Schicksalswochen für die CSU
Machtkampf hinter den CSU-Kulissen – Seehofer erwägt Verschieben des Parteitags
MÜNCHEN - In der CSU gärt weiter der Führungsstreit um Parteichef Horst Seehofer. Doch der will sich nicht von Querschüssen seiner Parteifreunde treiben lassen.
Als es bei den unionsinternen Verhandlungen am vergangenen Sonntag nach Teilnehmerangaben „Spitz auf Knopf“stand, trudelte eine Meldung aus Oberfranken ein. Der CSUBezirksvorstand forderte Seehofer auf, einen Weg zu einem „geordneten personellen Übergang“aufzuzeigen – eine Schwächung des Chefs zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Während Seehofer in Berlin um den künftigen Regierungskurs ringt, werden ihm ständig solche Botschaften aus Bayern hereingereicht – die jüngste am Donnerstag aus München. Acht von neun CSU-Kreisverbänden der Landeshauptstadt hätten sich für einen Wechsel an der Parteispitze ausgesprochen, wurde den Medien gesteckt.
„Alle miteinander sollen wir uns gut vertragen“, hatte Finanzminister Markus Söder vor einer Woche gesagt und versichert: „Das mache ich sowieso.“Die Seehofer-Unterstützer glauben ihm kein Wort. Egal, woher die Kritik und Rücktrittsforderungen gegen den Parteichef kämen, immer gebe es Verbindungen zu Söder, sagt ein Seehofer-Vertrauter.
Nach der Bundestagswahl, bei der die CSU mit 38,8 Prozent abgestraft wurde, droht sich die CSU regelrecht in Seehofer- und Söder-Unterstützer zu spalten. Wie erwartet, hat der mühsam errungene Konsens der CSU-Landtagsfraktion, bis zum Parteitag am 17. November Personaldebatten unter dem Deckel zu halten, nicht gehalten. In der Partei wird heftig diskutiert, ob und wie man mit dem angeschlagenen Vorsitzenden weitermachen kann, dessen Zickzack-Kurs gegenüber CDU-Kanzlerin Angela Merkel vielen als Hauptursache für das Wahldesaster gilt.
Gar nicht, sagen mehr oder weniger deutlich die Bezirksvorstände von Oberfranken und der Oberpfalz sowie etliche Stimmen aus Mittelund Unterfranken. In Schwaben kamen kritische Töne vom Augsburger Landrat Martin Sailer, der in der Flüchtlingskrise schon einmal vehement den Rücktritt von Kanzlerin Merkel gefordert hatte.
Ein ominöses informelles Treffen in München soll ergeben haben, dass acht der neun CSU-Kreisverbände in der Landeshauptstadt für einen personellen Neuanfang eintreten. Vorsichtshalber war der Chef des Kreisverbands München-Ost, Markus Blume, dazu nicht eingeladen. Der ist nämlich stellvertretender Generalsekretär, als solcher Seehofer-nah und zeigte sich am Mittwoch entsprechend verschnupft über das Vorgehen seiner Münchener Parteifreunde: Das sei „keine gute politische Kultur und kein guter Umgang miteinander“.
Unterstützung von Aigner
Fest an der Seite Seehofers steht bislang der größte CSU-Bezirk Oberbayern – zumindest dessen Vorsitzende Ilse Aigner, Wirtschaftsministerin und ihrem Kollegen Söder in herzlicher Abneigung zugetan. „Wenn irgendjemand weiß, wie er in Berlin verhandeln kann, dann ist das Horst Seehofer“, ließ Aigner wissen: „Es ist schon ein Unterschied, ob man in Talkshows Positionen aufstellt oder ob man im Anblick der Kanzlerin auch etwas durchsetzt.“Wobei „Talkshow“seit einiger Zeit synonym für „Söder“steht.
Im Terminplan Seehofers stehen für die nächste Zeit überwiegend unerfreuliche Eintragungen. Die nächste am kommenden Montag, wenn der CSU-Parteivorstand zusammentritt. Dann will Seehofer nach eigenem Bekunden wissen, „ob noch gilt, dass wir jetzt möglichst stark in Berlin verhandeln wollen“.
Möglicherweise wird der Parteivorstand auch darüber beraten, ob der für den 17. November in Nürnberg angesetzte große CSU-Parteitag mit Vorstandswahlen verschoben wird. Eine solche Idee favorisiert der Parteichef. Wenn die Delegierten zur Abstimmung über den in Berlin vereinbarten Koalitionsvertrag noch einmal zusammengerufen werden müssen, könnten innerhalb weniger Wochen zwei teure Parteitage nötig werden, argumentiert Seehofer.
Das freilich würde voraussetzen, dass die „Jamaika“-Koalition noch vor der Weihnachtspause am Start ist. Denn satzungsgemäß muss der Parteitag mit der Wahl des Vorsitzenden bis zum 31. Dezember stattfinden. Es könnte also alles äußerst knapp werden – gerade für Seehofer.