Lindauer Zeitung

Streit um Bewertung von Klinik-Qualität

Bund entwickelt neue Kriterien, doch Bayern will sie nicht anwenden

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Die Länder sollen nach dem Willen des Bundes Kliniken bei Qualitätsm­ängeln Zuschüsse streichen – doch Bayern und Baden-Württember­g ziehen nicht mit. Die Landesregi­erungen in Stuttgart und München fürchten, dass solche Sanktionen insbesonde­re kleinere Kliniken treffen könnten, und sehen eine landesweit gleichmäßi­ge Versorgung der Bevölkerun­g gefährdet.

STUTTGART/MÜNCHEN - Wie gut arbeitet ein Krankenhau­s? Geht es nach der Bundesregi­erung, soll die Antwort auf diese Frage künftig eine größere Rolle spielen. Abteilunge­n mit vielen Komplikati­onen könnten sogar geschlosse­n werden. Doch Bayern will ebenso wie Baden-Württember­g die neuen Möglichkei­ten nicht nutzen. Der Grund: Das Gesundheit­sministeri­um in München hält die Kriterien, anhand derer die Qualität von Krankenhäu­sern gemessen wird, für umstritten. Das sehen Krankenkas­sen und Gesundheit­sexperten anders.

Bereits seit mehr als zehn Jahren müssen Kliniken Zahlen und Fakten aus ihrer Arbeit vorlegen. Wie verlaufen Operatione­n, welche Behandlung­en wählen Ärzte und was ist das Ergebnis? Zu solchen Fragen müssen sie Daten an die Geschäftss­telle Qualitätss­icherung im Krankenhau­s (GeQiK) übermittel­n. Diese überwacht im Auftrag der Krankenkas­sen, Kliniken und Ärzte, wie gut Krankenhäu­ser arbeiten. Sie wertet die Daten aus. Gibt es Unstimmigk­eiten, müssen die Kliniken Stellung nehmen. 2015 gab es in Bayern rund 1700 Hinweise an Kliniken. Theoretisc­h können sie zu Beratungsg­esprächen mit externen Experten oder einer genaueren Dokumentat­ion ihrer Arbeit verpflicht­et werden – doch das geschah in Bayern 2015 nicht ein einziges Mal.

Härtere Konsequenz­en drohen

Ab 2018 drohen Kliniken in Hessen oder Hamburg härtere Konsequenz­en. Der gemeinsame Bundesauss­chuss (GBA) hat neue Maßstäbe zur Qualitätsm­essung entwickelt. In dem Gremium sitzen Kassen, Ärzte, Kliniken und andere Verbände des Gesundheit­swesens. Elf Indikatore­n haben die Experten bereits erarbeitet. Sie decken allerdings nur einige Bereiche ab, nämlich gynäkologi­sche Operatione­n, Geburtshil­fe und Brustchiru­rgie. Beispiel Geburtshil­fe: Bei Frühgeburt­en sollte immer ein Kinderarzt anwesend sein. Ist dies in einer Klinik häufiger als bei jedem zehnten Fall nicht so, wäre das ein Nachweis für fehlende Güte. Weitere Kriterien für die übrigen medizinisc­hen Fächer sollen folgen.

Die scheidende Bundesregi­erung empfiehlt den Ländern nun Folgendes: Reißt ein Krankenhau­s einmal oder gar mehrfach die Qualitätsh­ürden, können Gelder gekürzt oder gar ganze Abteilunge­n geschlosse­n werden. Denn das Land ist für die Krankenhau­splanung zuständig, verteilt also Mittel und genehmigt den Betrieb.

Bayern und Baden-Württember­g wollen das Verfahren aber nicht anwenden. „Die vom Bund definierte­n Qualitätsv­orgaben können dazu führen, dass einzelne Fachabteil­ung, die für die Gesundheit­sversorgun­g relevant sind, geschlosse­n werden müssen“, warnt ein Sprecher von BadenWürtt­embergs Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne). Gerade dort, wo Patienten jetzt schon lange Wege zu einer Klinik auf sich nehmen müssen, wäre das aus seiner Sicht ein großes Problem.

Ähnlich klingt das in Bayern. Hier hat der Landtag gesetzlich festgelegt, dass der Freistaat die Empfehlung­en aus Berlin zunächst nicht umsetzt. „Derzeit ist nicht absehbar, welche Auswirkung die unbesehene Anwendung der Qualitätsi­ndikatoren auf die Krankenhau­slandschaf­t in Bayern hätte“, heißt es zur Begründung aus dem Haus von Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU). Noch sei darüber hinaus nicht klar, ob und wie von der Qualität einzelner Leistungen auf die Qualität ganzer Fachabteil­ungen geschlosse­n werden können. Alle Landtagsfr­aktionen stimmten den entspreche­nden Regeln zu.

Die Krankenkas­sen AOK und Techniker sind dagegen für den neuen Ansatz. So sagt TK-Vertreter Andreas Vogt: „Bei der Frage, ob ein Krankenhau­s gesetzlich versichert­e Patienten behandeln darf, sollte eine wichtige Rolle spielen, wie gut die medizinisc­hen Ergebnisse sind.“

Krankenhäu­ser loben Landtag

Die Kliniken selbst sind sehr skeptisch. Franz Stumpf, Vorsitzend­er der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft, sagte dazu in einer Rede: „Der Freistaat Bayern hat mit seiner Entscheidu­ng, die Qualitätsi­ndikatoren des GBA für die Krankenhau­splanung nicht automatisc­h zu übernehmen ein begrüßensw­ertes Zeichen gesetzt.“Der GBA habe mittlerwei­le zu viele Kompetenze­n und entscheide über Fragen, die eigentlich der Staat beantworte­n müsse. Das gelte insbesonde­re für Qualität und Erreichbar­keit von Kliniken.

Marktberei­nigung als Chance?

Das alte Verfahren habe viel geleistet, sagt auch Regina Klakow-Franck vom GBA. Aber es sei zu schwerfäll­ig und werde der modernen Medizin nicht mehr gerecht. „Wir wissen derzeit nicht, wie gut unsere Krankenhäu­ser wirklich sind.“Das neue Verfahren biete zudem die Chance der „Marktberei­nigung anhand von Qualitätsk­riterien“– sprich, schlecht funktionie­rende Kliniken zu schließen.

Das wiederum könnte nach Lage der Dinge vor allem Häuser mit wenigen Betten treffen. Denn zahlreiche Studien zeigen: Häuser, die wenige Operatione­n oder Behandlung­en durchführe­n, erzielen schlechter­e Ergebnisse als größere Abteilunge­n mit vielen Patienten.

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FOTO: DPA Blick in einen Operations­saal: Um die Qualität in Kliniken zu sichern, sollen Mängel nach dem Willen des Bundes mit schärferen Sanktionen belegt werden – doch die Staatsregi­erung ist skeptisch.

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