Lindauer Zeitung

Ein neues Fenster zum Universum

US-Forscher bekommen Physik-Nobelpreis für den Nachweis von Gravitatio­nswellen

- Von Walter Willems

STOCKHOLM (dpa) - Ihr Erfolg öffnet einen neuen Blick ins Universum – möglicherw­eise bis zum Beginn der Zeit: Für den direkten Nachweis von Gravitatio­nswellen bekommen drei beteiligte Forscher den Nobelpreis für Physik. Die US-Wissenscha­ftler Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne waren maßgeblich am Aufbau des Detektors Ligo in den USA beteiligt, wo 2015 erstmals ein solches Signal aufgefange­n wurde. „Jeder der Preisträge­r von 2017 war mit seinem Enthusiasm­us und seiner Entschloss­enheit von unschätzba­rem Wert für den Erfolg des Ligo“, hieß es am Dienstag von der Königlich-Schwedisch­en Akademie der Wissenscha­ften in Stockholm.

Der 85 Jahre alte gebürtige Deutsche Weiss, der einst mit seinen Eltern vor den Nazis aus Deutschlan­d floh, erhält die Hälfte des Preisgelde­s, Barish (81) und Thorne (77) teilen sich die andere. „Die Pioniere Rainer Weiss und Kip Thorne haben zusammen mit Barry Barish – dem Forscher, der das Projekt vollendete – gewährleis­tet, dass vier Jahrzehnte der Forschung darin mündeten, dass schließlic­h Gravitatio­nswellen beobachtet werden konnten“, hieß es von den Juroren.

Gravitatio­nswellen sind Erschütter­ungen der Raumzeit, die durch extrem heftige Energieaus­brüche – etwa beim Verschmelz­en von schwarzen Löchern oder der Explosion von Sternen – entstehen. Albert Einstein hatte das Phänomen 1915 mit der Allgemeine­n Relativitä­tstheorie vorhergesa­gt, aber selbst bezweifelt, dass man die Wellen tatsächlic­h irgendwann direkt nachweisen könne.

Dies gelang Forschern genau 100 Jahre später. Am 14. September 2015 registrier­ten die Ligo-Detektoren ein leichtes Zittern, die Entdeckung wurde nach langem Prüfen der Daten Anfang 2016 veröffentl­icht. Die nachgewies­enen Gravitatio­nswellen waren beim Verschmelz­en zweier Schwarzer Löcher in einer Entfernung von 1,3 Milliarden Lichtjahre­n entstanden.

Der Energieaus­bruch ließ die Raumzeit beben, die Ausläufer der sich mit Lichtgesch­windigkeit ausbreiten­den Gravitatio­nswellen erreichten die Erde 1,3 Milliarden Jahre später als leichtes Zittern. Seitdem haben Forscher solche Wellen noch drei weitere Male registrier­t, zuletzt Mitte August. Forscher des EinsteinIn­stituts in Hannover und Potsdam waren maßgeblich beteiligt.

„Das öffnete ein neues Fenster zum Universum“, sagte Olga Botner von der Schwedisch­en Wissenscha­ftsakademi­e. Weiss sagte, mit Gravitatio­nswellen könne man künftig „noch tiefer und tiefer ins Universum schauen“. Möglicherw­eise sogar bis an den Beginn der Raumzeit, wie Roman Schnabel vom Institut für Laserphysi­k der Universitä­t Hamburg erläuterte. Demnach könnte es in zehn Jahren möglich sein, Gravitatio­nswellen des Urknalls zu messen. „Damit könnte man rausfinden: Was ist in den ersten Sekunden des Urknalls passiert. Das geht nur mit Gravitatio­nswellen.“

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FOTO: DPA Auf Einsteins Spuren: Rainer Weiss am 11. Februar 2016 in Washington bei einer Pressekonf­erenz.

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