfr­aktion – bis ihn Günther Beckstein 2007 zum Innenminis­ter berief. Im Wahlkampf war Herrmann das Gesicht der Inneren Sicherheit für die CSU. Gebetsmühl­enartig warb er für einen starken Staat, Obergrenze, Grenzkontr­ollen, Abschiebun­gen, mehr Polizei und Überwachun­g, Null-Toleranz-Politik gegen Extremiste­n und religiöse Fanatiker. Dass die CSU damit am Ende nicht wie geplant der AfD das Wasser abgraben konnte, muss sich deshalb auch Herrmann ankreiden. Da dürfte es den ehrgeizige­n Politiker nur bedingt trösten, dass Seehofer ihm in der Stunde der Niederlage für einen „bravouröse­n Einsatz“dankte.

Absage schon im Jahr 2011

Somit ist nun die spannende Frage, ob Herrmann doch in Bayern bleibt. „Es ist ein schönes Amt, es gibt hier viel zu tun“, sagte er vor Wochen über seinen Posten als Landesinne­nminister. Seehofer schätzt den Mittelfran­ken dafür, dass dieser normalerwe­ise ohne Aufregung seine Arbeit tut.

Sollte Herrmann bei seiner eigenen Zukunftsfr­age seiner Linie treu bleiben, müsste er den Gang nach Berlin genauso wie im Jahr 2011 ablehnen, denn wieder steht er ohne Bundestags­mandat da. Einzig die Familiensi­tuation hat sich geändert, denn Herrmanns Kinder sind längst aus dem Haus.

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FOTO: DPA Einzug in den Bundestag verpasst: Joachim Herrmann (CSU).

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