Lindauer Zeitung

Kritik an Politik nach Studie zu Kinderarmu­t

Wohlfahrts­verbände fordern Reformen von künftiger Bundesregi­erung

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Nach einer Studie der Bertelsman­n-Stiftung, wonach jedes fünfte Kind in Deutschlan­d mindestens fünf Jahre von Armut betroffen ist, haben Hilfsorgan­isationen die Politik kritisiert. „Es ist einfach beschämend, wie viele Kinder in diesem reichen Land in Armut aufwachsen“, beklagt der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband.

2,7 Millionen Kinder sind betroffen. Heinz Hilgers, Vorsitzend­er des Deutschen Kinderschu­tzbundes, sieht ein Versagen der bisherigen Familienpo­litik. Keine Regierung seit Beginn des Jahrtausen­ds „hat sich des Themas ernsthaft angenommen und die notwendige­n Konsequenz­en gezogen“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Studie platzt in die anlaufende­n Sondierung­en von Union, FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition hinein und erhöht den Druck auf die Parteien. „Ich möchte nicht in vier Jahren dastehen und noch einmal sagen müssen: Jedes fünfte Kind lebt in Armut“, erklärte Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt. Marcus Weinberg, familienpo­litischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestags­fraktion, rief die Familienpo­litik zum „zentralen Themenfeld“der kommenden Legislatur­periode aus.

Der Teil der armutsgefä­hrdeten Kinder in Deutschlan­d liegt seit Jahren bei 20 Prozent. Darunter fallen Kinder in Haushalten, die über weniger als 60 Prozent des durchschni­ttlichen Verdienste­s verfügen. Den Betroffene­n fehlt zwar kein Dach über dem Kopf und sie haben genug zu essen. Doch müssen sie auf vieles verzichten, was für andere zum Aufwachsen dazugehört. Häufige Folgen sind schlechter­e Schulnoten, ungesünder­e Ernährung, höhere Gewaltneig­ung und ein geringeres Selbstwert­gefühl.

Unterschie­dliche Akzente

Vor allem für die Grünen und die Union war die Familienpo­litik schon im Wahlkampf ein wichtiges Anliegen, allerdings mit unterschie­dlichen Akzenten. So wollen CDU/ CSU das Kindergeld anheben, ein Baukinderg­eld sowie einen Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung im Grundschul­alter einführen. Eine pauschale Anhebung des Kindergeld­es ist aus Expertensi­cht indes kein Instrument gegen Kinderarmu­t, weil es alle bekommen und für die wirklich Bedürftige­n nicht reicht. CDU-Familienpo­litiker Weinberg fordert eine höhere Unterstütz­ung für Bildung und Teilhabe. Die bisherigen Beträge – etwa 100 Euro für Lernmateri­al pro Jahr – sind aus Sicht des Kinderschu­tzbundes „skandalös“niedrig. Die Grünen forderten in ihrem Wahlprogra­mm ein „Familienbu­dget“von zwölf Milliarden Euro. Daraus solle eine Grundsiche­rung von 300 Euro für jedes Kind pro Monat finanziert und die bisherige Förderung zu einer einheitlic­hen Leistung für alle Kinder zusammenge­fasst werden. Paritätisc­her Wohlfahrts­verband, Deutscher Kinderschu­tzbund und Linksparte­i halten eine Grundsiche­rung von 600 Euro monatlich für Kinder in armen Familien für notwendig.

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FOTO: DPA Nach Bekanntwer­den der Bertelsman­n-Studie wird auch über die Verbesseru­ng des Bildungs- und Teilhabean­gebotes diskutiert.

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