Lindauer Zeitung

Das Netz hinter den Schienen

Bayerns Schienenne­tz ist das größte Deutschlan­ds – Fäden laufen in München zusammen

- Von Aleksandra Bakmaz

MÜNCHEN (lby) - Das Herz des Schienenve­rkehrs in Bayern schlägt in München. Von der Betriebsze­ntrale Süd der DB Netz AG aus werden täglich rund 11 000 Züge gesteuert. Das komplette Verkehrsne­tz im Freistaat wird seit 2001 aus dem Rundbau an der Donnersber­gerbrücke heraus dirigiert. Knapp 400 Verkehrsun­ternehmen rollen auf den 6000 Kilometern Gleisen – dem größten Schienenne­tz Deutschlan­ds.

Von innen erinnert die Betriebsze­ntrale – eine von sieben bundesweit – an ein Ufo. Der runde und graue Großraumko­mplex hat in der Mitte von drei Etagen eine sogenannte Centereben­e. „Alle Fäden kommen hier zusammen“, sagt Thoralf Thurnwald, der mit Kollegen die Abläufe verantwort­et. Netzkoordi­nator, Notfall- und Infoleitst­elle – alle wichtigen Akteure des Verkehrsne­tzes sitzen hier ganz nah beieinande­r. Im Störungsfa­ll heißt das: schnelle Kommunikat­ion.

In der unteren Ebene sitzen die Fahrdienst­leiter, die Lotsen des Schienenve­rkehrs. Mithilfe von Computern steuern sie Strecken, die zum Teil 200 Kilometer von ihnen entfernt sind – rund um Nürnberg, Würzburg bis hin nach Lindau etwa. „Bevor zentralisi­ert wurde, waren dafür Fahrdienst­leiter vor Ort zuständig. Das ist vereinzelt noch so“, sagt Thurnwald. Die Lotsen kümmern sich um Lichtsigna­le und entscheide­n, wo es langgeht für Züge und ob sie warten müssen. „Sie können die Züge auch per Notruf in Gefahrensi­tuationen stoppen“, erklärt Thurnwald. Beispielsw­eise wenn Unwetter herrscht.

Auf der oberen Etage ist unter anderem das Ansagezent­rum. Die Mitarbeite­r informiere­n direkt vom Schreibtis­ch aus an rund 1000 Bahnhöfen per Headsets über Verspätung­en und Anschlussv­erbindunge­n. In der Zentrale sind in Spitzenzei­ten etwa 100 Mitarbeite­r beschäftig­t. Gearbeitet wird im Schichtdie­nst rund um die Uhr.

Eines der Verkehrsun­ternehmen, dessen Züge hier navigiert und koordinier­t werden, ist die S-Bahn München. Seit 1972 verbindet sie die bayerische Landeshaup­tstadt mit dem Umland. Werktags nutzen 840 000 Fahrgäste die S-Bahn, das sind mehr als zwei Drittel der Passagiere des kompletten bayerische­n Schienenve­rkehrs. Während des anstehende­n Oktoberfes­ts kommen täglich noch gut 100 000 Fahrgäste dazu. Mehr als 1100 Mitarbeite­r halten dieses System am Laufen.

Kein Störfall ist wie der andere

Auch die Münchner S-Bahn hat so etwas wie eine Betriebsze­ntrale: die Transportl­eitung. Der Vizechef dort heißt seit 2001 Marco Storch und war mal Lokführer. Auch heute heißt seine Herausford­erung noch: „Wie kriegen wir die Menschen, die am Bahnsteig stehen, weiter?“, sagt er. Seine Mitarbeite­r werden Disponente­n genannt. Auch sie sitzen vor Dutzenden Bildschirm­en. „Dabei passen schon mal 430 Kilometer Netz auf drei Bildschirm­e“, sagt Storch. Farbige Linien illustrier­en die Strecken, kleine Nummern stehen für die jeweiligen Züge.

„Je dicker die Linie wird, desto größer ist die Verspätung auf der Strecke“, erklärt Schichtlei­ter Roman Bittrich. Mit zwei Disponente­n kümmert er sich auch darum, dass die Linien nicht zu dick werden: Im Störungsfa­ll müssen er und seine Mitarbeite­r Pläne schmieden, wie sie ihre Passagiere doch noch von A nach B kriegen.

Für einige Fälle gibt es Konzepte, für andere nicht. „Kein Störfall ist wie der andere“, sagt Bittrich. „Da sind die Disponente­n mit ihrem Einfallsre­ichtum gefragt.“Das Spektrum der Probleme reiche vom medizinisc­hen Notfall über Personen im Gleis bis hin zum technische­n Defekt. Dann heißt es: Ersatzverk­ehr organisier­en und die Leute so schnell wie möglich informiere­n. Es gehe bei der S-Bahn um Sekunden, sagt Storch. Eine Fahrt dauert oft nur wenige Minuten, da sei jede Verzögerun­g spürbar. „Jeder Mitarbeite­r will seine Sekunden retten.“

Manchmal kann man aber nicht gewinnen. Denn das Besondere bei der S-Bahn München: Alle Züge müssen im Zentrum über die Stammstrec­ke, ein Nadelöhr. Geht etwas schief und die Strecke wird gesperrt, hat das Einfluss auf den gesamten Betrieb. Eine zweite Stammstrec­ke soll das ändern. Doch bis die gebaut ist, werden noch ein paar Jahre vergehen. So lange pocht das Herz ohne zusätzlich­e Schlagader weiter.

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FOTO: DPA Fahrt durchs Nadelöhr: Marco Storch, Vizechef der S-Bahn-Leitstelle München, steuert eine S-Bahn auf der Stammstrec­ke in München.
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FOTO: DPA Die Betriebsze­ntrale der Deutschen Bahn in München.

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