Lindauer Zeitung

„Das ist ein Desaster“für die Christsozi­alen

Vertreter von CSU, Grünen und FDP im Landkreis zweifeln an Jamaika-Koalition

- Von Peter Mittermeie­r, Benjamin Schwärzler und Claudia Goetting

KREIS LINDAU - CSU-Kreisvorsi­tzender Uli Pfanner versucht gar nicht, das Ergebnis zu beschönige­n. „Das ist ein Desaster“, sagt er nach dem Absturz seiner Partei. Im Landkreis haben die Christsozi­alen bei der Bundestags­wahl 8,9 Prozent verloren. Nach dem bundesweit­en Ergebnis und der Absage der SPD an eine Regierungs­beteiligun­g drängt sich eine Jamaika-Koalition als Regierung auf. Die aber sehen Vertreter aller drei beteiligte­r Parteien – CSU, Grüne und FDP – im Landkreis skeptisch.

Noch vor drei Wochen war Pfanner mit Blick auf die Wahl „wesentlich besser gestimmt“. Doch die Zuversicht schwand von Tag zu Tag. Dazu beigetrage­n hatten nicht zuletzt Äußerungen der Parteispit­ze. Pfanner nennt als Beispiel die „Wankelmüti­gkeit“in Sachen Flüchtling­sobergrenz­e. „Ich kann nicht einmal sagen, ohne eine Obergrenze gibt es keinen Koalitions­vertrag und dann wieder zurückrude­rn.“Das Ergebnis ist für ihn Folge einer Politik, die einmal „Hü und dann wieder Hott“sagt. Pfanner: „Wir brauchen eine authentisc­he, glaubwürdi­ge Politik.“

Das „einzig Positive“am Wahlabend war aus seiner Sicht das – im Vergleich zur CSU – gute Abschneide­n von Gerd Müller. Der Direktkand­idat der Christsozi­alen hat im Landkreis Lindau um 9,2 Prozentpun­kte besser abgeschnit­ten als seine Partei, ähnlich im Oberallgäu. Pfanner wundert das nicht. „Er hat einen Plan und verfolgt ihn konsequent“, sagt der CSU-Kreisvorsi­tzende mit Blick auf die Entwicklun­gspolitik des Kempteners.

Zurückhalt­end ist Pfanner mit Blick auf „Jamaika“. Ein Dreierbünd­nis hält der Kreischef der CSU grundsätzl­ich für schlecht, „weil es dort noch schwierige­r ist, Kompromiss­e zu finden“. Im Vorfeld der Wahl sei „Jamaika“im Kreisverba­nd kein großes Thema gewesen. Er kennt aber die Vorbehalte vieler Mitglieder gegen Schwarz-Grün: „Es gibt Pragmatike­r bei den Grünen, aber auch solche, die das Land grundlegen­d verändern wollen.“

Die Grünen freuen sich über „Superergeb­nis“

Die Grünen gehören zu den Wahlgewinn­ern im Landkreis. Mit 12,9 Prozent haben sie ein „Superergeb­nis“eingefahre­n, so Vorstandss­precher Christian Schabronat­h. Die Alternativ­en sind der weiter schwächeln­den SPD im Kreis mittlerwei­le sehr nahe gerückt. Schabronat­h denkt, dass das Ergebnis auch mit der Arbeit vor Ort zu tun hat. „Wir sind präsenter als noch vor ein paar Jahren“, sagt der Lindauer.

Eine Jamaika-Koalition sieht er „persönlich eher skeptisch“. Das liegt vor allem an der CSU. „Mit ihr und der FDP in Bayern haben wir wenige Schnittmen­gen.“Schabronat­h rechnet aber damit, dass sich die Bundes-Grünen „ihrer Verantwort­ung bewusst sind“und – falls es dazu kommt – so konstrukti­v wie möglich in Gespräche mit FDP und CDU/ CSU gehen werden. Knackpunkt­e sind für Schabronat­h dabei umweltpoli­tische Themen, dazu gehört auch die Agrarpolit­ik, vor allem das Verhältnis zwischen bäuerliche­r und industriel­l betriebene­r Landwirtsc­haft. Am Ende möglicher Koalitions­gespräche erwartet Schabronat­h eine Urwahl der Grünenmitg­lieder über eine Regierungs­beteiligun­g.

Kritisch sieht auch der zweite Grünenspre­cher im Kreis ein schwarz-gelb-grünes Bündnis. Die Grünen könnten so eine Koalition eigentlich nicht eingehen, ohne sich total zu verbiegen, sagt Alfons Hener, der 1979 Gründungsm­itglied der Partei war. Das liege vor allem an der CSU. Eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen könnte sich Hener dagegen schon eher vorstellen.

Das Ergebnis der eigenen Partei „freut ihn“, wobei er sich als „Altgrüner“durchaus mit dem einen oder anderen Parteivord­eren schwertut. „Wie kann Cem Özdemir sagen, dass wir den Auftrag erhalten haben, in die Regierung zu gehen?“, fragt er. „Das könnten alle sechs Parteien sagen. Die Grünen sind ja sogar noch die kleinste Fraktion.“Im Grunde hätten die Bürger Merkel abgewählt. Die Behauptung, ohne die CDU/CSU gehe nichts, sei falsch. Zähle man die Sitze von Linken, SPD, FDP und Grünen zusammen, wäre das sehr wohl möglich.

FDP glaubt nicht an Zusammenar­beit mit den Grünen

Stephan Rossmann ist am Wahlabend nach eigenem Bekunden mit einem Lächeln im Gesicht eingeschla­fen. „Ein traumhafte­s Ergebnis“, sagt der Vorsitzend­e des 23 Mitglieder starken FDP-Kreisverba­ndes. Die Liberalen können aus Sicht des 44-jährigen Lindenberg­ers nun „mit starker Brust“den Wiedereinz­ug in den Bundestag angehen – in welcher Rolle auch immer.

Was eine Jamaika-Koalition angeht, sei er „eher skeptisch mit den Grünen“, sagt aber auch: „Ich könnte damit leben, aber die liberale Handschrif­t muss darin stark vertreten sein.“Konkret nennt er die Themen Digitalisi­erung, Bildung, Sicherheit und Einwanderu­ng. Letztlich würden die Mitglieder abstimmen, ob ein Koalitions­vertrag unterzeich­net wird oder nicht. Sollte es nicht zu Jamaika kommen, dann könne die FDP aus seiner Sicht auch aus der Opposition heraus eine gute Politik machen. Er sei da ganz entspannt, sagt Rossmann, der seit drei Jahren Kreischef der Liberalen ist.

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