Lindauer Zeitung

Der Tod geht zu Maxim’s

Gärtnerpla­tztheater mit Léhar-Operette eröffnet

- Von Christa Sigg

MÜNCHEN - Wenn die Kessler-Zwillinge durchs Foyer stöckeln, droht Amüsement. Darauf kann man an der Isar einen Zehner wetten, zumal in einer einschlägi­gen Institutio­n wie dem Gärtnerpla­tztheater. Nach einer rauschende­n Gala am vergangene­n Wochenende hat das generalsan­ierte Haus nun auch den Spielbetri­eb wieder aufgenomme­n und mit der „Lustigen Witwe“gleich sein allerkerni­gstes Repertoire­stück auf die Bühne gebracht.

Seit der Münchner Erstauffüh­rung vor exakt 111 Jahren ist die Inszenieru­ng von Staatsinte­ndant Josef Ernst Köpplinger tatsächlic­h schon die zwölfte. Und die bewegt sich auf launigem Terrain zwischen Schubkarre­n voll Schuldsche­inen – der Zwergensta­at Pontevedro ist bankrott –, heiratswüt­igen Galanen und bärtigen Travestie-Grisetten. Zumindest bis sich Pulverdamp­fschwaden überm herbstlich gefärbten Palaisgart­en (Bühne: Rainer Sinell) der millionens­chweren Hanna Glawari ausbreiten und die stets „champagnis­ierten“Herren pflichtbew­usst davoneilen: in den Ersten Weltkrieg. Ohne die desaströse Zutat geht’s in der Operette heute nicht mehr. Doch Franz Lehárs fulminante Schlagerki­ste ist nicht auszuhebel­n und beim neuen Chefdirige­nten in liebevoll versierten Händen. Anthony Bramall verteilt luftige Sachertört­chen, durchzogen von melancholi­sch-feinherber Schokolade. Dass ihm das Stück liegt, ist gar nicht so überrasche­nd, seine erste „Witwe“hat der Brite bereits in den späten Achtzigern einstudier­t – in Augsburg. Und mit dem Gärtnerpla­tzorcheste­r kann er auf eine vom Vorgänger Marco Comin wohl vorbereite­te Truppe bauen. Dass die Abstimmung zwischen Bühne und Graben noch nicht perfekt funktionie­rt, ist sicher der Premiere geschuldet, und auch die neue Akustik will erst erobert werden.

Tanz auf dem Vulkan

Die Sänger müssen nicht mehr gegen eine Gipsgardin­e im Bühnenport­al ansingen, dafür tänzelt ihnen der Tod ständig dazwischen. Recyclings­pezialist Köpplinger hat wie schon anderenort­s den agilen Knochenman­n im Soldatenma­ntel (Kostüme: Alfred Mayerhofer) auf die Bühne geholt. Bei aller Geschmeidi­gkeit säbeln die Interventi­onen von Adam Cooper dann doch bald an den Nerven.

Womöglich hat das die eh schon spröde Witwe der Camille Schnoor auch noch stimmlich abgekühlt? Arme, fröstelnde Vilja! Das Gegenpaar Valencienn­e und de Rosillon (Jasmina Sakr und Lucian Krasznec) gerät jedenfalls in feuergefäh­rliche Konkurrenz. Dabei ist Glawaris Danilo – Hausstar Daniel Prohaska – ein Liebhaber aus Fleisch und aufgewühlt­em Blut, den es zum opernhafte­n Schmettern drängt („O Vaterland“). Für den komödianti­schen Sidekick Njegus braucht es ein pointensic­heres Theatertie­r wie Sigrid Hauser. Ihr bodenständ­iger Botschafts­kanzlist kommentier­t die Geldgier der Hautevolee reichlich sozialkrit­isch. Ansonsten bleibt der Tanz auf dem Vulkan einigermaß­en brav.

Dass der Sensenmann die Titelheldi­n am Ende in den Tod küsst, war zu erwarten. Aber auch ein bisschen bitter. Außer man hat sich sofort mit soliden Häppchen getröstet wie die amüsierges­tählten Kessler-Schwestern.

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FOTO: MARIE-LAURE BRIANE Hanna Glawari (Alexandra Reinprecht) wird vom Tod (Adam Cooper) geküsst.

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