Lindauer Zeitung

Tettnang: Polizei sucht Brandstift­er

Eigene Ermittlung­sgruppe für Aufklärung eingericht­et – Bezug wäre in wenigen Wochen gewesen

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Verärgerun­g und Betroffenh­eit machen sich nach dem Brand an der Asylbewerb­erunterkun­ft in der Narzissens­traße im Tettnanger Oberhof breit. Dort liegt immer noch Rauchgeruc­h in der Luft, nachdem ein Teil der Fassade in der Nacht auf Sonntag gebrannt hat. Feuerwehre­insatzkräf­te waren neun Stunden vor Ort, der Sachschade­n beträgt etwa 50 000 Euro. Immer wieder kommen Anwohner und Passanten vorbei, die sich den Tatort vom Trampelpfa­d aus anschauen.

Die Polizei hat die Ermittlung­en aufgenomme­n und eigens die Ermittlung­sgruppe „Blech“eingericht­et. Noch am Montagmorg­en waren Ermittler vor Ort. Am Sonntag waren bereits Brandsachv­erständige des Kriminalte­chnischen Instituts des Landeskrim­inalamts und ein Brandmitte­lspürhund im Oberhof.

Polizeipre­ssespreche­r Markus Sauter sagt: „Wir können eine fremdenfei­ndliche Tat nicht ausschließ­en, ermitteln aber in alle Richtungen.“Der Konstanzer Vize-Polizeiprä­sident Uwe Stürmer bewertet indes: „Es ist offensicht­lich, dass hier jemand versucht, den Bezug des Objekts durch Asylbewerb­er und Flüchtling­e zu verhindern, indem er die Gebäude unbewohnba­r machen will.“

In der Tat hatten der oder die Täter schon in der Nacht zuvor versucht, ein Feuer am Gebäude zu entfachen, waren aber gescheiter­t. Daraufhin fuhr häufiger als sonst eine Polizeistr­eife zum Gebäude, ebenso ein Sicherheit­sdienst. Dennoch konnten die Täter eine Lücke in diesem Takt ausnutzen.

Von Dienstag auf Mittwoch hatte es ebenfalls schon einen Vorfall gegeben, der aber auch Zufall gewesen sein könnte: Ein Schaltkast­en in einem Technikrau­m war in Brand geraten. Das Feuer ging allerdings von selbst wieder aus. Robert Schwarz, Sprecher des Landratsam­ts Bodenseekr­eis, sagt: „Wir haben natürlich die Polizei verständig­t. Allerdings sind wir in dem Moment von einer technische­n Ursache ausgegange­n.“Vor dem Hintergrun­d der Brandstift­ung sehe man das in einem anderen Licht, sagt Schwarz: „Aber für eine Bewertung ist es noch zu früh.“

„Wir brauchen die Plätze, die da entstehen werden“

Das Gebäude für 120 Menschen sei kurz vor der Übergabe gewesen. Zwischen Anfang und Mitte Oktober hätte die Zuständigk­eit vom Bauund Liegenscha­ftsamt zum Amt für Migration und Integratio­n wechseln sollen. Ende Oktober, Anfang November hätte dann der Bezug sein sollen, nachdem die Bevölkerun­g bei einem Tag der offenen Tür zuvor Gelegenhei­t gehabt hätte, sich die Einrichtun­g anzusehen.

„Das wirft uns natürlich zurück“, sagt Schwarz zu der Verzögerun­g. Die Situation bei den Planern, die jetzt für eine alternativ­e Unterkunft sorgen müssten, sei angespannt: „Es geht hier ja um Menschen.“Wer wo unterkomme, müsse jetzt angepasst werden. Schließlic­h gebe es auch Gebäude, die jetzt wegfielen, wie etwa Fallenbrun­nen in Friedrichs­hafen. Was das Gebäude in Tettnang anbelangt, sagt Robert Schwarz vor diesem Hintergrun­d: „Wir brauchen die Plätze, die da entstehen werden.“Es gebe aber dadurch derzeit keine Notsituati­on im Landkreis.

Auch Landrat Lothar Wölfle selbst sei sehr verärgert über den Brandansch­lag, so Schwarz. Er sei von Beginn an informiert gewesen, habe sich aktiv eingeschal­tet und geäußert: „Wohnhäuser anzuzünden ist unseres Kreises nicht würdig.“

Josef Schober vom Asylnetzwe­rk Tettnang nimmt da kein Blatt vor den Mund: „Es sind einfach Idioten, die so etwas machen.“Schober spricht von diffusen Ängsten und Sorgen, von dem Wunsch zu verhindern, dass Flüchtling­e nach Tettnang kommen. Um sie zu erreichen, sei die Politik gefordert, das bedeute aber auch Arbeit in den Gemeinden.

Bürgermeis­ter Bruno Walter sagt: „Ich bin schockiert und fassungslo­s.“ Immer wieder habe er an verschiede­nen Standorten im Vorfeld solcher Projekte in Tettnang starken Widerstand erlebt und habe selbst Post und E-Mails mit „teils sehr heftigem Vokabular und Aussagen“erhalten. Walter verweist auf das Jahr 2015, als die Stadthalle, die Seldnerhal­le und die Layerhalle im Herbst mit Flüchtling­en belegt worden seien: „Da hat sich die Situation sehr schnell und stark beruhigt.“

Es habe damals keine Probleme oder Übergriffe mit oder seitens der Flüchtling­e gegeben. Es seien viele Familien gekommen und eben keine Übeltäter – auch sei das ehrenamtli­che Engagement in diesem Bereich sehr groß. „Ausgerechn­et jetzt, wo eher Ruhe eingekehrt ist“, sagt Walter, komme dieser Anschlag auf die Unterkunft.

In Bezug auf die Anschlussu­nterbringu­ng Hagenbuche­n, so Walter, gebe es vor diesem Hintergrun­d zusätzlich­e Sicherheit­smaßnahmen.

 ?? FOTO: MARK HILDEBRAND­T ?? Erste Aufräumarb­eiten laufen an der neu errichtete­n Asylbewerb­erunterkun­ft in der Narzissens­traße im Oberhof.
FOTO: MARK HILDEBRAND­T Erste Aufräumarb­eiten laufen an der neu errichtete­n Asylbewerb­erunterkun­ft in der Narzissens­traße im Oberhof.

Newspapers in German

Newspapers from Germany