„Das ist ein Desaster“für die Christsozialen
Vertreter von CSU, Grünen und FDP im Landkreis zweifeln an Jamaika-Koalition
KREIS LINDAU - CSU-Kreisvorsitzender Uli Pfanner versucht gar nicht, das Ergebnis zu beschönigen. „Das ist ein Desaster“, sagt er nach dem Absturz seiner Partei. Im Landkreis haben die Christsozialen bei der Bundestagswahl 8,9 Prozent verloren. Nach dem bundesweiten Ergebnis und der Absage der SPD an eine Regierungsbeteiligung drängt sich eine Jamaika-Koalition als Regierung auf. Die aber sehen Vertreter aller drei beteiligter Parteien – CSU, Grüne und FDP – im Landkreis skeptisch.
Noch vor drei Wochen war Pfanner mit Blick auf die Wahl „wesentlich besser gestimmt“. Doch die Zuversicht schwand von Tag zu Tag. Dazu beigetragen hatten nicht zuletzt Äußerungen der Parteispitze. Pfanner nennt als Beispiel die „Wankelmütigkeit“in Sachen Flüchtlingsobergrenze. „Ich kann nicht einmal sagen, ohne eine Obergrenze gibt es keinen Koalitionsvertrag und dann wieder zurückrudern.“Das Ergebnis ist für ihn Folge einer Politik, die einmal „Hü und dann wieder Hott“sagt. Pfanner: „Wir brauchen eine authentische, glaubwürdige Politik.“
Das „einzig Positive“am Wahlabend war aus seiner Sicht das – im Vergleich zur CSU – gute Abschneiden von Gerd Müller. Der Direktkandidat der Christsozialen hat im Landkreis Lindau um 9,2 Prozentpunkte besser abgeschnitten als seine Partei, ähnlich im Oberallgäu. Pfanner wundert das nicht. „Er hat einen Plan und verfolgt ihn konsequent“, sagt der CSU-Kreisvorsitzende mit Blick auf die Entwicklungspolitik des Kempteners.
Zurückhaltend ist Pfanner mit Blick auf „Jamaika“. Ein Dreierbündnis hält der Kreischef der CSU grundsätzlich für schlecht, „weil es dort noch schwieriger ist, Kompromisse zu finden“. Im Vorfeld der Wahl sei „Jamaika“im Kreisverband kein großes Thema gewesen. Er kennt aber die Vorbehalte vieler Mitglieder gegen Schwarz-Grün: „Es gibt Pragmatiker bei den Grünen, aber auch solche, die das Land grundlegend verändern wollen.“
Die Grünen freuen sich über „Superergebnis“
Die Grünen gehören zu den Wahlgewinnern im Landkreis. Mit 12,9 Prozent haben sie ein „Superergebnis“eingefahren, so Vorstandssprecher Christian Schabronath. Die Alternativen sind der weiter schwächelnden SPD im Kreis mittlerweile sehr nahe gerückt. Schabronath denkt, dass das Ergebnis auch mit der Arbeit vor Ort zu tun hat. „Wir sind präsenter als noch vor ein paar Jahren“, sagt der Lindauer.
Eine Jamaika-Koalition sieht er „persönlich eher skeptisch“. Das liegt vor allem an der CSU. „Mit ihr und der FDP in Bayern haben wir wenige Schnittmengen.“Schabronath rechnet aber damit, dass sich die Bundes-Grünen „ihrer Verantwortung bewusst sind“und – falls es dazu kommt – so konstruktiv wie möglich in Gespräche mit FDP und CDU/ CSU gehen werden. Knackpunkte sind für Schabronath dabei umweltpolitische Themen, dazu gehört auch die Agrarpolitik, vor allem das Verhältnis zwischen bäuerlicher und industriell betriebener Landwirtschaft. Am Ende möglicher Koalitionsgespräche erwartet Schabronath eine Urwahl der Grünenmitglieder über eine Regierungsbeteiligung.
Kritisch sieht auch der zweite Grünensprecher im Kreis ein schwarz-gelb-grünes Bündnis. Die Grünen könnten so eine Koalition eigentlich nicht eingehen, ohne sich total zu verbiegen, sagt Alfons Hener, der 1979 Gründungsmitglied der Partei war. Das liege vor allem an der CSU. Eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen könnte sich Hener dagegen schon eher vorstellen.
Das Ergebnis der eigenen Partei „freut ihn“, wobei er sich als „Altgrüner“durchaus mit dem einen oder anderen Parteivorderen schwertut. „Wie kann Cem Özdemir sagen, dass wir den Auftrag erhalten haben, in die Regierung zu gehen?“, fragt er. „Das könnten alle sechs Parteien sagen. Die Grünen sind ja sogar noch die kleinste Fraktion.“Im Grunde hätten die Bürger Merkel abgewählt. Die Behauptung, ohne die CDU/CSU gehe nichts, sei falsch. Zähle man die Sitze von Linken, SPD, FDP und Grünen zusammen, wäre das sehr wohl möglich.
FDP glaubt nicht an Zusammenarbeit mit den Grünen
Stephan Rossmann ist am Wahlabend nach eigenem Bekunden mit einem Lächeln im Gesicht eingeschlafen. „Ein traumhaftes Ergebnis“, sagt der Vorsitzende des 23 Mitglieder starken FDP-Kreisverbandes. Die Liberalen können aus Sicht des 44-jährigen Lindenbergers nun „mit starker Brust“den Wiedereinzug in den Bundestag angehen – in welcher Rolle auch immer.
Was eine Jamaika-Koalition angeht, sei er „eher skeptisch mit den Grünen“, sagt aber auch: „Ich könnte damit leben, aber die liberale Handschrift muss darin stark vertreten sein.“Konkret nennt er die Themen Digitalisierung, Bildung, Sicherheit und Einwanderung. Letztlich würden die Mitglieder abstimmen, ob ein Koalitionsvertrag unterzeichnet wird oder nicht. Sollte es nicht zu Jamaika kommen, dann könne die FDP aus seiner Sicht auch aus der Opposition heraus eine gute Politik machen. Er sei da ganz entspannt, sagt Rossmann, der seit drei Jahren Kreischef der Liberalen ist.