Wohnungsnot treibt Politiker und Architekten um
Infoveranstaltung bei Schwäbisch Media beleuchtet die Situation im regionalen Ballungsraum
RAVENSBURG (wass) - Die neuesten Zahlen der Prognos AG belegen, dass nicht nur in den Großstädten, sondern auch in boomenden Regionen des Landes akuter Wohnungsmangel herrscht. Mit der aktuellen Situation und möglichen Lösungen haben sich am Dienstag Architekten, Kommunalpolitiker und Planer bei einer gut besuchten Veranstaltung der Architektenkammern Ravensburg und Bodenseekreis in den Räumen von Schwäbisch Media in Ravensburg befasst.
An einem praktischen Beispiel veranschaulichte der Ravensburger Baubürgermeister Dirk Bastin, dass dieses Problem mitten in der Gesellschaft angekommen ist. Ein städtischer Hausmeister mit sicherem Einkommen und krisenfester Anstellung findet in der Stadt oder näheren Umgebung für seine vierköpfige Familie keine passende Wohnung, die er sich leisten könnte. Noch vor wenigen Jahren hatten alle Experten von einem gesättigten Wohnungsmarkt gesprochen. Die Bautätigkeit wurde daraufhin drastisch heruntergefahren. Doch seit 2011 verzeichnen in Baden-Württemberg vier von fünf Kommunen steigende Einwohnerzahlen, wie Tobias Koch von der Prognos AG anhand der jüngsten Erhebungen darlegte. Der Ballungsraum zwischen Friedrichshafen und dem Mittleren Schussental gehört zu den Regionen mit besonders starkem Zuzug, weil hier in rasantem Tempo neue Arbeitsplätze entstehen. Der Wohnungsbau hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten.
Am Beispiel der Stadt Konstanz wurde deutlich, welch enormen Aufwand größere Städte betreiben, um schnelle und passende Lösungen zu finden. Aber den können sich kleinere Kommunen nicht leisten. Verbandsdirektor Wilfried Franke vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben plädierte daher für eine verstärkte kommunale Zusammenarbeit nicht nur bei der Ausweisung neuer Gewerbegebiete, sondern auch beim Wohnungsbau.
Dies sei umso wichtiger, als hier viele berechtigte Interessen unter einen Hut zu bringen sind: Klima- und Landschaftsschutz, die Belange der Landwirtschaft und Infrastruktur. Sowohl bei der Innenverdichtung als auch der Ausweisung neuer Wohnund Gewerbebetriebe stoßen die Planer auf immense Widerstände in der Bevölkerung. Vorhaben werden durch Klagen erheblich verzögert oder ganz verhindert.
Am Beispiel eines größeren Vorhabens in Stuttgart machte Kammerpräsident Markus Müller deutlich, wie solche Klagen vermieden werden können, indem man die Bürger frühzeitig in den Planungsprozess einbindet: „Sie können beim Abwägen der Vor- und Nachteile mitreden, verstehen die Zusammenhänge und tragen am Ende die gemeinsam gefundene Lösung mit.“Wesentliche Impulse verspricht sich Professor Markus Müller aus dem Stuttgarter Wirtschaftsministerium von der neu gegründeten Wohnraumallianz, die auf Landesebene Vorschläge erarbeitet, wie der Wohnungsbau erheblich beschleunigt werden kann. Ein Hemmnis sprach Landrat Lothar Wölfle vom Bodenseekreis an: „Bei den Aufsichtsbehörden wird ein zu großer Wert auf die Eigenentwicklung der Kommunen gelegt. „Wir müssen aber in größeren Zusammenhängen denken und planen.“
Bastin hat dabei nicht nur Berufspendler im Blick, sondern auch Schulen, Kindergärten, Einkaufsund Freizeitangebote. Gefragt seien intelligente Verkehrskonzepte, die mit den Wohnraumplanungen entwickelt werden müssten. Hier stehe man vor revolutionären Umbrüchen.
Einig waren sich alle Gesprächsteilnehmer darin, dass man von den Qualitätsstandards im Wohnungsbau nicht abrücken dürfe, etwa zulasten des Klimaschutzes. Als größten Preistreiber auf dem Wohnungsmarkt machten sie das knappe Bauland aus. Das zwinge Städteplaner und Architekten zu intelligenten Lösungen, nehme aber auch die Politik in die Pflicht, bezahlbaren Wohnraum finanziell zu fördern. Der Ravensburger SZ-Redaktionsleiter Frank Hautumm, der durch die Themen führte, brachte in diesem Zusammenhang das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ins Gespräch, auf das sich die Städte Ravensburg und Weingarten verständigt haben.