Träumen Maschinenmenschen von Menschen?
Denis Villeneuves „Blade Runner 2049“setzt den philosophischen Kultfilm der 1980er-Jahre fort
idley Scotts „Blade Runner“ist einer wichtigsten Filme der Filmgeschichte der letzten Jahrzehnte. Er begründete den Neo-Film-Noir und die dystopische und melancholisch-illusionslose Science Fiction. Zuerst ziemlich erfolglos etablierte er sich schnell durch seine Bildgewalt zu einem der prägendsten Science-Fiction-Filme, ein Kultfilm, der unzählige Kinowerke vor allem visuell und durch sein Production Design beeinflusste. Jetzt kommt die Fortsetzung des Films ins Kino. Ridley Scott fungiert diesmal als Produzent, auch Hampton Fancher, Drehbuchautor vor 35 Jahren, ist diesmal wieder dabei genau wie Hauptdarsteller Harrison Ford.
Die Zukunft ist nicht rosig
Orangefarbenes, in gelbe Nebelschwaden getauchtes Licht dominiert die Zukunft. Alles spielt in Kalifornien, das von Klimawandel und Umweltverschmutzung geschädigt inzwischen zur Wüste geworden ist und von heftigen Schneefällen und Stürmen heimgesucht wird. Die Sonne ist hinter einem undurchdringlichen Vorhang aus Smog und Regenwolken verschwunden. San Diego ist die riesige Müllkippe dieser perversen Neuen Welt geworden, Los Angeles eine Megalopolis aus Wolkenkratzern und verslumten Straßen, die zu einem einzigen Schwarzmarkt geworden zu sein scheinen und aussehen wie ein chinesischer WetMarket.
Es ist ein ungemein vielfältiger, fesselnder Zukunftsentwurf. Das Internet und Mobiltelefone spielen in dieser Zukunft übrigens eine geringe Rolle – stattdessen sind Telefonzellen wieder in Mode, auch weil man hier die Anrufe nicht persönlich zurückverfolgen kann.
Und wieder geht es, wie 1982 im ersten „Blade Runner“, auch in der im Jahr 2049 angesiedelten Fortsetzung um einen Detektiv, der Replikanten jagt. Replikanten, das sind Maschinen, die Menschen zum Verwechseln ähnlich sind, so sehr, dass sie selbst sich mit ihnen verwechseln können. Denn Replikanten haben künstliche Erinnerungen, Träume und Sex, auch mit Menschen. Sie sind perfekte Arbeitssklaven – ein Traum- und Alptraumbild zugleich seit den ersten Ideen zu Maschinenmenschen vor vielen hundert Jahren.
Träumen solche Maschinenmenschen nun von Menschen oder von Maschinen? Was unterscheidet beide Seiten? Das war die Frage in der Literaturvorlage des Science-Fiction-Kultautors Philip K. Dick, die sowohl dem alten „Blade Runner“wie auch der Fortsetzung zugrundeliegt.
Die Frage ob der Held, der Detektiv Rick Deckard, der die Replikanten jagt, wenn sie nicht mehr funktionieren, ob dieser Jäger selbst eine Maschine ist oder doch ein Mensch, sie treibt die Fans von „Blade Runner“seit dessen Premiere vor 35 Jahren um.
Regisseur ist diesmal Denis Villeneuve, der Franco-Kanadier, der bereits mit seinen bisherigen Filmen fast jedesmal ein klein bisschen Filmgeschichte geschrieben hat, zuletzt mit „Arrival“einer atemberaubenden Science-Fiction-Geschichte über die mögliche Ankunft Außerirdischer. Villeneuve ist ein hochbegabter Filmemacher mit eigener Handschrift, ein Bildkünstler. Und es ist gut möglich, dass es ihm und seinem Kameramann, dem HollywoodVeteranen Roger Deakins auch mit „Blade Runner 2049“gelingt, das Genre und die Art und Weise, wie wir unsere Zukunft wahrnehmen, entscheidend zu verändern. Die Voraussetzungen sind da, denn Villeneuve erschafft ein bildgewaltiges Spektakel, eine visuelle Wunderkammer.
Existentialistische Fabel
Der Replikanten-Jäger der nächsten Generation wird von Ryan Gosling verkörpert. Aber Harrison Ford spielt in der Fortsetzung eine wichtige Rolle. Denn die Handlung schließt an die des ersten Teils an: 30 Jahre später muss der neue Detektiv seinen untergetauchten Vorgänger finden. Dabei stößt er noch auf ganz andere Geheimnisse. Bezeichnenderweise trägt der neue Held den Namen „K“, wie einst der Held in Kafkas Prozess. Diese Geheimnisse haben mit der unerhörten Möglichkeit zu tun, dass den Maschinen nun auch noch das eine möglich sein soll, was bisher das Privileg der Menschen war: Können Maschinen sich fortpflanzen? Auch „Blade Runner 2049“ist letzten Ende eine existentialistische Fabel, in der es darum geht, was den Menschen eigentlich ausmacht: Fortpflanzungsfähigkeit, Erinnerungen, oder Freiheit.