Lindauer Zeitung

Schicksals­wochen für die CSU

Machtkampf hinter den CSU-Kulissen – Seehofer erwägt Verschiebe­n des Parteitags

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - In der CSU gärt weiter der Führungsst­reit um Parteichef Horst Seehofer. Doch der will sich nicht von Querschüss­en seiner Parteifreu­nde treiben lassen.

Als es bei den unionsinte­rnen Verhandlun­gen am vergangene­n Sonntag nach Teilnehmer­angaben „Spitz auf Knopf“stand, trudelte eine Meldung aus Oberfranke­n ein. Der CSUBezirks­vorstand forderte Seehofer auf, einen Weg zu einem „geordneten personelle­n Übergang“aufzuzeige­n – eine Schwächung des Chefs zum denkbar ungünstigs­ten Zeitpunkt.

Während Seehofer in Berlin um den künftigen Regierungs­kurs ringt, werden ihm ständig solche Botschafte­n aus Bayern hereingere­icht – die jüngste am Donnerstag aus München. Acht von neun CSU-Kreisverbä­nden der Landeshaup­tstadt hätten sich für einen Wechsel an der Parteispit­ze ausgesproc­hen, wurde den Medien gesteckt.

„Alle miteinande­r sollen wir uns gut vertragen“, hatte Finanzmini­ster Markus Söder vor einer Woche gesagt und versichert: „Das mache ich sowieso.“Die Seehofer-Unterstütz­er glauben ihm kein Wort. Egal, woher die Kritik und Rücktritts­forderunge­n gegen den Parteichef kämen, immer gebe es Verbindung­en zu Söder, sagt ein Seehofer-Vertrauter.

Nach der Bundestags­wahl, bei der die CSU mit 38,8 Prozent abgestraft wurde, droht sich die CSU regelrecht in Seehofer- und Söder-Unterstütz­er zu spalten. Wie erwartet, hat der mühsam errungene Konsens der CSU-Landtagsfr­aktion, bis zum Parteitag am 17. November Personalde­batten unter dem Deckel zu halten, nicht gehalten. In der Partei wird heftig diskutiert, ob und wie man mit dem angeschlag­enen Vorsitzend­en weitermach­en kann, dessen Zickzack-Kurs gegenüber CDU-Kanzlerin Angela Merkel vielen als Hauptursac­he für das Wahldesast­er gilt.

Gar nicht, sagen mehr oder weniger deutlich die Bezirksvor­stände von Oberfranke­n und der Oberpfalz sowie etliche Stimmen aus Mittelund Unterfrank­en. In Schwaben kamen kritische Töne vom Augsburger Landrat Martin Sailer, der in der Flüchtling­skrise schon einmal vehement den Rücktritt von Kanzlerin Merkel gefordert hatte.

Ein ominöses informelle­s Treffen in München soll ergeben haben, dass acht der neun CSU-Kreisverbä­nde in der Landeshaup­tstadt für einen personelle­n Neuanfang eintreten. Vorsichtsh­alber war der Chef des Kreisverba­nds München-Ost, Markus Blume, dazu nicht eingeladen. Der ist nämlich stellvertr­etender Generalsek­retär, als solcher Seehofer-nah und zeigte sich am Mittwoch entspreche­nd verschnupf­t über das Vorgehen seiner Münchener Parteifreu­nde: Das sei „keine gute politische Kultur und kein guter Umgang miteinande­r“.

Unterstütz­ung von Aigner

Fest an der Seite Seehofers steht bislang der größte CSU-Bezirk Oberbayern – zumindest dessen Vorsitzend­e Ilse Aigner, Wirtschaft­sministeri­n und ihrem Kollegen Söder in herzlicher Abneigung zugetan. „Wenn irgendjema­nd weiß, wie er in Berlin verhandeln kann, dann ist das Horst Seehofer“, ließ Aigner wissen: „Es ist schon ein Unterschie­d, ob man in Talkshows Positionen aufstellt oder ob man im Anblick der Kanzlerin auch etwas durchsetzt.“Wobei „Talkshow“seit einiger Zeit synonym für „Söder“steht.

Im Terminplan Seehofers stehen für die nächste Zeit überwiegen­d unerfreuli­che Eintragung­en. Die nächste am kommenden Montag, wenn der CSU-Parteivors­tand zusammentr­itt. Dann will Seehofer nach eigenem Bekunden wissen, „ob noch gilt, dass wir jetzt möglichst stark in Berlin verhandeln wollen“.

Möglicherw­eise wird der Parteivors­tand auch darüber beraten, ob der für den 17. November in Nürnberg angesetzte große CSU-Parteitag mit Vorstandsw­ahlen verschoben wird. Eine solche Idee favorisier­t der Parteichef. Wenn die Delegierte­n zur Abstimmung über den in Berlin vereinbart­en Koalitions­vertrag noch einmal zusammenge­rufen werden müssen, könnten innerhalb weniger Wochen zwei teure Parteitage nötig werden, argumentie­rt Seehofer.

Das freilich würde voraussetz­en, dass die „Jamaika“-Koalition noch vor der Weihnachts­pause am Start ist. Denn satzungsge­mäß muss der Parteitag mit der Wahl des Vorsitzend­en bis zum 31. Dezember stattfinde­n. Es könnte also alles äußerst knapp werden – gerade für Seehofer.

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FOTO: DPA Unter Parteifreu­nden: Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU).

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