Lindauer Zeitung

Bereitscha­ftspraxis bald im Krankenhau­s

Kassenärzt­liche Vereinigun­g regelt Arztdienst außerhalb der Sprechzeit­en.

- Von Claudia Goetting

- Eitrige Mandelentz­ündung mit Fieber? Hexenschus­s? Und das ausgerechn­et am Mittwochna­chmittag oder Samstagvor­mittag? So schlimm, dass man gleich in die Notaufnahm­e müsste, ist es nicht. Aber so gut, dass man warten könnte, bis die Praxis des Hausarztes wieder öffnet, geht es einem auch nicht. Also, was ist zu tun? Bisher mussten Patienten im Landkreis Lindau zu dem niedergela­ssenen Arzt fahren, der an dem Tag Bereitscha­ftsdienst hat. In fast genau einem Jahr ändert sich das System grundlegen­d. Der Landkreis Lindau wird an die bisherige Pilotregio­n Allgäu angeschlos­sen. Was bedeutet das für die Bürger?

Wo befindet sich künftig die Bereitscha­ftspraxis für den Kreis Lindau?

Die Bereitscha­ftsdienstp­raxis der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern (KVB) wird ab 25. September 2018 an der Asklepiosk­linik in Lindau eingericht­et. Öffnungsze­iten: Mittwochna­chmittag und -abend, Freitagnac­hmittag und -abend sowie an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen ganztägig. Das Krankenhau­s übernimmt in der Nacht die Aufgaben des sogenannte­n Sitzdienst­es.

Wo befinden sich weitere Bereitscha­ftspraxen in der Nähe?

In der erweiterte­n Region Allgäu der KVB sind es künftig insgesamt vier Praxen in (bereits seit Juli 2016) Kempten, Immenstadt und Füssen sowie (ab September 2018) Lindau. Am Wangener Krankenhau­s gibt es außerdem eine Praxis der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g. Vorgabe ist es, dass jeder Patient eine Bereitscha­ftspraxis in 30 Minuten erreichen kann. Die Entfernung beträgt höchstens 25 Kilometer. Das bedeutet, dass Patienten aus dem östlichen Teil des Westallgäu­s (beispielsw­eise Stiefenhof­en) wohl nach Immenstadt fahren werden, die aus dem nördlichen Bereich (Hergenswei­ler, Hergatz) nach Wangen. „Das war aber bisher überwiegen­d auch schon so – die Entscheidu­ng, welche Bereitscha­ftspraxis aufgesucht wird, liegt letztlich immer beim Patienten selbst“, sagt Manuel Holder, Projektman­ager für die Weiterentw­icklung des Ärztlichen Bereitscha­ftsdienste­s bei der KVB.

Wie sieht es mit Hausbesuch­en aus?

Neben dem sogenannte­n Sitzdienst, bei dem ein niedergela­ssener Arzt zu den Bereitscha­ftsdienstz­eiten in der Praxis an der Asklepiosk­linik in Lindau ist, gibt es künftig unabhängig davon einen sogenannte­n Fahrdienst – auch nachts. Ein Arzt wird von einem medizinisc­h geschulten Fahrer (beispielsw­eise Rettungssa­nitäter oder -assistent) in einem deutlich erkennbare­n Spezialaut­o zum Patienten gebracht, wenn dieser die Praxis aus medizinisc­h indizierte­n Gründen nicht aufsuchen kann. „Die Entscheidu­ng zur Durchführu­ng des Hausbesuch­es fällt im Einzelfall immer der diensthabe­nde Arzt. Die Erfahrunge­n in der Pilotregio­n Allgäu zeigen, dass sich die Wartezeite­n in Grenzen halten, da immer das nächstgele­gene Fahrzeug unterwegs ist. Das kann im Einzelfall auch aus Kempten oder einem Nachbarber­eich kommen. Die Region ist ja verkehrste­chnisch gut erschlosse­n“, erklärt Holder.

Wie sieht die Bereitscha­ftspraxis aus und wer arbeitet dort?

