Nachts sind alle Kunstwerke noch bunter
Zum zweiten Mal findet „Lange Nacht der Museen“des ORF in Lindau statt
LINDAU-INSEL - Alte Buchschätze in der ERB, junge Kunst in den Galerien Skulpturale und KULT Galerie, kuriose Perlen aus dem Museumsdepot des Cavazzen – während der „Langen Nacht der Museen“gab es bis 1 Uhr auf der Lindauer Insel einiges zu entdecken. Zum zweiten Mal nutzten kunstbegeisterte Nachtschwärmer die Möglichkeit, Museen über Landesgrenzen hinaus kompakt kennenzulernen.
„Was könnte das bloß sein? Ein Schmuckkästchen, eine Buchablage, etwas für die Füße?“Mireille Baumberger, Museumspädagogin im Stadtmuseum Lindau, präsentiert und erklärt im zweiten Stock des Cavazzen kuriose Gegenstände aus dem Museumsbestand. Die Besucher beteiligen sich rege am Rätselraten und können auf kleinen Zetteln auch ihre Vorschläge notieren. Cihangir Erol, Volontär des Museums, zeigt ein paar Räume weiter, wie schnell der Umzug des Museumsinventars in das zukünftige Depot voranschreitet. „Bei der Räumung des aktuellen Museumsdepots sind alte Schätze und eben auch ungewöhnliche Alltagsobjekte wiederentdeckt worden“, berichtet Erol. Darunter befinden sich auch besonders schöne „Rädle“: Die bunt bemalten, hölzernen Signale zeigen dem Gast, wann der Ausschank eines Hof- oder Winzerguts geöffnet hat. Aber was hat es jetzt mit dem weich gepolsterten, niedrigen Schemel auf sich, auf den Baumberger deutet? Beim Öffnen zeigt sich ein metallener Behälter, der befüllt werden kann. „Ein beheizbarer Fußhocker“, klärt Baumberger auf. Die umstehenden Besucher bewundern das praktische Stück. Auch sonst ist viel los: Die halbstündigen Führungen durch die Musikinstrumenten-Sammlung sind rappelvoll, im ersten Stock können Gäste nach dem Motto „hot or not“ihre Wünsche niederschreiben, welche Ausstellungsstücke im renovierten Cavazzen unbedingt gezeigt werden sollen. Im Museumscafé unterhält Jazzmusiker Ralf Felle das Publikum.
Hinaus geht es wieder in die Nacht, die Grub hinunter, wo in der Galerie Skulpturale der Cellist Michael Denhoff seine Komposition zu drei Kunstwerken Wolfgang Ueberhorsts spielt. Dazu präsentiert Silvia Salzmann, Trägerin des Vorarlberger Kulturpreises, ihre mitreißende Solo-Tanz-Choreografie. Wenn zum Tanzen auch wenig Platz bleibt – in der Galerie stehen die Gäste dicht an dicht. Das liegt bestimmt auch an der liebevollen Bewirtung von Galeristin Luisa Ueberhorst, die mit veganer Kürbissuppe und Häppchen auch kulinarisch wertvoll unterhält.
Mit den ausstellenden Künstlern Ueberhorst und Norbert Pümpel kommen die Besucher nach der Aufführung schnell ins Gespräch. Pümpel erklärt den Entstehungsprozess seiner in Grautönen changierenden Kunstwerke, die trotz ihrer Gegenstandslosigkeit starke Assoziationen beim Betrachter auslösen. „Die Moderne taugt nicht zwingend zur Verbesserung der Welt“heißt eines der Werke, und Pümpel bestätigt die unheilvolle, düstere Stimmung: „Die zerstörerische Kraft der Atombomben-Tests in der Südsee, daran habe ich unter anderem gedacht“, erzählt er.
Mit diesem starken visuellen Eindruck im Gepäck führt die Route nach einigen Metern in die KULT Galerie, wo man von sphärischen, beruhigenden Klängen empfangen wird – ein rein zufälliger, aber angenehmer Gegenpol. Galeristin Danja Kulterer zeigt eine Serie fluoreszierender Planetenbilder, die zu einer farbintensiven Reise durch unbekannte Galaxien einladen. Musik und Kunst harmonieren erstaunlich gut, was Kulterer bestätigt: „Die Planeten haben meinen Bruder zu Kompositionen inspiriert und seine Musik wiederum mich zu neuen Darstellungen.“Die Galeristin freut sich besonders über die vielen Gäste aus Vorarlberg, die sie teilweise aus ihrer Zeit als Bregenzer Galeristin kennt. Vor zwei Jahren hat sie dem Kulturamt der Stadt Lindau den Vorschlag gemacht, die „Lange Nacht“des ORF nach Lindau zu holen – und auch in diesem Jahr hat das Angebot die Besucher gut unterhalten und ihnen Geheimnisvolles, Kurioses und Inspirierendes aus der Welt der Kunst gezeigt.