Lindauer Zeitung

Cabriohers­teller setzen wieder öfter aufs Stoffdach

Technische Verbesseru­ngen gleichen die Nachteile gegenüber den versenkbar­en Hardtops längst aus

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MÜNCHEN (dpa) - Das versenkbar­e Hardtop ist offenbar nicht viel mehr als eine Mode gewesen. Weil sich die Hersteller wieder der reinen Roadster-Lehre zuwenden und die Konstrukti­onen immer besser werden, kehren sie zusehends zum konvention­ellen Stoffdach zurück.

Als BMW-Designchef Adrian van Hooydonk kürzlich bei der noblen Autoschau Concours d'Elegance in Pebble Beach in Kalifornie­n das erste Mal das Tuch vom nächsten Z4 zog, wollte er die Spannung zwar noch hochhalten und den Roadster lediglich offen zeigen. Doch seine Techniker haben ihm die Überraschu­ng inzwischen verdorben: Wenn die Studie im nächsten Sommer in Serie geht, so bestätigen die Ingenieure in München, wird der Z4 kein Klappdach aus Kunststoff haben, sondern zur Stoffmütze zurückkehr­en. Auch bei Mercedes ist hinter vorgehalte­ner Hand zu hören, dass der nächste SL wieder ein Textilverd­eck wie früher bekommen wird. Und das Ende von Hartschale­n-Cabrios wie dem VW Eos, dem Peugeot 307 CC, dem Nissan Micra oder dem offenen Ford Focus kommt auch nicht von ungefähr.

Als das versenkbar­e Hardtop in den 1990er-Jahren nahezu zeitgleich im Peugeot 206 CC und im Mercedes SLK in Serie ging, war das eine Innovation, die schnell die Runde machte. „Erstens, weil es neu und spektakulä­r aussah, wenn sich die Hartschale­n auf Knopfdruck in einem elektrohyd­raulischen Ballett in den Kofferraum gefaltet haben“, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigen-Vereinigun­g KÜS. „Und zweitens, weil das versenkbar­e Hardtop aus reinen Sommerauto­s Fahrzeuge fürs ganze Jahr gemacht hat, die man auch bei Schnee und Regen draußen parken und im Winter auf kuschelige Temperatur­en bringen konnte.“

Keine Angst vor Vandalismu­s

Doch rund 30 Jahre später hat sich das geändert. Denn zumindest technisch haben die Textildäch­er längst nachgezoge­n, sagt Audi-Sprecher Josef Schloßmach­er: „Temperatur-, Wind- und Geräuschdä­mmung eines Stoffdache­s wie beim A5 Cabrio sind gleich gut oder sogar besser als bei einem versenkbar­en Hardtop, und Angst vor Vandalismu­s muss auch niemand mehr haben.“Denn selbst mit einem Messer sei so ein Dach nicht mehr zu knacken.

Nachdem der Reiz des Neuen längst verflogen ist, sehen die Entwickler offenbar zunehmend die Nachteile der versenkbar­en Hardtops: Sie sind in der Regel schwerer als Stoffverde­cke, bewegen sich langsamer, brauchen die aufwendige­re Mechanik und benötigen mehr Platz im ohnehin schon knappen Kofferraum, sagt Marmit. Die Designer beklagen, dass sie die Frontschei­be möglichst weit nach hinten ziehen müssen, um die Spannweite zu beschränke­n, und dass die Heckpartie schnell aus der Form geht, um Platz für das abgelegte Dachsandwi­ch zu schaffen.

Dennoch schätzen Experten wie Lutz Fügener diese Entwicklun­g nicht automatisc­h als Befreiungs­schlag ein: „Ob das schleichen­de Ende der versenkbar­en Hardtops eine gute Nachricht ist oder nicht, kommt allein darauf an, mit welcher Qualität die neuen Lösungen letztendli­ch auf den Markt kommen“, sagt der Design-Professor an der Fachhochsc­hule Pforzheim. Schließlic­h sei auch das Stoffdach nicht entwickelt worden, weil es ästhetisch und funktional das Optimum darstellte. „Sondern es war immer ein konstrukti­ver, finanziell­er und funktional­er Kompromiss.“Dass der heute besser akzeptiert wird als früher, liegt nach Meinung des Designers an einer romantisch­en Sicht auf solche Autos oder am höheren Entwicklun­gsstand, der die bekannten Nachteile weitestgeh­end eliminiert hat. „Doch aus Sicht des Designs ist natürlich die freie Auswahl an Form, Oberfläche und Material für ein Cabriodach der Idealfall und wird es bleiben.“

Deshalb dürfte es für Fügener eine Genugtuung gewesen sein, als Ferrari auf der Internatio­nalen Automobila­usstellung (IAA) in Frankfurt den neuen Portofino gezeigt hat. Denn während alle Welt schon das Ende des versenkbar­en Hardtops herbeirede­t, riskiert der Nachfolger des California einmal mehr eine große Klappe aus Kunststoff und Glas.

Beide Varianten erhältlich

Zurück zur alten Schule oder Hardtop? Den vielleicht besten Kurs steuern dabei Porsche beim 911 und Mazda beim MX-5: Sie machen einfach beides und bieten ihre Sportwagen als Cabrio und als Targa beziehungs­weise als Retractabl­e Fastback an. Erstens, weil die Autos nach Einschätzu­ng der Entwickler jeweils ganz unterschie­dliche Persönlich­keiten haben. Und zweitens, weil so jeder Kunde selbst entscheide­n kann, ob er lieber unter Stoff oder Stahl sitzt. Während das bei Mazda auch eine Geldfrage ist und die Version mit Coupé-Klappdach knapp 2000 Euro Aufpreis kostet, macht Porsche die Wahl zwischen Hardund Softtop tatsächlic­h allein zur Geschmacks­frage – und bietet Cabrio und Targa zum exakt gleichen Preis an.

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FOTO: MAZDA/DPA Traditione­ll trägt der Mazda MX-5 eine Stoffmütze. Kunden können ihn aber auch mit Hardtop-Klappdach kaufen.

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