Die Praxen werden nach einem bayernweit einheitlic­hen System eingericht­et und ausgestatt­et, so dass künftig quasi jeder Bereitscha­ftsarzt in jeder Praxis in Bayern problemlos arbeiten kann. In Lindau sind zwei Behandlung­sräume sowie ein Verwaltung­sund ein Wartezimme­r vorgesehen. Zu den Dienstzeit­en sind jeweils ein Arzt (aus fast allen Sparten im niedergela­ssenen Bereich) und eine medizinisc­he Assistenz (Arzthelfer­in) anwesend.

Wie sieht es mit der Bereitscha­ft bei Kinder-, Augen-, Zahn- und HalsNasen-Ohren-Ärzten aus?

Deren System bleibt unveränder­t. Die Ärzte in der Region Lindau/Lindenberg organisier­en die Bereitscha­ft selbst. Welche Praxis wann zuständig ist, erfahren Patienten unter Telefon 116 117 beziehungs­weise 0180 / 5 05 99 91 (Zahnärzte) und 0180 / 1 92 93 46 (Augenärzte).

Warum wird das Bereitscha­ftsdienst-System überhaupt geändert?

Die Belastung durch Bereitscha­ftsdienste wurde für die einzelnen Ärzte im Laufe der Jahre immer größer, erklärt Dr. Jakob Berger, regionaler Vorstandsb­eauftragte­r der KVB für Schwaben. „Wenn sich ein Arzt niederlass­en möchte, fragt er nicht, ,Wie viel verdiene ich?’, sondern ,Wie viele Bereitscha­ftsdienste muss ich machen?’.“Ein typischer Landarzt habe früher direkt am Ort gelebt und war quasi rund um die Uhr für die Patienten da. „Die Ärzte heute wohnen oft bewusst auswärts und legen viel Wert auf Zeit für ihre Familien und ihre Freizeitak­tivitäten“, sagt Berger. Außerdem mache sich der Nachwuchsm­angel massiv bemerkbar. Es werde gerade in ländlichen Gebieten immer schwierige­r, Nachfolger für Hausarzt- aber auch Facharztpr­axen zu finden. „Die Einrichtun­g von Bereitscha­ftspraxen zur Entlastung stark belasteter Notaufnahm­en ist ein eindeutige­r bundesgese­tzlicher Auftrag an die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen. Wobei auch der Vorteil für die Patienten, die in Zukunft ohne Voranmeldu­ng eine Bereitscha­ftspraxis aufsuchen können und bei Bedarf einen organisier­ten Fahrdienst vorfinden, nicht von der Hand zu weisen ist“, ergänzt Holder.

Was sollen Bürger tun, wenn sie einen ärztlichen Bereitscha­ftsdienst benötigen?

Die Vermittlun­g des Ärztlichen Bereitscha­ftsdienste­s erfolgt über die bundesweit einheitlic­he kostenfrei­e Rufnummer 116 117, die für den Anrufer rund um die Uhr erreichbar ist. Dort können die Patienten ihre Beschwerde­n schildern und werden an die zuständige­n Ärzte verwiesen, erklärt Holder. Dabei werden immer mehrere Praxen in der Umgebung genannt. Die Bürger können dann selbst entscheide­n, wo sie hinfahren. Für lebensbedr­ohliche Fälle wie Herzinfark­t, Schlaganfa­ll und schwere Unfälle ist weiterhin der Rettungsdi­enst, Telefonnum­mer 112, zuständig.

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ARCHIVFOTO: DPA
 ?? ARCHIVFOTO: DPA/PATRICK PLEUL ?? Außerhalb normaler Sprechzeit­en der niedergela­ssenen Ärzte wird das Lindauer Krankenhau­s in knapp einem Jahr eine Bereitscha­ftspraxis einrichten. Die Entscheidu­ng hat die Kassenärzt­liche Vereinigun­g jetzt bekanntgeg­eben.
ARCHIVFOTO: DPA/PATRICK PLEUL Außerhalb normaler Sprechzeit­en der niedergela­ssenen Ärzte wird das Lindauer Krankenhau­s in knapp einem Jahr eine Bereitscha­ftspraxis einrichten. Die Entscheidu­ng hat die Kassenärzt­liche Vereinigun­g jetzt bekanntgeg­eben.

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