In China soll die Energie fließen
Eugen Schuhmann geht für vier Wochen in eine Kung-Fu-Schule, um Tai Chi zu lernen
LINDAU - Er sucht nach dem „Qi“, der Energie. Dafür übt Eugen Schuhmann fast täglich Tai Chi, eine traditionelle chinesische Bewegungsund Kampfkunst. Die führt den Lindauer jetzt nach China in eine Kung-Fu-Schule, wo er vier Wochen trainieren wird. Dort wartet ein strenger Trainingsplan auf den 62-Jährigen.
China war schon immer ein Traum von Eugen Schuhmann. Auch früher, als er noch viel mit Rucksack auf Reisen war. Aber irgendwie habe es mit China nie geklappt – und am Ende sei er doch wieder in Westafrika gelandet. Im Oktober ist es aber nun soweit: Eugen Schuhmann reist ins Reich der Mitte, in die Nähe der Hauptstadt von Henan Zhengzhou, um von Shaolin-Schülern zu lernen.
Auf die Schule direkt neben den Yuntai Mountains ist der ehemalige Polizeibeamte im Internet gestoßen. Der Preis, aber auch die prompte Antwort auf Deutsch haben ihm gefallen. „Das hört sich gut an“, dachte er – und bucht vier Wochen. Am 12. Oktober beginnt das Abenteuer, für das der Rentner ein Studentenvisum erhalten hat.
Der Tag beginnt mit einem Fünfkilometerlauf
Was ihn in der Kung-Fu-Schule erwartet, weiß er noch nicht genau. Nur soviel: Kurz nach fünf Uhr beginnt der Tag erst einmal mit einem Fünfkilometerlauf. „Das frühe Aufstehen wird hart“, meint Schuhmann. Aber das wird nicht die einzige Herausforderung sein. Er weiß, dass es auch mental anstrengend ist, sich den ganzen Tag mit Tai Chi zu befassen. Dass es sich lohnt, daran zweifelt Schuhmann nicht: „Was Du bei den Chinesen in vier Wochen lernst, dafür brauchst Du hier ein Jahr.“
Zum Tai Chi ist der Kampfsportler eher zufällig gekommen. Nachdem er vor etwa fünf Jahren erstmals in der Volkshochschule einen Qigong-Kurs besucht hat, erfuhr Schuhmann über den Karate-Verband, dass es dort eine Trainerausbildung gibt. Seit März 2015 hat der TSV Lindau eine eigene Tai-Chi-Trainingsgruppe, und Eugen Schuhmann ist einer der Trainer, der es nach der 24er Pekingform Yangstil unterrichtet.
„Die Schlange kriecht nach unten“, „Der Weiße Kranich breitet seinen Flügel aus“oder „Den Tiger umarmen und zum Berg zurückkehren“: Für den Trainer Eugen Schuhmann muss nicht jede Bewegung seiner Schüler perfekt sitzen. „Hauptsache es macht Spaß und die Grobform stimmt“, sagt er. Es sei schon schwierig genug, vier Gliedmaßen gleichzeitig zu bewegen. Das brauche Übung und Zeit zum Ausprobieren. „Die Chinesen haben Jahrhunderte dazu gebraucht, um es zu beherrschen, da können wir es nicht in ein paar Wochen lernen.“Doch Zeit hätten heute nur noch die wenigsten.
Schuhmann ist Diabetiker. Diese Erkrankung zwang ihn vor 17 Jahren sein Leben zu ändern. Nun ist es die geplante Reise nach China, die ihn dazu motiviert, sich körperlich und geistig fit zu halten. 50 Liegestützen, 50 Kniebeugen und fünf Kilometer laufen sollte er mindestens können, so die Anforderungen der Kung-FuSchule. „Das tut mir ja gut“, sagt er. Nebenbei lernt der 62-Jährige im Selbststudium Chinesisch – jeden Tag eine Stunde. Seine Überzeugung: „Wenn ich Tai Chi richtig verstehen will, muss ich mich mit der Kultur des Landes befassen.“
Der Lindauer freut sich auf die Reise nach China. Er weiß aber auch, dass der Kulturschock und die körperliche Belastung in der Kung-FuSchule nicht zu unterschätzen sind. „Ich weiß nicht, wie ich es verkrafte“, sagt der 62-Jährige daher realistisch. Er hofft aber, dass er in China nicht nur die Bewegungsfolgen verfeinert, sondern auch lernt, die Energie fließen zu lassen. Er will das Qi finden.
„Was Du bei den Chinesen in vier Wochen lernst, dafür brauchst Du hier ein Jahr.“Der Lindauer Eugen Schuhmann lernt Tai Chi im Reich der Mitte