„Ohne Rechtsstaat keine Fördergelder“
BERLIN - Fragen zum Rechtsstaat in Ungarn bleiben offen, sagt BadenWürttembergs Justizminister Guido Wolf (Foto: dpa) im Gespräch mit Katja Korf.
Kehren Sie aus Ungarn besorgt oder beruhigt zurück?
Die Eindrücke sind unterschiedlich. Positiv ist sicher, welch hohes Ansehen Deutschland und Baden-Württemberg in Ungarn genießen. Auch die Bereitschaft, sich mit uns auszutauschen, ist groß. Andererseits lassen mich einige Gespräche mit Vertretern der Regierung oder der Fidesz-Partei durchaus sorgenvoll zurück.
Inwiefern?
Es bleiben wichtige Fragen zum Rechtsstaat in Ungarn offen. Nur einige Beispiele: Fünf Monate vor der Wahl finanziert die Regierung eine Kampagne gegen den regierungskritischen Milliardär Soros, der in den USA lebt. Und die Rechte der Opposition im Parlament werden nach unserem Verständnis in einzelnen Bereichen nicht ausreichend gewahrt. Außerdem zeigen sich Regierungsvertreter kompromisslos bei Fragen der Flüchtlingsverteilung auf die Mitgliedsstaaten der EU.
Ungarn betreibt Aufnahmezentren für Flüchtlinge. Wo sehen Sie die Probleme in der Migrationspolitik?
Transitzonen und Registrierungszentren für ankommende Flüchtlinge halte ich für richtige Ansätze – durchaus auch für Deutschland, wenn die rechtsstaatlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ich habe aber Schwierigkeiten damit, dass Ungarn sich weiter weigert, sich an der Umverteilung der Flüchtlinge in der EU zu beteiligen und Menschen aufzunehmen. Dieses Verfahren hat die EU vereinbart. Es darf nicht sein, dass sich jedes Mitglied nur noch die Vorteile herauspickt. Dann ist Europa in Gefahr.
Wie kann die EU solche Rosinenpickerei verhindern?
Ungarns Wirtschaft entwickelt sich sehr gut. Diese Entwicklung hängt stark von Zuschüssen der EU ab. Ich begrüße es, wenn Länder wie Ungarn Unterstützung bekommen. Allerdings gehört es zu den Grundlagen der EU, dass sich alle Mitglieder an rechtlich verbindliche Beschlüsse und Urteile halten. Die Vergabe von Mitteln muss stärker daran geknüpft werden, ob Staaten dies tun. In der EU stehen bald Verhandlungen über den Finanzrahmen für die kommenden Jahre an. Dabei muss dieses Thema berücksichtigt werden. EU-Kommissar Günther Oettinger weist zurecht darauf hin, dass der europäische Mehrwert künftig stärker als bisher Maßstab für den Einsatz von EU-Geldern sein muss. Das Einhalten von rechtsstaatlichen Kriterien ist für mich eindeutig ein solcher Mehrwert. Es muss klar sein: Ohne Rechtsstaat keine Fördergelder.