CSU-Sheriff mit ungewisser Zukunft
Ausgerechnet der eigene Spitzenkandidat steht ohne Bundestagsmandat da
BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Geduldig steht CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann vor der Parteizentrale in München. Den Rücken durchgedrückt blickt er mit regungsloser Mimik in die Kamera. Gerade einmal viereinhalb Stunden habe er letzte Nacht geschlafen, sagt er. Am Tag nach der historischen CSU-Pleite bei einer Bundestagswahl ist dies aber Herrmanns geringste Sorge.
Trotz seines ersten Platzes auf der CSU-Landesliste hat er den Einzug in den Bundestag verpasst – weil die Partei alle 46 Direktmandate für Bayern gewann, das Gesamtergebnis der CSU schlecht war und somit kein Kandidat von der Liste in den Bundestag rückte. Damit ist er neben CSU-Chef Horst Seehofer der große Verlierer der Wahl. Aber ist damit wirklich der große Traum vom Posten des Bundesinnenministers für den bayerischen Sheriff geplatzt?
„Es geht jetzt nicht vorrangig um meine persönliche Zukunft“, sagt Herrmann. Für die CSU gehe es nun um wichtigere Fragen, sie müsse sich nun gut aufstellen für die Landtagswahl 2018 und brauche einen starken Einfluss bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin. Er selbst werde sich selbstverständlich dabei nach Kräften einbringen.
Lange vor der Wahl hatte Herrmann erklärt, ein Wechsel nach Berlin ohne ein Bundestagsmandat sei nicht sein Stil. Ob diese Aussage noch gelte, will Herrmann am Tag eins nach dem Debakel nicht sagen. Erst auf wiederholte Nachfrage erklärt er, dass dies nicht nur von ihm abhänge: „An mir liegt es nicht, das jetzt zu entscheiden, ob ich zu irgendetwas bereit wäre.“
Damit bleibt Herrmann seiner loyalen Linie treu. Der Franke ist einer der wichtigsten Unterstützer Seehofers. In seinem Handeln spielen persönliche Interessen nur eine untergeordnete Rolle. Wenn der CSU-Chef über den Franken spricht, kommt er ins Schwärmen. „Die Partei wird es dir nie vergessen“, hatte Seehofer Herrmanns Bereitschaft zur Spitzenkandidatur gelobt.
Seine Karriere hat Herrmann in der bayerischen Staatskanzlei begonnen. Dort war er von 1984 bis 1988 unter Franz Josef Strauß Regierungsrat. 1994 zog er in den Landtag ein. 1997 wurde der Jurist kurzzeitig stellvertretender CSU-Generalsekretär, dann Sozialstaatssekretär, 2003 schließlich Chef der CSU-Landtagsfraktion – bis ihn Günther Beckstein 2007 zum Innenminister berief. Im Wahlkampf war Herrmann das Gesicht der Inneren Sicherheit für die CSU. Gebetsmühlenartig warb er für einen starken Staat, Obergrenze, Grenzkontrollen, Abschiebungen, mehr Polizei und Überwachung, Null-Toleranz-Politik gegen Extremisten und religiöse Fanatiker. Dass die CSU damit am Ende nicht wie geplant der AfD das Wasser abgraben konnte, muss sich deshalb auch Herrmann ankreiden. Da dürfte es den ehrgeizigen Politiker nur bedingt trösten, dass Seehofer ihm in der Stunde der Niederlage für einen „bravourösen Einsatz“dankte.
Absage schon im Jahr 2011
Somit ist nun die spannende Frage, ob Herrmann doch in Bayern bleibt. „Es ist ein schönes Amt, es gibt hier viel zu tun“, sagte er vor Wochen über seinen Posten als Landesinnenminister. Seehofer schätzt den Mittelfranken dafür, dass dieser normalerweise ohne Aufregung seine Arbeit tut.
Sollte Herrmann bei seiner eigenen Zukunftsfrage seiner Linie treu bleiben, müsste er den Gang nach Berlin genauso wie im Jahr 2011 ablehnen, denn wieder steht er ohne Bundestagsmandat da. Einzig die Familiensituation hat sich geändert, denn Herrmanns Kinder sind längst aus dem Haus.