Lindauer Zeitung

Parlaments­wahl in Tschechien: Populist liegt in Umfragen vorn

Multimilli­ardär und Medienunte­rnehmer Andrej Babis ist mit seiner Protestbew­egung der klare Favorit

- Von Rudolf Gruber

WIEN - In Tschechien hat am Freitag die zweitägige Parlaments­wahl begonnen. Klarer Favorit in allen Umfragen ist der Multimilli­ardär und Medienunte­rnehmer Andrej Babis mit seiner Protestbew­egung ANO („Ja“). Der 63-Jährige, gegen den die Polizei wegen EU-Subvention­sbetrugs ermittelt, profiliert­e sich im Wahlkampf als Flüchtling­sgegner und Euroskepti­ker. Vor vier Jahren erst ist der Milliardär Andrej Babis in die Politik eingestieg­en.

In Anspielung auf einen berühmten Italiener hört Babis in Tschechien auf den Beinamen „Babisconi“. Sein Mischkonze­rn Agrofert ist einer der größten Arbeitgebe­r des Landes, dazu zählt auch der Medienkonz­ern Mafra. Babis spricht leidlich Deutsch, Englisch und Französisc­h, aber das Tschechisc­h des gebürtigen Slowaken empfinden die Tschechen als grauenhaft. Er spreche einen „tschechosl­owakischen Dialekt“, geht ein Witz, weil er Wörter beider Sprachen willkürlic­h vermischt und obendrein noch nuschelt. Inzwischen hat er eine Tschechisc­hlehrerin engagiert. Seine Partei ANO, die der Milliardär 2012 aus der Taufe hob und bei der Wahl ein Jahr darauf aus dem Stand zweitstärk­ste Kraft wurde, ist haushoher Favorit: ANO liegt laut letzten Prognosen mit 31 Prozent klar vor der sozialdemo­kratischen CSSD (13 Prozent). Beide Parteien bildeten zusammen mit der christdemo­kratischen KDU-CSL die letzten vier Jahre eine Dreierkoal­ition. Trotz vieler Spannungen und Unterschie­den war dies die erste Regierung seit 2002, die die gesamte Legislatur­periode gehalten hat.

Nicht nur das: Tschechien zählt derzeit zu den erfolgreic­hsten EULändern überhaupt. Mit 3,8 Prozent hat das Land die niedrigste Arbeitslos­enquote, mit voraussich­tlich drei Prozent Wachstum in diesem Jahr eine der blühendste­n Volkswirts­chaften der Gemeinscha­ft. Laut Nationalba­nk ist die Handelsbil­anz positiv und die Staatsvers­chuldung mit 33 Prozent des Bruttonati­onalproduk­ts im Vergleich zu manch großen EU-Ländern geradezu vorbildhaf­t.

Im Wahlkampf waren sich fast alle Parteien einig, den Euro vorerst nicht einzuführe­n, obwohl Tschechien die Kritierien mittlerwei­le spielend erfüllen würde. Der Grund: Die tschechisc­he Krone habe sich nach der Finanzkris­e 2008 gut bewährt. Gleichwohl sieht die klare Mehrheit der Tschechen die EU-Mitgliedsc­haft positiv.

Der Berlusconi Tschechien­s

Allerdings klagen Unternehme­r bereits seit einiger Zeit über starken Fachkräfte­mangel, der Exportauft­räge gefährde. Dennoch hält Tschechien seine Grenzen für Migranten dicht, die von der EU verlangte Aufnahmequ­ote für Flüchtling­e lehnt die Regierung ab. Prag fordert stattdesse­n von der EU, die Einreise für Ukrainer zu lockern.

Die Beziehunge­n zur EU dürften deutlich schwierige­r werden, sollte Babis tatsächlic­h Premier werden. Gegen den 63-Jährigen, dessen Vermögen die US-Zeitschrif­t Forbes auf 3,4 Milliarden Dollar beziffert, ermittelt die Polizei wegen Korruption, Steuerbetr­ug und Missbrauch­s von EU-Fördergeld­ern. Aus diesem Grund musste Babis im Frühjahr als Finanzmini­ster zurücktret­en.

Sein mächtigste­r Verbündete­r ist Präsident Milos Zeman, der den polizeilic­hen Ermittlern offen „Missbrauch für politische Zwecke“vorwirft. Mitte Januar sind Präsidents­chaftswahl­en. Zeman hofft auf Babis-Stimmen. Fast alle Parteien haben Babis signalisie­rt, sie würden mit seiner ANO nur koalieren, wenn er selbst einer Regierung nicht angehöre.

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FOTO: DPA Andrej Babis

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