Lindauer Zeitung

Die Magie in uns allen

Mittels einer Ausstellun­g will die British Library am Milliarden­geschäft „Harry Potter“teilhaben

- Von Sebastian Borger

LONDON - „Harry Potter – eine Reise durch die Geschichte der Magie“, heißt die neue Ausstellun­g in der British Library. Diesen Anspruch löst die Londoner Nationalbi­bliothek ein: Jüngere und ältere Fans des berühmten Romanzyklu­s von Joanne („JK”) Rowling kommen dort ebenso auf ihre Kosten wie jene, die generell fasziniert sind von Zauberei und Alchemie. Mithilfe der Autorin und des Verlags Bloomsbury einerseits, durch Leihgaben aus dem gewaltigen British Museum wie dem kleinen Hexenmuseu­m in Cornwall anderersei­ts haben die Ausstellun­gsmacher ein buntes Kaleidosko­p zum Thema zusammenge­stellt. Freilich bleibt der Eindruck, es handele sich um eine Hybridauss­tellung, reichhalti­g, aber ohne erkennbare­n Zusammenha­ng. Aber ein Erfolg wird sie in jedem Fall: 30 000 Tickets wurden vorab verkauft.

Von ihrer früh an Multipler Sklerose verstorben­en Mutter hatte die Harry-Potter-Autorin den „Riesenappe­tit auf Bücher aller Art“geerbt, als erste ihrer Familie ging sie auf die Universitä­t und schloss ein Literaturs­tudium ab. Da spielten auch phantastis­che Romane eine Rolle, schließlic­h „steckt die Magie tief in uns allen“, teilt Rowling, 52, gleich zu Beginn der Ausstellun­g in einem kurzen Filmaussch­nitt mit.

Ein chinesisch­er Orakelknoc­hen

Es geht dann die Treppe hinunter in die fensterlos­en Ausstellun­gsräume der British Library. Sie sind thematisch den Unterricht­sfächern im Zauberinte­rnat Hogwarts zugeordnet. Da dominiert also ein gewaltiger, mindestens 2600 Jahre alter Bronzekess­el den Zaubertran­k-Saal, wo interaktiv­e Displays zum Mixen eines eigenen Magiecockt­ails einladen. Im Alchemie-Saal beschreibt ein sechs Meter langes Manuskript aus dem 16. Jahrhunder­t die Suche eines mittelalte­rlichen Priesters namens George Ripley nach dem Stein der Weisen. Und als Beispiel für Wahrsagere­i dient das älteste Sammlungss­tück der British Library, ein chinesisch­er Orakelknoc­hen, auf dem eine Mondfinste­rnis im Jahr 1192 vor Christus verzeichne­t steht.

Was das mit Harry Potter (HP) zu tun hat? Der sei ihr „als fertige Figur in den Sinn“gekommen, hat Rowling berichtet, und die Ausstellun­gsmacher erzählen es nach: Der beinahe magische Moment geschah 1990 auf einer Zugfahrt von Manchester nach London. Aber gewiss stützte sich die gelernte Literaturw­issenschaf­tlerin auf ihre eigene Lektüre, auf Begegnunge­n mit dem gerade in ihrer englischen Heimat verbreitet­en Glauben an Überirdisc­hes und Irreales.

Kenner des siebenbänd­igen Romanzyklu­s erhalten kostbare Einblicke in die Werkstatt der Schöpferin. Ausgestell­t sind etwa heftig bekritzelt­e Manuskript­seiten, die es nicht in die fertigen Bücher geschafft haben. Rührend zu lesen ist auch die Beurteilun­g der damals achtjährig­en Verlegerto­chter Alice Newton: Harry Potter sei möglicherw­eise eines der besten Bücher, die eine Achtoder Neunjährig­e lesen konnte. 2500 Pfund zahlte Papa Nigel Newton daraufhin 1996 der mittellose­n, völlig unbekannte­n Autorin, ein Jahr später kam „Harry Potter und der Stein der Weisen“in einer Startaufla­ge von 500 Exemplaren auf den Markt.

Ein Milliarden­geschäft

Beide Parteien haben den Deal nicht bereut. Mehr als 450 Millionen Bücher der siebenteil­igen Fantasyser­ie wurden verkauft, Harry Potter kann man in 68 Sprachen lesen, auch die acht Filme waren ein Milliarden­geschäft. Im nahen Bahnhof King’s Cross stehen die Harry-Potter-Fans am Bahnsteig 93/4 für ein Foto Schlange, nun haben sie bis Februar in fußläufige­r Nähe eine zweite Wallfahrts­stätte in London. Sogar die sagenhafte­n Lebewesen Einhorn und Hyppogriff, eine Mischung aus Adler und Pferd, haben die Ausstellun­gsmacher eingefange­n.

Ausdrückli­ch weist Co-Kuratorin Tanya Kirk auf die vielen Sondervera­nstaltunge­n, besonders für Kinder, rund um die Ausstellun­g hin. Während Minderjähr­igen die Lesesäle verschloss­en bleiben, haben Künstler und Erzieher monatelang ein Programm erarbeitet, um der jüngeren Generation die Bibliothek zu erschließe­n. Für auswärtige Besucher mit Kindern lohnt sich also der Blick auf die Webseite bl.uk besonders, ganz abgesehen vom bequemen Ticketkauf vorab – die ersten zehn Tage sowie sämtliche Wochenende­n im November sind schon ausverkauf­t.

 ?? FOTO: VICTORIA JONES/DPA ?? Die Faszinatio­n der Magie: Eine Besucherin der Harry-Potter-Ausstellun­g schaut in eine Kristallku­gel, in der die Zukunft visuell dargestell­t wird.
FOTO: VICTORIA JONES/DPA Die Faszinatio­n der Magie: Eine Besucherin der Harry-Potter-Ausstellun­g schaut in eine Kristallku­gel, in der die Zukunft visuell dargestell­t wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany