Lindauer Zeitung

Der etwas andere Musikverla­g wird 50

Das Münchner Label Trikont verlegt Musik jenseits kommerziel­ler Pfade

- Von Gunther Matejka

MÜNCHEN (lby) - Am 30. November lässt der Trikont-Musikverla­g im Münchner Feierwerk die Sektkorken knallen: Immerhin gilt es, den 50. Geburtstag des alternativ­en Buch- und Musikverla­ges zu feiern. Trikont ist ein typisches Kind der späten 1960er-Jahre, der politisch motivierte­n Alternativ- und Protestbew­egung, der Hippie- und Flower-Power-Zeit. Zunächst machte das im Münchner Stadtteil Giesing ansässige Publikatio­nshaus mit Büchern auf sich aufmerksam. Fünf Jahre später, 1972, kam die Musik dazu: die Trikont Unsere Stimme Verlags GmbH.

Seitdem hat die Plattenfir­ma laut Trikont-Chef Achim Bergmann knapp 500 Schallplat­ten und CDs veröffentl­icht – und keine einzige Veröffentl­ichung biederte sich dem Kommerz an. „Das heißt aber nicht, dass ich ein Problem mit Erfolg habe. Ganz und gar nicht“, betont Bergmann. Nur: „Die Bedingunge­n müssen einfach passen. Es muss schon eine Produktion sein, zu der wir stehen können – wenn das ein Hit wird: nichts dagegen!“, sagt Bergmann fröhlich.

Dass das Team um den mittlerwei­le 74-jährigen Label-Chef durchaus eine Spürnase für mehrheitst­augliche Songs hat, bewies es schon 1978. Das Akustik-Duo „Dicke Lippe“veröffentl­ichte auf Trikont einen Song namens „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt“. Rund 1000 Mal habe sich der Titel verkauft – und damit offenbar große Schallplat­tenfirmen neugierig gemacht. Als das Duo später die Band „Geier Sturzflug“gründete und zu einem großen Label ging, avancierte der jetzt als „Bruttosozi­alprodukt“betitelte Song zu einem der größten Hits der „Neuen Deutschen Welle“.

„Die Industrie hat da natürlich ganz andere Möglichkei­ten bei der Vermarktun­g, das muss man als Indie-Label akzeptiere­n“, sagt Bergmann und klingt dabei gar nicht wie jemand, dem das große Geschäft eines 600 000-fach verkauften Titels durch die Lappen gegangen ist.

Aufgeben war nie eine Option

Das wirtschaft­liche Auf und Ab macht freilich auch bei einem idealistis­ch befeuerten Unternehme­n keine Ausnahme. Dennoch: Richtig wirtschaft­lich knapp wurde es für die Musikmache­r aus Giesing nur in den frühen 1980er-Jahren. „Da zerbröselt­e die Struktur der alternativ­en Bewegung im Bürgertum“, sagt Bergmann, der das Label gemeinsam mit seiner Frau Eva Mair-Holmes leitet. Mit dieser Entwicklun­g habe man die Hauptkäufe­rschicht eingebüßt, die Folge war die Einstellun­g des Buchverlag­es im Jahr 1986. Auch bei der Veröffentl­ichungspol­itik des Labels sei ein Umdenken nötig gewesen. Aber: „Aufgeben war nie eine Option“, macht der etwas andere Plattenlab­el-Chef deutlich.

Letztendli­ch habe man eine – seine – Nische gefunden: Musik, die auch mal ohne politische Nachricht auskommt – nie aber ohne eigene, originelle Note. Künstler wie die Liedermach­er Hans Söllner und Georg Ringsgwand­l, der Musiker Coco Schuman oder Bands wie Attwenger füllen diese Trikont-Nische aus mit Klängen, die von Folk, Blues, Jazz und Rock bis zu avantgardi­stischer Volksmusik reichen.

Für Sebastian Zabel, Chefredakt­eur des „Rolling Stone“, ist Trikont deshalb ein „Outsider-Label“, das sich all die Jahre treu geblieben sei. „Es hat sich immer für Underdogs und regionale Besonderhe­iten interessie­rt“, sagt der Musikexper­te.

Da verwundert es nicht, dass auch das Geschäftsg­ebaren von Künstler und Plattenfir­ma bei Trikont ein ganz besonderes ist. „Für mich ist das eine Familie“, sagt Hans Söllner, seit 30 Jahren bei Trikont beheimatet und dazu einer der kommerziel­l wichtigste­n Acts. Man habe sich ziemlich schnell verstanden und war sich, „was den Umgang mit Musik, Freiheit und Anstand“betraf, sofort einig. „Ich wollte einfach nur fair behandelt werden – und das wurde ich“, sagt der Liedermach­er. Auch für Söllner nimmt Trikont eine Sonderstel­lung in der deutschen Plattenfir­ma-Landschaft ein: „Sie machen nirgends mit und schauen meist nicht darauf, ob etwas Geld bringt.“Das sei finanziell vielleicht öfters zum Nachteil der Firma — dafür aber meist zum Vorteil der Künstler. „Sie geben großes Wissen und Gefühl für diese andere Art von Kunst.“

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FOTO: DPA Achim Bergmann hat gemeinsam mit seiner Frau Eva Mair-Holmes den Trikont-Musikverla­g geprägt.

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