Tettnang: Polizei sucht Brandstifter
Eigene Ermittlungsgruppe für Aufklärung eingerichtet – Bezug wäre in wenigen Wochen gewesen
TETTNANG - Verärgerung und Betroffenheit machen sich nach dem Brand an der Asylbewerberunterkunft in der Narzissenstraße im Tettnanger Oberhof breit. Dort liegt immer noch Rauchgeruch in der Luft, nachdem ein Teil der Fassade in der Nacht auf Sonntag gebrannt hat. Feuerwehreinsatzkräfte waren neun Stunden vor Ort, der Sachschaden beträgt etwa 50 000 Euro. Immer wieder kommen Anwohner und Passanten vorbei, die sich den Tatort vom Trampelpfad aus anschauen.
Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen und eigens die Ermittlungsgruppe „Blech“eingerichtet. Noch am Montagmorgen waren Ermittler vor Ort. Am Sonntag waren bereits Brandsachverständige des Kriminaltechnischen Instituts des Landeskriminalamts und ein Brandmittelspürhund im Oberhof.
Polizeipressesprecher Markus Sauter sagt: „Wir können eine fremdenfeindliche Tat nicht ausschließen, ermitteln aber in alle Richtungen.“Der Konstanzer Vize-Polizeipräsident Uwe Stürmer bewertet indes: „Es ist offensichtlich, dass hier jemand versucht, den Bezug des Objekts durch Asylbewerber und Flüchtlinge zu verhindern, indem er die Gebäude unbewohnbar machen will.“
In der Tat hatten der oder die Täter schon in der Nacht zuvor versucht, ein Feuer am Gebäude zu entfachen, waren aber gescheitert. Daraufhin fuhr häufiger als sonst eine Polizeistreife zum Gebäude, ebenso ein Sicherheitsdienst. Dennoch konnten die Täter eine Lücke in diesem Takt ausnutzen.
Von Dienstag auf Mittwoch hatte es ebenfalls schon einen Vorfall gegeben, der aber auch Zufall gewesen sein könnte: Ein Schaltkasten in einem Technikraum war in Brand geraten. Das Feuer ging allerdings von selbst wieder aus. Robert Schwarz, Sprecher des Landratsamts Bodenseekreis, sagt: „Wir haben natürlich die Polizei verständigt. Allerdings sind wir in dem Moment von einer technischen Ursache ausgegangen.“Vor dem Hintergrund der Brandstiftung sehe man das in einem anderen Licht, sagt Schwarz: „Aber für eine Bewertung ist es noch zu früh.“
„Wir brauchen die Plätze, die da entstehen werden“
Das Gebäude für 120 Menschen sei kurz vor der Übergabe gewesen. Zwischen Anfang und Mitte Oktober hätte die Zuständigkeit vom Bauund Liegenschaftsamt zum Amt für Migration und Integration wechseln sollen. Ende Oktober, Anfang November hätte dann der Bezug sein sollen, nachdem die Bevölkerung bei einem Tag der offenen Tür zuvor Gelegenheit gehabt hätte, sich die Einrichtung anzusehen.
„Das wirft uns natürlich zurück“, sagt Schwarz zu der Verzögerung. Die Situation bei den Planern, die jetzt für eine alternative Unterkunft sorgen müssten, sei angespannt: „Es geht hier ja um Menschen.“Wer wo unterkomme, müsse jetzt angepasst werden. Schließlich gebe es auch Gebäude, die jetzt wegfielen, wie etwa Fallenbrunnen in Friedrichshafen. Was das Gebäude in Tettnang anbelangt, sagt Robert Schwarz vor diesem Hintergrund: „Wir brauchen die Plätze, die da entstehen werden.“Es gebe aber dadurch derzeit keine Notsituation im Landkreis.
Auch Landrat Lothar Wölfle selbst sei sehr verärgert über den Brandanschlag, so Schwarz. Er sei von Beginn an informiert gewesen, habe sich aktiv eingeschaltet und geäußert: „Wohnhäuser anzuzünden ist unseres Kreises nicht würdig.“
Josef Schober vom Asylnetzwerk Tettnang nimmt da kein Blatt vor den Mund: „Es sind einfach Idioten, die so etwas machen.“Schober spricht von diffusen Ängsten und Sorgen, von dem Wunsch zu verhindern, dass Flüchtlinge nach Tettnang kommen. Um sie zu erreichen, sei die Politik gefordert, das bedeute aber auch Arbeit in den Gemeinden.
Bürgermeister Bruno Walter sagt: „Ich bin schockiert und fassungslos.“ Immer wieder habe er an verschiedenen Standorten im Vorfeld solcher Projekte in Tettnang starken Widerstand erlebt und habe selbst Post und E-Mails mit „teils sehr heftigem Vokabular und Aussagen“erhalten. Walter verweist auf das Jahr 2015, als die Stadthalle, die Seldnerhalle und die Layerhalle im Herbst mit Flüchtlingen belegt worden seien: „Da hat sich die Situation sehr schnell und stark beruhigt.“
Es habe damals keine Probleme oder Übergriffe mit oder seitens der Flüchtlinge gegeben. Es seien viele Familien gekommen und eben keine Übeltäter – auch sei das ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich sehr groß. „Ausgerechnet jetzt, wo eher Ruhe eingekehrt ist“, sagt Walter, komme dieser Anschlag auf die Unterkunft.
In Bezug auf die Anschlussunterbringung Hagenbuchen, so Walter, gebe es vor diesem Hintergrund zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen.