„Über Posten wird am Schluss gesprochen“
Agnieszka Brugger über grüne Vizekanzler, Umweltziele und den neuen Bundestag
BERLIN - Gegen Steuersenkungen für Besserverdienende und für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Klima spricht sich die grüne Abgeordnete Agnieszka Brugger im Interview mit Sabine Lennartz aus.
Frau Brugger, kommt Jamaika so sicher, dass die Grünen jetzt schon einen weiteren Vizekanzler für sich fordern?
Über Posten wird erst am Schluss gesprochen. Wir haben nur klargemacht, dass es in einer so komplizierten Konstellation eine Koordination auf Augenhöhe für alle Parteien braucht, wenn man verlässlich regieren will. Wie das konkret aussehen kann, ist offen. Wir Grüne haben immer gesagt, dass wir mit großer Standfestigkeit und zugleich mit ausgestreckter Hand in die Sondierungen gehen, aber dass es ergebnisoffene Gespräche sind. Uns geht es darum, gründlich zu prüfen, ob es eine belastbare gemeinsame Grundlage für vier Jahre gibt, in der wir unsere Inhalte Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, ein weltoffenes Deutschland in einem starken Europa und eine verantwortungsvolle Außen- und Sicherheitspolitik umsetzen können. Wir werden die Ergebnisse der Sondierungsgespräche schriftlich festhalten und ein grüner Parteitag wird über mögliche Koalitionsverhandlungen entscheiden.
Jetzt geht es bei den Jamaika-Verhandlungen ans Eingemachte. Was ist für Sie der schwierigste Punkt? Finanzen, Klima oder Flüchtlinge?
Auch wenn die Atmosphäre am Freitag in Teilen durchaus konstruktiv war, täuscht das nicht darüber hinweg, dass es bei vielen Themen in der Sache immer noch große Differenzen gibt. Beispielsweise beim wichtigen Punkt Haushalt und Finanzen, beginnend mit der Frage, welche Spielräume es da gibt und wie man sie nutzen will. Für uns Grüne müssen Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Klima Vorrang vor Steuersenkungen haben, die nur Besserverdienern helfen. Auch die Themen Klimaschutz, Verkehr und Landwirtschaft waren sehr schwierig, und beim Thema Außen- und Sicherheitspolitik sehe ich von den Rüstungsexporten über Auslandseinsätze bis zum Zwei-Prozent-Ziel noch gehörigen Diskussionsbedarf. Ebenso natürlich bei der Flüchtlingspolitik.
Also alles schwierig?
Nein, es gibt Punkte, bei denen auch mögliche Annäherungen sichtbar wurden. Die Union, gerade die CSU, hat einen Fokus auf Soziales und das Thema Pflege gelegt. Da sind wir Grüne sehr aufgeschlossen und freuen uns, dass wir nicht die Einzigen sind, die das Thema soziale Gerechtigkeit ins Spiel bringen – obwohl es auch hier bisher noch keine Einigkeit über die besten Instrumente gibt. Dann gab es noch interessante Gemeinsamkeiten beim Thema Entwicklungszusammenarbeit. Ich habe keinen Dissens mit Entwicklungsmichen nister Müller in der Frage, dass Deutschland mit dem 0,7-ProzentZiel sein Versprechen bei der Entwicklungszusammenarbeit endlich auch einhält.
Die Union hat als ihre Priorität Leistungen für die Familien genannt. Was ist Ihre?
Auch hier sind wir uns im Ziel einig, diskutieren aber über die richtigen Wege. Wir Grüne wollen Kinder aus der Armut holen und Familien fördern. Uns ist wichtig, zuerst die zu unterstützen, die es sehr schwer haben. Alleinerziehende brau- mehr Unterstützung und Kinder müssen finanziell besser und gerechter gefördert werden. Für uns Grüne ist außerdem zentral, dass Deutschland seine internationalen Verpflichtungen beim Thema Klimaschutz einhält. Wir müssen konkret in den Bereichen Energie, Landwirtschaft, Verkehr Wege finden, wie wir die Klimaziele erreichen können. Die grünen Ideen liegen auf dem Tisch. Von den anderen Parteien habe ich dazu noch viel zu wenig gehört.
Am Dienstag ist die konstituierende Sitzung des neuen Bundestags. Was ändert sich mit dem Einzug der AfD?
Ich kann mir noch gar nicht so recht ausmalen, wie sich die Debatten im Bundestag verändern werden. Ich befürchte, dass es eine Verrohung der Debatten durch die Beiträge rechter Hetzer geben wird. Die anderen Parteien werden deutlich machen müssen, dass bestimmte Spielregeln in unserer Demokratie nicht infrage gestellt werden dürfen und wir dabei trotz aller Differenzen zusammenhalten. Und dass wir trotzdem zeigen, wie unterschiedlich wir sind, dass wir verschiedene Lösungen und Antworten für die anstehenden Probleme haben. Dafür braucht es keine selbst ernannten Alternativen, die eigentlich nur eine Schande für Deutschland sind.