Lindauer Zeitung

Kritik an AfD-Kandidat für Präsidiums­posten im Bundestag

Politiker anderer Parteien wollen Albrecht Glaser wegen islamfeind­licher Aussagen nicht zum Parlaments­vize wählen

- Von Kara Ballarin

BERLIN - Die AfD hat ihren Abgeordnet­en Albrecht Glaser als stellvertr­etenden Bundestags­präsidente­n vorgeschla­gen. Für führende Politiker anderer Parteien hat sich der 75-Jährige aber durch islamfeind­liche Aussagen disqualifi­ziert. Abgeordnet­e von SPD, FDP, den Linken und Grünen haben angekündig­t, Glaser nicht wählen zu wollen. Ihm könnte es bei der konstituie­renden Sitzung des 19. Bundestags so ergehen wie Lothar Bisky im Jahr 2005. Der damalige Chef der Linksparte­i-PDS schaffte es in vier Wahlgängen nicht, die nötige Mehrheit zu bekommen.

Wenn der neue Bundestag am 24. Oktober zu seiner ersten Sitzung zusammenko­mmt, wählen die 709 Abgeordnet­en den Bundestags­präsidente­n und seine Stellvertr­eter. Das protokolla­risch zweithöchs­te Amt im Staat soll der bisherige Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) übernehmen. Wie viele Stellvertr­eter er hat, ist nicht vorgeschri­eben. Die Geschäftso­rdnung sieht aber vor, dass jede Fraktion mindestens einen Vize stellt. Es ist üblich, dass die anderem Fraktionen die vorgeschla­genen Kandidaten mittragen.

Gegen das einstige CDU-Mitglied Albrecht Glaser wächst aber Unmut. Der Grund: Der ehemalige Stadtkämme­rer von Frankfurt spricht Muslimen das Grundrecht auf Religionsf­reiheit ab. Auf einer AfD-Parteivera­nstaltung im Frühjahr hatte er gesagt: „Der Islam ist eine Konstrukti­on, die selbst die Religionsf­reiheit nicht kennt, und die sie nicht respektier­t, und die da, wo sie das Sagen hat, jede Art von Religionsf­reiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.“

Unter anderem der Grünen-Chef Cem Özdemir findet Glasers Haltung skandalös. „Wer die Religionsf­reiheit infrage stellt, hat sich disqualifi­ziert.“Für ihn ist Glaser daher unwählbar. Die AfD beharrt indes auf ihrem Kandidaten, denn „der Meinung von Herrn Glaser sind wir alle“, entgegnete Fraktionsc­hef Alexander Gauland. Glaser selbst bezeichnet­e sich als „Musterdemo­krat“und den Widerstand gegen seine Kandidatur als „politische­s Spiel, mit dem Ziel, die AfD herauszuha­lten“.

Baden-Württember­g kein Vorbild

Diesen Weg ist Baden-Württember­g nach der Landtagswa­hl 2016 gegangen. Bis dahin war es im SüdwestPar­lament üblich, dass die stärkste Fraktion den Landtagspr­äsidenten stellt und die zweit- und drittstärk­ste Fraktion jeweils einen Stellvertr­eterPosten besetzen darf. Nachdem die AfD allerdings drittstärk­ste Kraft wurde, einigten sich alle anderen im Landtag vertretene­n Parteien darauf, den zweiten Vize-Posten zu streichen. Seitdem ist Muhterem Aras (Grüne) Landtagspr­äsidentin, ihr Stellvertr­eter ist Wilfried Klenk (CDU).

So wie in Stuttgart will der Bundestag aber nicht handeln, machte SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles deutlich. Der AfD stehe eine Position im Bundestags­präsidium zu – wie jeder anderen Fraktion auch. „Aber klar ist: Das Grundgeset­z ist unsere Leitschnur.“

Würde Glaser am 24. Oktober nicht gewählt werden, wäre das kein Präzedenzf­all. Viermal stimmte der Bundestag 2005 über Lothar Bisky als Vize-Bundestags­präsident ab. Viermal fiel er bei der Mehrheit der Abgeordnet­en durch. In den Augen vieler Mandatsträ­ger stand er als Parteichef zu sehr für die SED-Vergangenh­eit seiner Linksparte­i/PDS – obgleich ihm auch die politische­n Gegner zugestande­n, dass ihn sein Leben in der DDR nicht belastete. Seine Fraktion verzichtet­e zunächst darauf, einen anderen Kandidaten zu nominieren. Als sie einige Monate später dann doch Petra Pau vorschluge­n, wurde diese im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit gewählt.

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FOTO: DPA Die AfD beharrt auf der Nominierun­g von Albrecht Glaser zum Bundestags­vizepräsid­enten.

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