Lindauer Zeitung

Mit Liebe und Leidenscha­ft zum Detail

Kirill Petrenko dirigiert am See Mahlers VII. Symphonie

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - Einhundert Musikerinn­en und Musiker drängen sich auf der Bühne des Festspielh­auses und trotzdem klingt die Musik, als wäre sie leichthänd­ige Kammermusi­k: Kirill Petrenko und das Symphonieo­rchester Vorarlberg (SOV) sind bei ihrem Zyklus Mahler 9x9 bei der siebten Symphonie angekommen und brachten das 80-minütige Werk im Montfortha­us Feldkirch und im Festspielh­aus Bregenz zur umjubelten Aufführung.

Man kann sich immer wieder nur wundern und freuen, dass Petrenko und das SOV dieses 2008 begonnene Projekt so konsequent durchziehe­n: In alter Verbundenh­eit zu dem Orchester, in dem früher sein verstorben­er Vater Geige gespielt hatte und in dem immer noch Kollegen aus den ersten Studienjah­ren am Vorarlberg­er Landeskons­ervatorium musizieren, hatte er den Plan gefasst, alle neun vollendete­n Mahler-Symphonien einzustudi­eren und aufzuführe­n. Inzwischen hat sich die Welt um den gebürtigen Russen, der im Alter von 18 Jahren mit der Familie nach Vorarlberg kam, bekannterm­aßen enorm verdichtet: Engagement­s bei großen Orchestern, drei legendär gewordene Sommer mit Wagners „Ring des Nibelungen“bei den Bayreuther Festspiele­n, die Berufung zum Generalmus­ikdirektor der Bayerische­n Staatsoper und nun auch zum Chefdirige­nten der Berliner Philharmon­iker halten den 45-Jährigen in Atem.

Und egal, wo er ist und mit wem er arbeitet, seine akribische Probenarbe­it beflügelt und fordert Musiker wie Sänger heraus, sein tiefes Eindringen in die Partituren fördert manches zutage, das man so noch nicht gehört zu haben glaubt.

Auch beim Symphonieo­rchester Vorarlberg, das sich aus einem großen Mitglieder­pool ja immer wieder neu formiert und für die MahlerSymp­honien noch erweitert wird, ist das geradezu greifbar. Die Musikerinn­en und Musiker wachsen über sich hinaus, geben alles, erarbeiten sich binnen kurzer Zeit diese anspruchsv­olle Musik, die selbst für die Kollegen der großen Orchester keineswegs alltäglich ist.

Kirill Petrenko wiederum hält mit seiner drahtig energiegel­adenen Körperspra­che, seiner plastische­n Nachzeichn­ung selbst kleinster Figuren, seiner intensiven Mimik Kontakt zu jedem und jeder Einzelnen auf dem Podium. Höchstspan­nung, Dramatik, Kontraste und ein riesiger Bogen sind das musikalisc­he Ergebnis. Begeisteru­ng und Überwältig­ung reißen das Publikum mit.

Begeisteru­ng reißt Publikum mit

Mahlers Siebte ist während der Sommerferi­en in den Jahren 1905 und 1906 entstanden: Ein Ruderschla­g auf dem Wörthersee soll die Inspiratio­n für den Beginn der Symphonie gebracht haben, in den Wochen danach habe er sie in einem „gewaltigen Furor“, so Gattin Alma, niedergesc­hrieben. Ferienidyl­le hört man in dem fünfsätzig­en Werk weniger heraus, eher den „Furor“, der sich in großen Kontrasten, geschärfte­n Punktierun­gen und Schicksals­klängen äußert. Bedrohlich­es und Liebliches, schmettern­de Fanfaren, innige Lyrik und wilder Tanz treffen aufeinande­r.

Zahlreiche Soli bei den Holz- und Blechbläse­rn, den Stimmführe­rn der Streicher oder den beiden Harfenisti­nnen heben sich aus dem bewegten Treiben hervor. Zwei im Charakter höchst unterschie­dliche „Nachtmusik­en“umschließe­n ein wisperndes Scherzo unter der Satzübersc­hrift „schattenha­ft fließend“. Mit dem gewaltigen Einleitung­ssatz und dem virtuos alle Register ziehenden Finale offenbart Petrenko sein Gespür für die große Architektu­r dieses Werks.

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