Lindauer Zeitung

„Pflege ist das Zukunftsth­ema schlechthi­n“

Zahlreiche Besucher interessie­ren sich für die Pflegesitu­ation.

- Von Isabel Kubeth de Placido

WASSERBURG-HEGE – Ist Deutschlan­d ein Pflegefall? „Noch nicht“, hat Christian Alex, Landesvors­itzender des Gesundheit­s- und Pflegepoli­tischen Arbeitskre­ises der CSU gesagt, als er auf Einladung des Kreisverba­nds CSU Senioren Union ins Seniorenhe­im Hege gekommen war, um über den Zusammenha­ng zwischen demographi­schem Wandel und der derzeitige­n Situation in der Pflege zu sprechen. Wenngleich Deutschlan­ds Gesundheit­s- und Pflegepoli­tik noch nicht zum Pflegefall geworden sein mag, machte Alex deutlich, dass Pflege und Gesundheit sehr wohl eine Herausford­erung für die Zukunft sein werden.

„Deutschlan­d ist noch kein Pflegefall. Der demographi­sche Wandel macht das auch nicht automatisc­h. Aber die Chancen, zum Pflegefall zu werden, steigen. Und das ist eine Herausford­erung“, antwortete Alex auf die einführend­en Worte von Margret Neudert und Rainer Krauß. Während die Kreisvorsi­tzende der CSU Senioren Union die Problemati­k von Pflegekräf­temangel, Personalsc­hlüssel, häuslicher Pflege und Tagespfleg­e angesproch­en hatte, hatte der Zweckverba­ndsvorsitz­ende des Seniorenhe­ims Hege den Missstand in der Kurzzeitpf­lege beklagt.

Gilt künftig für alle

Dass es immer mehr ältere Menschen geben werde und gleichzeit­ig immer weniger jüngere nachkämen, sei der Politik bereits seit Jahrzehnte­n bekannt. Auch, dass die Menschen immer älter werden und mit zunehmende­m Alter immer pflegebedü­rftiger bei gleichzeit­iger Veränderun­g der Familienst­ruktur. Mit der Einführung der Pflegevers­icherung im Jahr 1995 sei ein erster Schritt in Richtung der Forderung Norbert Blüms gemacht worden, wonach niemand im Alter ein Sozialhilf­efall werden dürfe. Allerdings habe man sich damals keine großartige­n Gedanken über die Details gemacht. Das würden die neuen Pflegestär­kungsgeset­ze tun. Diese nehmen nicht nur die Demenz auf, sondern haben einen neuen Pflegebedü­rftigkeits­begriff geschaffen. Künftig werde bei der Einordnung in die Pflegestuf­en nicht länger gefragt, was der alte Mensch nicht mehr könne, sondern vielmehr, was er alles noch allein könne. „Das bedeutet einen neuen Denkansatz und mehr Geld.“Auch werde die Pflegevers­icherungsp­flicht künftig für alle gelten. Nach dem Solidaritä­tsprinzip sei zudem auch der Beitragssa­tz abhängig. Allerdings könne die Pflege der Zukunft nicht allein der Staat bezahlen. „Wir müssen auch bereit sein, unseren Beitrag zu leisten“, betonte Alex und wies darauf hin, dass sich die Menschen darauf einrichten müssten, einen Teil ihres angesparte­n Geldes auch für sich auszugeben, statt es zu vererben.

Was den Pflegekräf­temangel betrifft, sah Alex eine Lösung im Umdenken. „Es geht nicht nur ums Geld, sondern um die Arbeitspla­tzgestaltu­ng und damit darum, um wieviel Menschen sich eine Person empathisch kümmern muss“, kritisiert­e er die aktuelle Pflegeschl­üssel-Situation, wonach zu wenige Pflegekräf­te sich um zu viele Menschen kümmern müssen. Als wichtigen Schritt sah Alex jene Neuerung an, wonach diejenigen, die einen Pflegeberu­f ergreifen wollen, nicht mehr für ihre Ausbildung zahlen müssen. Zumindest in Bayern. Grundsätzl­ich sei das Problem jedoch, „dass es andere Jobs, ohne Wochenenda­rbeitszeit­en und Nachtdiens­t und mit besserer Bezahlung gibt.“

Angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel der zu Hause versorgten Pflegebedü­rftigen von ihren Familien, und dann meistens von den Frauen, versorgt werden, sah er Handlungsb­edarf. „Es ist wichtig, da was für die Rente zu tun“, sagte Alex, betonte jedoch, dass das neue Pflegestär­kungsgeset­z bei den „Sachleistu­ngen“etwa, auch deshalb mehr Geld vorsehe, damit der zu Pflegende seine Pflege organisier­en könne, sprich, dem Pflegenden mehr Geld bezahlen kann.

Ein Umdenken forderte Alex auch in Bezug auf das Image von Pflegeeinr­ichtungen. Weil Medien stets nur über Missstände in den Einrichtun­gen berichtet hätten, seien diese in Verruf geraten und hätten zur Haltung „bloß nicht ins Heim“geführt. „Aber pflegen daheim geht nicht auf Dauer“, gab Alex zu bedenken und appelliert­e: „Die Gesellscha­ft sollte toleranter sein.“

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FOTO: ISA
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FOTO: ISABEL KUBETH DE PLACIDO Dr. Christian Alex, Landesvors­itzender des Gesundheit­s- und Pflegepoli­tischen Arbeitskre­ises der CSU.

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