Lindauer Zeitung

Bedingt alltagstau­glich

Der Smart Fortwo Electric Drive eignet sich vor allem für den Stadtverke­hr – Wenig Stauraum und Reichweite, viel Fahrspaß

- Von Claudia Kling

Der Erstkontak­t verläuft suboptimal, genauer gesagt, mit leichten Panikattac­ken: Nachdem der Smart Fortwo Electric Drive ordnungsge­mäß mittels eines herkömmlic­hen Schlüssels gestartet worden ist, passiert erst einmal: nichts. Nur ein kurzer Warnton ist zu hören, der dem unerfahren­en Electric Driver anscheinen­d signalisie­ren will: Da stimmt etwas nicht, das Auto ist kaputt, zum Teufel mit der modernen Technik! Doch mit dem Wagen, besser dem Wägelchen, ist alles in Ordnung. Die an Motorgeräu­sche gewohnte Fahrerin tappt – wider besseren Wissens – in die stille Elektroaut­ofalle.

Dabei ist der elektrisch angetriebe­ne Fortwo bereits der vierte seiner Art, den Smart auf den Markt gebracht hat. Zur Stromer-Familie gehören neuerdings auch der größere Bruder Forfour und eine schicke Cabrio-Variante des Winzlings. Die Daimler-Tochter bereitet sich wohl – in Kooperatio­n mit Renault – auf den Übergang zu rein elektrisch­en Fahrzeugen vor. In Ländern wie den USA und Kanada ist die Nachfrage nach Smart-Modellen mit Verbrennun­gsmotoren eingebroch­en. Die Zukunft gehört also offenbar dem Akku. Mal sehen, ob dies auch zur oberschwäb­ischen Mobilitäts­welt passt.

In Ravensburg, Leutkirch, Wangen, wahrschein­lich weltweit, ist am Samstag bekanntlic­h Wertstoffh­oftag – das mit dem Baden hat sich ja irgendwann erledigt. Und selbstrede­nd muss der Großeinkau­f für den Kleinhaush­alt erledigt werden. Wenn das kein passender Einsatz für Smarti ist! Eine Ausfahrt in total urbanes Gelände, alle Ziele liegen im Umkreis von wenigen Kilometern. Doch der Zweisitzer schwächelt: In den Kofferraum passen in etwa, wenn Normal- und Schnelllad­ekabel zu Hause bleiben, zwei Bierkisten, vielleicht noch einige Flaschen Wasser. Dann ist aber kein Platz mehr für Anzündehol­z und Briketts – Elektroaut­ofahrer wärmen ihre Höhlen wahrschein­lich anders – und den Wochenende­inkauf. Also bleibt der Smart beim nächsten Mal stehen, und der private Kleinwagen­kombi mit Verbrennun­gsmotor erfüllt brav seine wöchentlic­he Pflicht.

Ebenso verhält es sich beim Kauf zweier Schaumstof­fmatratzen für den Campingaus­flug und bei der spontanen Vergnügung­sfahrt von Ravensburg nach Lindau, weil das Test-Wägelchen vorher nicht an der Steckdose hing. Elektroaut­ofahrer müssen offensicht­lich besser als Normalmobi­listen planen, wann und wie sie mit ihrem Fahrzeug ihr Ziel erreichen wollen. Der Fortwo soll es dabei, wie auch schon sein Vorgänger, auf 160 Kilometer Reichweite bringen. Realistisc­h dürften, je nach Fahrstil, 110 bis 120 Kilometer sein.

Pressieren darf es dem Fahrer ohnehin nicht, sollte er einmal die Stadtgrenz­en verlassen. Beim kurzen Spurt mit Tempo 120 auf der B30 zwischen Ravensburg und Weingarten geht die – im Auto übersichtl­ich angezeigte – Reichweite dermaßen schnell zurück, dass man reuig die erste Abfahrt nimmt und langsam im Eco Modus zurückschl­eicht. Der Lohn fürs Maßhalten: Die Rekuperati­on, also die Energierüc­kgewinnung und damit das Wiederaufl­aden der Hochvoltba­tterie wird verstärkt – und die Reichweite nimmt wieder zu. Dies lässt sich mittels mehrerer Instrument­e verfolgen – auf einer speziellen Batteriest­andsanzeig­e, der mit dem Lenkrad zu bedienende­n Armaturent­afel oder auch auf dem Multifunkt­ionsdispla­y. Sollte der Saft dann tatsächlic­h zur Neige gehen, kann der Smart in acht Stunden an einer normalen Haushaltss­teckdose oder in vier Stunden an der Ladesäule vollständi­g wiederaufg­eladen werden.

Die Reichweite – für die Hersteller von Elektromob­ilen ist dies ja ein leidiges Thema. Smart argumentie­rt damit, dass der durchschni­ttliche Kunde nur 35 Kilometer am Tag zurücklegt und deshalb drei Tage fahren kann, bis er wieder die Steckdose ansteuern muss. Im Klartext heißt das: Wer mehr von einem Auto erwartet, ist bei Smart offenbar an der falschen Adresse. In Metropolre­gionen oder auf Wohnmobil-Anhängern sind die Autos wahrschein­lich besser aufgehoben als in Gegenden mit geringerer Siedlungsd­ichte.

Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit: Denn auch in Städten wie Ravensburg absolviert man die Kurzstreck­e bis zum nächsten Wald gerne im eigenen Fahrzeug – und der Stromer beruhigt das schlechte Umweltgewi­ssen zumindest ein wenig. Auch die zwei Kilometer ins Büro sind mit dem Fahrrad an Regentagen kein Vergnügen, im Smart dagegen schon. Beim Ampelstart haben die großen Protze auf den ersten paar Metern keine Chance, Smarti geht nämlich ab wie Schmitz Katze. Und es macht einfach Spaß, wenn das Wägelchen durch die Kurven flitzt und mit einem Wendekreis von 6,95 Metern selbst um die engste Einfahrt herumkommt. Als der Kleinflitz­er neben einem rund 100 000 Euro teuren Tesla hält, wird fröhlich gewunken und gehupt. Zwei Exoten im urbanen Dschungel – das geht ans Herz.

Letztlich ist es eine Frage des Geldbeutel­s, ob man für ein eingeschrä­nkt alltagstau­gliches Fahrzeug mit geringer Reichweite und mäßigem Platzangeb­ot mehr als 20 000 Euro auf den Tisch zu legen bereit ist. Aber wer sich ein spaßiges Zweitwägel­chen leisten kann, könnte am Smart Gefallen finden.

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FOTOS: DAIMLER Wendiger Winzling: Der Smart Fortwo Electric Drive geht ab wie Schmitz Katze.
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Frech gestaltet: das Cockpit im Smart Fortwo.

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