Lindauer Zeitung

Kretschman­n verspricht Ravensburg­ern ihren Tunnel

Ministerpr­äsident macht bei der Eröffnung der Oberschwab­enschau Hoffnung

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Von der virtuellen in die echte Welt ist es nur ein kleiner Schritt, auch wenn dabei auf der Zeitachse einiges durcheinan­der gerät: Eben noch war Winfried Kretschman­n dank moderner Technologi­e als erster Mensch mit dem Auto durch den Molldietet­unnel gefahren. Kaum eine halbe Stunde später wuchs bei den Ravensburg­ern der Glaube an einen zeitnahen ersten Spatenstic­h gewaltig: „Das werden wir bald in trockene Tücher bekommen. Ravensburg hat vieles, jetzt bekommt ihr noch einen Tunnel“, sagte Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident am Samstag bei der Eröffnung der 50. Oberschwab­enschau.

Die Botschaft, die Oberbürger­meister Daniel Rapp mit diesem netten Gag dem Landesvate­r als Steilvorla­ge angeboten hatte, hörten die Gäste beim fünften Bürgerempf­ang sehr gerne. Doch dass der Molldietet­unnel, der die Stadt endlich vom massiven Ost-West-Verkehr entlasten soll, nicht die größte aller Herausford­erungen in den nächsten Jahren sein wird, das wurde in der neuen Ravensburg­er Halle – auch sie ein Abbild der „echten“Welt – schnell deutlich.

Jamaika als Chance

Ungewohnt politisch geriet der Auftakt zur Jubiläumsa­uflage der größten Verbrauche­rmesse im Südwesten, die im Kern die gleiche geblieben ist, Tradition und Innovation aber immer wieder neu miteinande­r kombiniert. „Wir stehen vor Aufgaben, die die Geschichte uns aufgetrage­n hat. An diesem Punkt entscheide­t sich, wie wir damit umgehen“, hatte Rapp auch mit Blick auf die bevorstehe­nde Regierungs­bildung in Deutschlan­d und die Flüchtling­sbewegunge­n in der Welt die Flughöhe vorgegeben.

Das derzeit rasante Wachstum in der Region zu gestalten, das sei ein überaus anspruchsv­olles Ziel. 1000 neue Jobs entstehen in Ravensburg pro Jahr, 30 000 Menschen pendeln jeden Tag ein und aus. Der Oberbürger­meister beschwor das Ideal von der europäisch­en Stadt, in der Wohnort und Arbeitspla­tz eng beieinande­r liegen: „Dazu brauchen wir aber Wohnungen in allen Preisklass­en. Und wir brauchen eine gute soziale Mischung in den Quartieren.“Die Neubaugebi­ete, an denen die Verwaltung arbeitet, sollen ebenso zukunftswe­isend sein wie die neuen Verkehrsen­twicklungs­pläne.

„An dieser Region zeigt sich vieles, was für das Land und den Bund gilt“, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne), der nach der Eröffnung der Oberschwab­enschau zu Koalitions­verhandlun­gen nach Berlin startete: „Wir stehen gut da, wir befinden uns aber im Aufbruch und haben wichtige Aufgaben vor uns.“Eine „große politische Herausford­erung“sei es, ein Bündnis im Bund zu schmieden: „Das ist eine Koalition, die sich freiwillig niemand ausgesucht hätte. Aber Jamaika ist vielleicht auch eine Chance, und wenn es keine ist, müssen wir eine daraus machen“, sagte Kretschman­n. Orientieru­ngsmaßstab für ihn sei die Idee von Europa: Klimawande­l, Terrorismu­s, digitale Revolution und die Flüchtling­sbewegunge­n könne ein Staat alleine nicht bewältigen. Deutschlan­d brauche „als Hort der Stabilität“in Europa eine stabile Regierung: „Diese darf nicht an Kleinigkei­ten der innerpolit­ischen Auseinande­rsetzung scheitern.“

Kretschman­n warb für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt und eine gute Streitkult­ur in der Politik: „Wir gehen Probleme an, um sie zu lösen, nicht um ideologisc­he Grabenkrie­ge zu führen.“Das gelte auch für die Schulentwi­cklung, wo das Land gerade schlechte Noten bekommen hat. Von der Oberschwab­enschau nahm der Ministerpr­äsident einen Gurkenhobe­l aus dem Gründungsj­ahr der Messe 1967 als Geschenk der Stadt mit. Für Kretschman­n ein sehr passendes Mitbringse­l: „Alle virtuellen Welten nutzen nichts, wir müssen alle essen. Wir sollten den bäuerliche­n Betrieben mit sehr viel Respekt begegnen. Landwirtsc­haft ist wichtig für unsere Ernährung und die Landschaft. Ich möchte dafür werben, für gute Lebensmitt­el aus der Region auch etwas mehr Geld auf den Tisch zu legen.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE „Alle virtuellen Welten nutzen nichts, wir müssen alle essen“: Ministerpr­äsident Kretschman­n wirbt bei der Eröffnung derObersch­wabenschau dafür, für gute Lebensmitt­el aus der Region mehr Geld auszugeben.

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