Kunst zum Schmunzeln und Nachdenken
Im Lindenberger Löwensaal gibt es ein breites Spektrum künstlerischen Schaffens
LINDENBERG - Wie stellt man fluffige Wolken mit schwarzer Farbe dar? Wie bannt man weißen Schnee auf Papier, der sich als weiche Decke über ein Feld legt – nur mit Tusche und Feder? Die Antwort gibt Karin Scheithe-Kühnbach. Für ihre Federzeichnungen „Februar“und „März“hat die Dietmannsriederin den diesjährigen Westallgäuer Kunstpreis erhalten. Mit fein platzierten Strichen schafft sie Bäume in einer Winterlandschaft, die durch ihre Reduziertheit die Ruhe eines klaren Morgens ausstrahlen. Verliehen wurde die mit 1250 Euro dotierte, von der Volksbank gestiftete, Auszeichnung bei der Eröffnung der Westallgäuer Kunstausstellung. Die Werkeschau im Lindenberger Löwensaal präsentiert sich auch heuer wieder in gewohnter Manier.
Die 126 Arbeiten von 66 Ausstellenden bilden ein breites Spektrum des künstlerischen Schaffens in sehr unterschiedlicher Qualität ab. Auffallend ist, dass sich der Großteil der Werke in einer harmonischen Hängung präsentiert. Der Grund: Die knalligen Farben fehlen, die meisten Arbeiten sind Ton in Ton.
Tiefschwarz bis erdig braun zeigen sich die überlebensgroßen Skulpturen des „Moorspaziergang“von Max Schmelcher – aber keinesfalls farblos. Der Scheidegger Künstler setzt mit der Figurengruppe ein Ausrufezeichen und lässt einmal mehr staunen: Wie hat er es nur geschafft, sein Grundmaterial aus dem Moor in die nur wenige Zentimeter flachen, aber hoch aufragenden Figuren eines Mannes, einer Frau und eines Hundes zu bringen, die so plastisch, so massiv und gleichzeitig so zerbrechlich wirken? Allein mit ihrer materiellen Präsenz ziehen sie immer wieder den Blick auf sich.
Arbeiten regen Denkprozess an
Dieser schweift bei einem Rundgang durch die Ausstellung über Gefälliges genauso wie über Arbeiten, die einen Denkprozess anregen. Da sind beispielsweise die humorvollen Holzarbeiten von Mareike Lemke. „Guten Rutsch“, die goldene Bananenschale aus Lindenholz, und die Zirbenholzfigur gleich daneben lassen schmunzeln. Letztere trägt den Titel „Italienische Schuhe“, dahinter verbirgt sich ein Männlein; lässig steht es da, die linke Hand in der Hosentasche, in der rechten eine Zigarette, den Hut quer über die Glatze und mit einem Auge schelmisch zwinkernd – nur von den Schuhen sieht man nichts.
Fotografien mit starker Wirkung
Starke Wirkung entfalten mehrere Fotografien. „Glück“von Ragela Bertoldo zum Beispiel hält einen gefangen. Der Blick des barfüßigen Mädchens im weißen Hemd ist derart herausfordernd, dass man sich unwillkürlich fragt, ob ihr oder dem Stoffhasen, den sie fest an ihre Brust gedrückt hält, Unrecht getan wurde. Bertoldo ist in dieser Ausstellung in guter Gesellschaft. Es scheint, dass immer mehr Künstler zur Fotokamera greifen.
Freunde der Fotografie dürften an der Sonderschau auf der Bühne große Freude haben. Dabei zeigt Werner Stuhler anlässlich seines 90. Geburtstags eine Retrospektive seines Schaffens und liefert mit 20 Bildern Meisterhaftes aus der Dunkelkammer. Stuhler versteht es, auf der einen Seite den entscheidenden Moment einzufangen und auf der anderen Seite die Wirklichkeit derart zu abstrahieren, dass man erst durch intensives Betrachten das ursprüngliche Motiv wenigstens erahnen kann.
„Alte Frau aus Mallorca“spiegelt – obwohl in Schwarz-Weiß – das ganze Lebensgefühl der mediterranen Insel wider: Eine Greisin geht vom Alter gebückt eine in Sonnenschein getauchte Treppe vor einer gleißend weißen Hauswand hinunter und lächelt dabei. Was wie ein Schnappschuss erscheinen mag, ist eine gekonnte Komposition, sagt viel aus über Stuhlers Gespür für den Augenblick. Ausgewogene Gestaltung und Detailreichtum sind Markenzeichen seiner dokumentarischen Arbeit.
Seine Fotografiken, bei denen grafische Kriterien oder Abstraktion im Vordergrund stehen, stimmen nachdenklich – wie „Verstrahlte Erde“, Teil der „Fukushima Variationen“. Ein heller Feuerball strahlt über kargem Land, das sich um sich selber zu drehen scheint. Man will sich gar nicht ausmalen, wie die Wirklichkeit ausgesehen hätte, wäre die Fuku-shima-Katastrophe eines noch größeren Ausmaßes gewesen.