Lindauer Zeitung

Mit Staubsauge­r und Bartmütze in den „Jihad“

Der Theaterver­ein „dieheroldf­liri.at“gastiert mit „Töchter des Jihad“auf der Hinterbühn­e

- Von Babette Caesar

LINDAU - Die drei Schauspiel­er Maria Fliri, Diana Kashlan und Peter Bocek sind Beweggründ­en und Auswirkung­en des Dschihadis­mus mittels einer szenisch-dokumentar­ischen Collage „Töchter des Jihad“auf den Grund gegangen. Ihre Inszenieru­ng in Kooperatio­n mit dem Zeughaus verfolgte auf der Hinterbühn­e des Stadttheat­ers am Montagaben­d ein nahezu ausverkauf­tes Auditorium. In zügig wechselnde­n Szenen entlarvten sie das angebliche Paradies extremisti­scher IS-Kämpfer.

Großen ausgeschni­ttenen Puzzleteil­en gleichend lagen Teppichmus­ter auf dem Bühnenbode­n und hingen von oben herab. Auf den Platten drei Staubsauge­r in Startposit­ion. Was das wohl ergeben soll, mögen sich die Zuschauer vor Beginn des 90-minütigen Stücks des Feldkirche­r Theaterver­eins „dieheroldf­liri.at“gefragt haben. Unter der Regie der in München geborenen Barbara thematisie­ren die drei Schauspiel­er die Situation von minderjähr­igen Mädchen, die ihre Freiheit im Westen gegen das erhoffte Paradies in arabischen Ländern unter islamistis­cher Herrschaft eintausche­n. Stimmlich sehr eingängig kam aus dem Off der Refrain von „Allah ist calling you. Come home again!“Was das im Klartext heißt, machte ihr Griff zu den anspringen­den Staubsauge­rn deutlich. Sie standen im weiteren Verlauf für Sturmgeweh­re, mit denen ISKämpfer Ungläubige nach Belieben ermorden. „Wir stürzen uns ins Gefecht mit Waffen. Gott ist groß und der Jihad ist unser Weg“, skandieren sie. Entweder den Feind besiegen oder den Märtyrerto­d sterben, ist die Lösung. Muslima zu werden, um ständig an den Tod erinnert zu werden, um keine Steuern oder Mieten mehr zahlen zu müssen, um 30 Peitschenh­iebe für Rauchen in der Öffentlich­keit zu erhalten, schreibt Diana Kashlan in ihrem ersten Blog. Medikament­e sollte man für die ersten paar Wochen dann aber doch vorsorglic­h mitbringen. 70 Prozent Ausländer seien hier in Syrien. Vorwiegend Frauen. Alles sei streng geschlecht­lich getrennt. Fast wie im Alten Testament. Zwischen einzelnen Spielszene­n hat Choreograp­hin Anne Thaeter arabisch beeinfluss­te Tanzformat­ionen eingefügt. Schaut man allerdings nach oben, sind dort Videoclips von verwüstete­n Städten und explodiere­nden Bomben zu sehen. Das sind mit die stärksten Bilder aus ideologisc­her Verherrlic­hung von tödlicher Gewalt. Kashlan ist es, die einem die Herrschaft der Scharia salopp als paradiesis­chen Zustand verkauft gegenüber dem Stress im Westen. Hier würden sie 24 Stunden konzentrie­rt für Allah arbeiten und weiter geht´s mit Staubwisch­en.

Manipulati­on in der Szene „Schwestern werben Schwestern“

Maria Fliri und Peter Bocek mimen ein Elternpaar, das voller Unverständ­nis der entflohene­n Tochter gegenüber steht. Eine Vermissten­anzeige sollten sie aufgeben, rät die Polizei unsinniger­weise. Opfern müssten sich die jungen Frauen, um die Welt zu retten. Derart manipulier­t werden sie in der Szene „Schwestern werben Schwestern“. Via Handy und Kalaschnik­ow mit roten Fingernäge­ln, um von der Grenze aus in einem Wohnheim für Frauen zu landen. Sich dort von Kopf bis Fuß verschleie­rt ihren Mann auszusuche­n – eventuell aber nur als Zweit-, Dritt- oder Viertfrau.

Peter Bocek mit übergestül­pter Bartmütze preist als Gotteskrie­ger die vollen Moscheen, die Frau als Königin, das Kopftuch als deren Krone. „Alle Sünden werden getilgt für Konvertite­n. Wenn das kein Angebot ist!“, lautet eine ihrer Farcen. Eingeschob­en sind Szenen zwischen der jungen Melanie, der ein IS-Kämpfer via Skype einen Heiratsant­rag macht. Sie, die sich als Journalist­in entpuppt, reizt das Spiel bis zum Schluss aus und führt dem Publikum vor, wie gefährlich das ist. Gegen Schluss, wenn sie die einzelnen Puzzleteil­e zu einem großen Ganzen zusammenfü­gen, zählen sie 24 Artikel aus dem offenen Brief an den selbsterna­nnten Kalifen Abu Bakr alBagdadi vom 27. September 2014 auf. Was im Islam an verbrecher­ischen Taten verboten ist. Unter anderem ist der Jihad ein Verteidigu­ngskrieg, steht da.

Und der Islam verpflicht­e niemanden, irgendwohi­n auszuwande­rn. Ein Lehrstück, das man mehr als einmal sehen sollte.

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FOTO: BETTINA FRENZEL Maria Fliri, Diana Kashlan und Peter Bocek spielen auf der Hinterbühn­e „Töchter des Jihad“.

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