Riesen-Cash-Party im Stadttheater Lindau
Theater Konstanz reißt das Publikum von den Sitzen – Am Ende gibt es ein überraschendes Geburtstagsständchen
LINDAU - „Er war ein wandelnder Widerspruch: halb Wahrheit, halb Dichtung“, hat Country-Musiker Kris Kristofferson über seinen Freund Johnny Cash gesagt. Das Theater Konstanz unter Regie von Wulf Twiehaus hat der Country-Legende eine musikalische Produktion gewidmet, die der komplexen Persönlichkeit des Sängers auf den Grund geht. „It takes one to know me“spielte sich im Stadttheater Lindau in die Herzen und Füße des Publikums – ebenso erfolgreich wie in Konstanz, wo das Stück in der vierten Spielzeit läuft.
Mit einer Initialzündung startete die siebenköpfige Besetzung in das musikalische Universum Cashs: Nach „Jackson“stampfte der Soundzug und damit gleich hinein in den romantischen Teil der Lebensgeschichte des Sängers. „We got married in a fever“, singt Cash (André Rohde), an seiner Seite Ehefrau June Carter Cash (Laura Lippmann). Zur labilen, durch Alkohol- und Drogenprobleme veränderten Persönlichkeit des Country-Stars gehört der geradezu engelsgleiche, weibliche Gegenpol: Country-Sängerin June Carter, die Cash 1968 heiratete und die ihm half, seine Tablettenabhängigkeit zu überwinden.
André Rohde und Laura Lippmann gaben die Bühnenpersönlichkeiten des in der Öffentlichkeit beliebten Paars, das häufig zusammen auftrat, aber auch das persönliche Leid hinter den Kulissen authentisch wieder. Heimliche Liebe, Scheidung von der ersten Frau Vivian Liberto, immer mehr Auftritte und der damit verbundene Stress, Einnahme von Amphetaminen und Barbituraten, Suizidgedanken – meist in Monologen erzählen sie über Hoch- und Tiefpunkte des gemeinsamen Lebens.
Johnny und Cash – die zwei Seiten eines großen Sängers
Doch Cash ist nichts ohne Johnny. Regisseur Wulf Twiehaus hat die Persönlichkeit des Sängers in zwei Anteile gegliedert, von denen auch June Carter selbst berichtete: „Cash, hör auf damit und sei wieder Johnny“, soll sie bei einem Streit gesagt haben. Johnny (Ingo Biermann) singt weicher, spricht über Gefühle und erkennt früh, dass er mit seiner Sucht Familie und Karriere gefährdet. Wo Rohde den „Man in Black“mit originalgetreuer Haartolle und Gesetzlosen-Image gibt („I shot a man in Reno“), ergänzt Biermann durch nachdenkliche Betrachtungen, die auch ein frühes Trauma des Musikers in den Mittelpunkt rücken: Cashs Bruder Jack stirbt 1944 beim Unfall mit einer Kreissäge. Raffiniert und doppeldeutig werden beide Persönlichkeiten miteinander verwoben: Das Spiel der beiden gipfelt im gemeinsamen Duett des titelgebenden Songs „It takes one to know me“, den Cash eigentlich für seine Frau schrieb.
Sowieso geht es an diesem „Abend mit Songs von Johnny Cash“in erster Linie um die Musik, die Cash berühmt gemacht hat. Für den echten „Chicka-Boom-Sound“sorgten die großartigen Musiker Frank Dänzinger (Drums), Stefan Gansewig (EBass), Rudolf Hartmann (Akkordeon) und Arpi Ketterl (Kontrabass). Musikalisch und stimmlich äußerst fit waren aber auch die drei Darsteller, sodass echtes Cash-Konzert-Feeling aufkam.
Im Rahmen von fünf Zugaben, bei denen Lippmann, Rohde und Biermann noch einmal alles gaben, hielt es die Zuschauer nicht mehr länger auf den Sitzen: Tanzend und singend genossen sie das pure Musikerlebnis und brachten Laura Lippmann, die an diesem Abend Geburtstag hatte, noch gemeinsam ein Ständchen.