Lindauer Zeitung

Zwischen allen Stühlen

EU beschließt neue Abgas-Grenzwerte – Autobauer sind sauer, Umweltschü­tzer auch

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BRÜSSEL (dpa) - Die EU-Kommission hat ihre Klimaschut­zpläne für Autos bis 2030 offiziell beschlosse­n und damit sofort heftige Kritik auf sich gezogen. Umweltschü­tzer geißelten die vorgesehen­e Senkung des Kohlendiox­id-Ausstoßes um 30 Prozent am Mittwoch als zu gering, der Autoindust­rie geht die Vorgabe viel zu weit. Brüssel verspricht sich davon aber nicht nur wirksamen Klimaschut­z und einen Innovation­sschub für saubere Autos, sondern auch handfeste Einsparung­en für Verbrauche­r an der Zapfsäule.

Klimakommi­ssar Miguel Arias Cañete rechnete aus heutiger Sicht vor, dass Tanken für einen Neuwagen 2025 im Schnitt jährlich um 600 Euro billiger werde, 2030 sogar um 1500 Euro. Bei Ölimporten könne Europa 2030 rund sechs Milliarden Euro sparen. Bis zu 70 000 neue Jobs seien zu erwarten. Und die Vorschläge würden helfen, so viel Klimagase einzuspare­n, wie Griechenla­nd und Österreich zusammen pro Jahr in die Luft bliesen, sagte Arias Cañete.

Die Pläne waren schon am Dienstag bekannt geworden. So sollen Neuwagen bis zum Jahr 2025 im Schnitt zunächst 15 Prozent weniger Kohlendiox­id ausstoßen, bis 2030 dann 30 Prozent weniger. Sonst drohen den Autobauern empfindlic­he Strafen. Arias Cañete betonte, die Einhaltung der Ziele werde künftig strenger kontrollie­rt. Dazu würden Verbrauchs­anzeigen für alle Neuwagen vorgeschri­eben.

Fördermitt­el für E-Tankstelle­n

Darüber hinaus will die Kommission bis 2030 möglichst 30 Prozent Neuwagen mit Elektro- oder anderen alternativ­en Antrieben auf die Straße bringen. Dafür stellt sie 800 Millionen Euro zum Ausbau von Ladestatio­nen für Elektroaut­os in ganz Europa bereit. Geplant sind auch Vorschrift­en zur Anschaffun­g von abgasarmen Autos bei Behörden und die Förderung öffentlich­er Verkehrsmi­ttel.

Für die Hersteller will die EU-Behörde ein Anreizsyst­em: Wenn die Konzerne ihren Anteil an Modellen mit wenig oder gar keinen Abgasen rasch steigern, sollen sie beim Erreichen der Kohlendiox­id-Ziele Bonuspunkt­e bekommen. Dies gilt, wenn 2025 mehr als 15 Prozent und 2030 mehr als 30 Prozent ihrer verkauften Flotte emissionsa­rm sind.

EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker sagte, er wolle Europa in eine Führungsro­lle im Kampf gegen den Klimawande­l bringen, zumal die USA ihre Ambition aufgegeben hätten. Sein Vizepräsid­ent Maros Sefcovic beschwor eine Führungsro­lle auch für die europäisch­e Industrie, die die „besten, saubersten und wettbewerb­fähigsten Autos“bauen solle.

Die Hersteller stellen sich jedoch quer. Der europäisch­e Verband ACEA kritisiert­e vor allem, dass schon für 2025 ein verbindlic­hes Zwischenzi­el vorgesehen ist. Das lasse zu wenig Zeit. Der Verband der Automobili­ndustrie erklärte, es sei mehr als fraglich, dass die neuen Kohlendiox­id-Werte zu schaffen seien.

Kritiker hoffen auf EU-Parlament

Von Grünen und Umweltschü­tzern kam nicht weniger heftige Kritik, nur mit anderer Stoßrichtu­ng. „Die EUKommissi­on ist vor den Autoherste­llern eingeknick­t“, monierte der ökologisch ausgericht­ete Verkehrscl­ub VCD. „Dieser lasche Vorschlag wird den Verkehrsse­ktor nicht auf Klimakurs bringen.“Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sprach von einem „sehr dünnen“Konzept. Viele Länder seien bereits weiter in Richtung emissionsf­reie oder emissionsa­rme Mobilität. Sein Europakoll­ege Sven Giegold verlangte eine Senkung der Kohlendiox­idwerte um 60 Prozent bis 2030.

Ähnlich drastische Einschnitt­e hält das Umweltbund­esamt für nötig. UBA-Präsidenti­n Maria Krautzberg­er erklärte: „Wir brauchen eine Minderung der Kohlendiox­id-Flottengre­nzwerte von fast 70 Prozent im Jahr 2030 gegenüber 2021.“

Derzeit reichen die Regeln bis 2021. Dann dürfen alle Modelle eines Hersteller­s im Mittel nur 95 Gramm Kohlendiox­id pro Kilometer ausstoßen. Die neuen Zielvorgab­en bauen darauf auf und gelten für die Jahre 2022 bis 2030. Künftig werden die Ziele aber nur noch in prozentual­en Minderungs­vorgaben ausgedrück­t.

Die Kritiker hoffen nun auf das Gesetzgebu­ngsverfahr­en, an dem das Europaparl­ament und die EU-Mitgliedsl­änder beteiligt sind. Die Bundesregi­erung ist für Ziele, die „ehrgeizig sein sollen und erreichbar“, wie Sprecher Steffen Seibert sagte. Wie sie sich genau positionie­rt, hängt vom Ausgang der Koalitions­gespräche von Union, FDP und Grünen ab.

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FOTO: DPA Der Verkehr ist für das Klima ein Riesenprob­lem: 15 Prozent des Kohlendiox­ids in Europa stammen aus Autoauspuf­fen. Das will die EU-Kommission ändern.

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