Mit Liebe und Leidenschaft zum Detail
Kirill Petrenko dirigiert am See Mahlers VII. Symphonie
BREGENZ - Einhundert Musikerinnen und Musiker drängen sich auf der Bühne des Festspielhauses und trotzdem klingt die Musik, als wäre sie leichthändige Kammermusik: Kirill Petrenko und das Symphonieorchester Vorarlberg (SOV) sind bei ihrem Zyklus Mahler 9x9 bei der siebten Symphonie angekommen und brachten das 80-minütige Werk im Montforthaus Feldkirch und im Festspielhaus Bregenz zur umjubelten Aufführung.
Man kann sich immer wieder nur wundern und freuen, dass Petrenko und das SOV dieses 2008 begonnene Projekt so konsequent durchziehen: In alter Verbundenheit zu dem Orchester, in dem früher sein verstorbener Vater Geige gespielt hatte und in dem immer noch Kollegen aus den ersten Studienjahren am Vorarlberger Landeskonservatorium musizieren, hatte er den Plan gefasst, alle neun vollendeten Mahler-Symphonien einzustudieren und aufzuführen. Inzwischen hat sich die Welt um den gebürtigen Russen, der im Alter von 18 Jahren mit der Familie nach Vorarlberg kam, bekanntermaßen enorm verdichtet: Engagements bei großen Orchestern, drei legendär gewordene Sommer mit Wagners „Ring des Nibelungen“bei den Bayreuther Festspielen, die Berufung zum Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper und nun auch zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker halten den 45-Jährigen in Atem.
Und egal, wo er ist und mit wem er arbeitet, seine akribische Probenarbeit beflügelt und fordert Musiker wie Sänger heraus, sein tiefes Eindringen in die Partituren fördert manches zutage, das man so noch nicht gehört zu haben glaubt.
Auch beim Symphonieorchester Vorarlberg, das sich aus einem großen Mitgliederpool ja immer wieder neu formiert und für die MahlerSymphonien noch erweitert wird, ist das geradezu greifbar. Die Musikerinnen und Musiker wachsen über sich hinaus, geben alles, erarbeiten sich binnen kurzer Zeit diese anspruchsvolle Musik, die selbst für die Kollegen der großen Orchester keineswegs alltäglich ist.
Kirill Petrenko wiederum hält mit seiner drahtig energiegeladenen Körpersprache, seiner plastischen Nachzeichnung selbst kleinster Figuren, seiner intensiven Mimik Kontakt zu jedem und jeder Einzelnen auf dem Podium. Höchstspannung, Dramatik, Kontraste und ein riesiger Bogen sind das musikalische Ergebnis. Begeisterung und Überwältigung reißen das Publikum mit.
Begeisterung reißt Publikum mit
Mahlers Siebte ist während der Sommerferien in den Jahren 1905 und 1906 entstanden: Ein Ruderschlag auf dem Wörthersee soll die Inspiration für den Beginn der Symphonie gebracht haben, in den Wochen danach habe er sie in einem „gewaltigen Furor“, so Gattin Alma, niedergeschrieben. Ferienidylle hört man in dem fünfsätzigen Werk weniger heraus, eher den „Furor“, der sich in großen Kontrasten, geschärften Punktierungen und Schicksalsklängen äußert. Bedrohliches und Liebliches, schmetternde Fanfaren, innige Lyrik und wilder Tanz treffen aufeinander.
Zahlreiche Soli bei den Holz- und Blechbläsern, den Stimmführern der Streicher oder den beiden Harfenistinnen heben sich aus dem bewegten Treiben hervor. Zwei im Charakter höchst unterschiedliche „Nachtmusiken“umschließen ein wisperndes Scherzo unter der Satzüberschrift „schattenhaft fließend“. Mit dem gewaltigen Einleitungssatz und dem virtuos alle Register ziehenden Finale offenbart Petrenko sein Gespür für die große Architektur dieses Werks.