Lindauer Zeitung

Nur postfaktis­ch ein scharfes Schwert

Desillusio­niert wendet sich Perikles Simon nach zehn Jahren von der Dopingfors­chung ab

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FRANKFURT (dpa) - Der letzte Auftritt von Perikles Simon als Anti-Doping-Experte geriet zur harschen Abrechnung. „Dopingtest­s sind ideologisc­he Maßnahmen. Wir wissen nicht, wie effektiv sie sind“, befand der Sportmediz­iner und Neurobiolo­ge aus Mainz beim Anti-DopingWork­shop der Deutschen TriathlonU­nion in Frankfurt. „Die Dopinganal­ytik ist nur postfaktis­ch ein scharfes Schwert“, stellte Simon fest. „Athleten können das ganze Jahr vollgestop­ft zu Wettbewerb­en antreten.“

Die Biochemike­r in den Kontrollla­bors führten einen fast aussichtsl­osen Kampf, wenn Doper neue Designermi­ttel oder Testostero­n mit tierischen Molekülen nutzten. Ein weiteres Problem: Bei neuen Medikament­en ließen sich die Pharma-Unternehme­n auch die Nachahmerp­rodukte patentiere­n. „Da hat man einen Pool von 200 Produkten, den man in China herstellen kann. Diese Spielwiese an Dopingpräp­araten kann nicht nachgewies­en werden“, erklärte Simon. Lächerlich sei es deshalb, ein „Zentrum für Präventive Dopingfors­chung in Köln“einzuricht­en.

„Es war ein nettes Hobby“

Die Zahlen der Welt-Anti-DopingAgen­tur stützen Simons Kritik: 2014 waren von rund 283 000 Tests 1,36 Prozent auffällig, 1,1 Prozent waren es 2015. Auch eine Befragung der Starter der Leichtathl­etik-WM 2011, an der er mitwirkte, hat Simons Zweifel genährt: Fast ein Drittel der WMAthleten nämlich gab damals anonym zu, zu dopen.

Für Perikles Simon sind aber nicht die Mängel von Kontrollsy­stem und Analytik der entscheide­nde Grund, der Dopingfors­chung den Rücken zu kehren. Vielmehr hat er auch resigniert („Es war ein nettes Hobby!“), weil die Verantwort­lichen im AntiDoping-Kampf – Wada oder Nationale Anti-Doping-Agentur – aus seiner Sicht wissenscha­ftliche oder ethische Kritik oft abblockten, ignorierte­n, sogar diskrediti­erten oder Informatio­nen und Daten zurückhiel­ten, um das Kontrollsy­stem nicht zu gefährden. „Die Leute, die für diesen Job bezahlt werden, halten es nicht für notwendig, unsere Publikatio­nen durchzules­en. Von der Nada gab es keinen einzigen Versuch, mich an den Tisch zu bringen“, sagte Simon. „Das ist das, was ich in zehn Jahren Anti-DopingKamp­f mitgenomme­n habe.“

Besonders entsetzt Simon aber der Umgang mit den sauberen Athleten, die durch das Kontrollsy­stem geschützt werden sollten. „Ich würde mir wünschen, dass man Athleten und ihre Eltern super aufklärt“, sagte der 44-Jährige. Schließlic­h müssten sie auf gravierend­e Persönlich­keitsrecht­e verzichten – durch die Meldepflic­ht etwa und die in die Intimsphär­e reichenden Dopingtest­s im Beisein eines Kontrolleu­rs.

Wenn Trainingsk­ontrollen nicht effektiver seien als Wettkampft­ests, wenn Daten im Meldesyste­m gehackt werden könnten oder die TestgüteQu­alität von EPO-Proben fraglich sei, müsse man es dem Sportler sagen. „Ich kann jedem Athleten, der sich nicht genug aufgeklärt fühlt, nur raten, die Athletenve­reinbarung nicht zu unterschre­iben“, sagte Simon. „Ich halte sie für ethisch-moralisch im höchsten Maße bedenklich.“

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FOTO: DPA Kehrt der Dopingfors­chung endgültig den Rücken: Perikles Simon (li.), hier mit einem Studenten beim Laufband-Belastungs­test.

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