Bereitschaftspraxis bald im Krankenhaus
Kassenärztliche Vereinigung regelt Arztdienst außerhalb der Sprechzeiten.
- Eitrige Mandelentzündung mit Fieber? Hexenschuss? Und das ausgerechnet am Mittwochnachmittag oder Samstagvormittag? So schlimm, dass man gleich in die Notaufnahme müsste, ist es nicht. Aber so gut, dass man warten könnte, bis die Praxis des Hausarztes wieder öffnet, geht es einem auch nicht. Also, was ist zu tun? Bisher mussten Patienten im Landkreis Lindau zu dem niedergelassenen Arzt fahren, der an dem Tag Bereitschaftsdienst hat. In fast genau einem Jahr ändert sich das System grundlegend. Der Landkreis Lindau wird an die bisherige Pilotregion Allgäu angeschlossen. Was bedeutet das für die Bürger?
Wo befindet sich künftig die Bereitschaftspraxis für den Kreis Lindau?
Die Bereitschaftsdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) wird ab 25. September 2018 an der Asklepiosklinik in Lindau eingerichtet. Öffnungszeiten: Mittwochnachmittag und -abend, Freitagnachmittag und -abend sowie an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen ganztägig. Das Krankenhaus übernimmt in der Nacht die Aufgaben des sogenannten Sitzdienstes.
Wo befinden sich weitere Bereitschaftspraxen in der Nähe?
In der erweiterten Region Allgäu der KVB sind es künftig insgesamt vier Praxen in (bereits seit Juli 2016) Kempten, Immenstadt und Füssen sowie (ab September 2018) Lindau. Am Wangener Krankenhaus gibt es außerdem eine Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Vorgabe ist es, dass jeder Patient eine Bereitschaftspraxis in 30 Minuten erreichen kann. Die Entfernung beträgt höchstens 25 Kilometer. Das bedeutet, dass Patienten aus dem östlichen Teil des Westallgäus (beispielsweise Stiefenhofen) wohl nach Immenstadt fahren werden, die aus dem nördlichen Bereich (Hergensweiler, Hergatz) nach Wangen. „Das war aber bisher überwiegend auch schon so – die Entscheidung, welche Bereitschaftspraxis aufgesucht wird, liegt letztlich immer beim Patienten selbst“, sagt Manuel Holder, Projektmanager für die Weiterentwicklung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes bei der KVB.
Wie sieht es mit Hausbesuchen aus?
Neben dem sogenannten Sitzdienst, bei dem ein niedergelassener Arzt zu den Bereitschaftsdienstzeiten in der Praxis an der Asklepiosklinik in Lindau ist, gibt es künftig unabhängig davon einen sogenannten Fahrdienst – auch nachts. Ein Arzt wird von einem medizinisch geschulten Fahrer (beispielsweise Rettungssanitäter oder -assistent) in einem deutlich erkennbaren Spezialauto zum Patienten gebracht, wenn dieser die Praxis aus medizinisch indizierten Gründen nicht aufsuchen kann. „Die Entscheidung zur Durchführung des Hausbesuches fällt im Einzelfall immer der diensthabende Arzt. Die Erfahrungen in der Pilotregion Allgäu zeigen, dass sich die Wartezeiten in Grenzen halten, da immer das nächstgelegene Fahrzeug unterwegs ist. Das kann im Einzelfall auch aus Kempten oder einem Nachbarbereich kommen. Die Region ist ja verkehrstechnisch gut erschlossen“, erklärt Holder.
Wie sieht die Bereitschaftspraxis aus und wer arbeitet dort?
Die Praxen werden nach einem bayernweit einheitlichen System eingerichtet und ausgestattet, so dass künftig quasi jeder Bereitschaftsarzt in jeder Praxis in Bayern problemlos arbeiten kann. In Lindau sind zwei Behandlungsräume sowie ein Verwaltungsund ein Wartezimmer vorgesehen. Zu den Dienstzeiten sind jeweils ein Arzt (aus fast allen Sparten im niedergelassenen Bereich) und eine medizinische Assistenz (Arzthelferin) anwesend.
Wie sieht es mit der Bereitschaft bei Kinder-, Augen-, Zahn- und HalsNasen-Ohren-Ärzten aus?
Deren System bleibt unverändert. Die Ärzte in der Region Lindau/Lindenberg organisieren die Bereitschaft selbst. Welche Praxis wann zuständig ist, erfahren Patienten unter Telefon 116 117 beziehungsweise 0180 / 5 05 99 91 (Zahnärzte) und 0180 / 1 92 93 46 (Augenärzte).
Warum wird das Bereitschaftsdienst-System überhaupt geändert?
Die Belastung durch Bereitschaftsdienste wurde für die einzelnen Ärzte im Laufe der Jahre immer größer, erklärt Dr. Jakob Berger, regionaler Vorstandsbeauftragter der KVB für Schwaben. „Wenn sich ein Arzt niederlassen möchte, fragt er nicht, ,Wie viel verdiene ich?’, sondern ,Wie viele Bereitschaftsdienste muss ich machen?’.“Ein typischer Landarzt habe früher direkt am Ort gelebt und war quasi rund um die Uhr für die Patienten da. „Die Ärzte heute wohnen oft bewusst auswärts und legen viel Wert auf Zeit für ihre Familien und ihre Freizeitaktivitäten“, sagt Berger. Außerdem mache sich der Nachwuchsmangel massiv bemerkbar. Es werde gerade in ländlichen Gebieten immer schwieriger, Nachfolger für Hausarzt- aber auch Facharztpraxen zu finden. „Die Einrichtung von Bereitschaftspraxen zur Entlastung stark belasteter Notaufnahmen ist ein eindeutiger bundesgesetzlicher Auftrag an die Kassenärztlichen Vereinigungen. Wobei auch der Vorteil für die Patienten, die in Zukunft ohne Voranmeldung eine Bereitschaftspraxis aufsuchen können und bei Bedarf einen organisierten Fahrdienst vorfinden, nicht von der Hand zu weisen ist“, ergänzt Holder.
Was sollen Bürger tun, wenn sie einen ärztlichen Bereitschaftsdienst benötigen?
Die Vermittlung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes erfolgt über die bundesweit einheitliche kostenfreie Rufnummer 116 117, die für den Anrufer rund um die Uhr erreichbar ist. Dort können die Patienten ihre Beschwerden schildern und werden an die zuständigen Ärzte verwiesen, erklärt Holder. Dabei werden immer mehrere Praxen in der Umgebung genannt. Die Bürger können dann selbst entscheiden, wo sie hinfahren. Für lebensbedrohliche Fälle wie Herzinfarkt, Schlaganfall und schwere Unfälle ist weiterhin der Rettungsdienst, Telefonnummer 112, zuständig.