„Entspannung kann wirklich schwer sein“
Tai-Chi-Unterricht - Eugen Schuhmann berichtet aus China
LINDAU - Gebratene Schlangen, eingelegte Echsen und mehrere Trainingseinheiten am Tag: Der Lindauer Tai-Chi-Trainer Eugen Schuhmann ist für vier Wochen in einer chinesischen Kampfschule, um professionell Tai Chi zu lernen. Für die LZ berichtet er über seine ersten Erfahrungen in China und verrät, warum jetzt der Bart ab ist.
„Hier dreht sich von 6 bis 21.30 Uhr alles nur um Kampfsport“, schreibt Eugen Schuhmann in einer Mail an die Lindauer Zeitung. Die Chinesen kämen oft schon als kleine Kinder in die Schule, um eine Berufsausbildung als Kampfsportler zu machen. Die Shifus (Lehrer) seien, außer dem Hauptshifu, alle sehr jung: „Sie haben die rund zwölfjährige Ausbildung durchlaufen, könnten aber aufgrund von Verletzungen nicht mehr in der Show- und Wettkampfgruppe trainieren.
Inzwischen unterrichten sie Schüler aus aller Welt. In der Gruppe von Eugen Schuhmann sind Schüler aus Deutschland, USA, Irland, Frankreich und Finnland. Doch der Lindauer sticht heraus: „Ich bin anscheinend nicht nur der älteste Schüler, sondern mit Abstand überhaupt der Älteste“, schreibt der 62-Jährige. Sein Alter sei immer wieder Thema. „Ich werde immer ganz freundlich gefragt wie alt ich bin.“
Joggen, Powertraining, Tai Chi, Meetings und Chinesisch-Unterricht: Die Tage von Eugen Schuhmann sind streng getaktet. Die Tai Chi-Form, die er dort lernt, sei eine sehr alte Form. Schön, aber auch sehr schwer, wie Schuhmann schreibt: „Es gibt sehr viele tiefe Stellungen. Loslassen in den Schultern, öffnen der Schultern. Damit habe ich echte Probleme. Entspannung kann wirklich schwer sein“, so seine Erfahrung. Konditionell gehe es „halbwegs“, aber er kämpfe mit Muskelkater: „Momentan habe ich etwas Probleme beim Treppen abwärts laufen“, schreibt er. Doch da muss er durch: Sein Zimmer ist im vierten Stock.
Große Erfolge hat Eugen Schuhmann beim Chinesisch-Unterricht. „Die Lehrerin ist wirklich begeistert und kann es nicht glauben, ich auch nicht, aber offensichtlich erwische ich immer die richtige Tonlage.“Das Lernen daheim habe sich gelohnt.
„Das Essen ist interessant“
Das Essen beschreibt der Lindauer als „interessant“: Er habe manchmal „keine Ahnung“, was er esse. Bisher hat er schon Sprossen, Tofugulasch, Gemüse und diverse Suppen gekostet. Die gebe es in riesigen Schüsseln mit einem „Riesenschöpfer, wie man es eigentlich nur aus Filmen kennt“, schreibt Schuhmann.
Der Koch gibt seinem ältesten Schützling immer noch einen extra Nachschlag. „Ich glaube, ich bin dann der erste, der nach vier Wochen China zugenommen hat.“Ausflüge hat er auch schon unternommen. Die Städte seien dreckig, Smog gehöre zur Tagesordnung. Die Chinesen erlebe er aber als „extrem freundlich“. In einer kleineren Ortschaft hatte der Lindauer dann ein einschneidendes Erlebnis mit einem Straßenfriseur.
Nach anfänglichem Zögern entschied sich der Vollbarträger zur Rasur. „Mein Gesicht wurde, bis auf den Oberlippenbart, rasiert und war seit Jahrzehnten nicht mehr so glatt. Um die Augen herum, auch Hals, Nacken, Augenbrauen, Nasenlöcher und Ohren – alles mit dem Rasiermesser.“Dafür wollte der Chinese noch nicht einmal Geld. „Ich habe ihn aber trotzdem bezahlt, etwa einen Euro.“
Die 1400 Stufen zu einem Tempel in den Yuntaimountains sowie den Besuch des Shaolin-Klosters wird der Lindauer sicher nie vergessen. In einem Tempel beobachtete er einen Priester, der Schlangen briet: „Zusammen mit eingelegten Echsen machte er einen schwarzen Sud und daraus Tinte. Dann werden daraus Glücksbringer gefertigt.“
Eugen Schuhmann ist in China ein beliebtes Fotomotiv: Andauernd wollen ihn Kinder, aber auch Erwachsene mit dem Handy fotografieren. Schuhmann hat eine Erklärung dafür: „Alte wie mich sehen sie anscheinend selten.“