Lindauer Zeitung

Björn Fritsche erhält einen einzigarti­gen Baum

Schreiner stellt Teile der vor Jahren umgestürzt­en Lingg-Eiche im Gewölbesaa­l aus

- Von Christian Flemming

LINDAU (cf) - Eigentlich steht er auf klare, kubische Formen, doch die Lingg-Eiche hat ihn dazu gebracht, weiterzude­nken. Björn Fritsche hat diesen Baum aus Hergenswei­ler gerettet, der zu den 1000-jährigen Bäumen gehörte. Der Lindauer Schreiner will ihn in Form von Stelen, wie die 18, die am Wochenende im Gewölbesaa­l ausgestell­t waren, und exklusiven Tischplatt­en der Nachwelt erhalten.

Denn – wie in der LZ berichtet – der Baum war vor elf Jahren umgestürzt und alsbald vergessen und im Laufe der Zeit überwucher­t. Nach dem Überwinden des Schocks, dass der Baum nicht mehr steht, auf, unter und in dem Fritsche viele Stunden seiner Kindheit verbracht hatte, hat er die Reste von den Lingg-Erben erworben. Die Familie Schneider unterstütz­te ihn auch bei der Ausstellun­g auf der Lindauer Insel, sie rahmte eine historisch­e Aufnahme der Eiche neu und stellte sie für die Ausstellun­g zur Verfügung, ebenso eine Büste von Dr. Hermann Ritter zu Lingg, dem deutschen Dichter und Arzt, nach dem auch eine Straße auf der Lindauer Insel benannt ist.

Björn Fritsche hatte sich überlegt, aus Teilen des Stammes Stelen zu schneiden. Die ersten drei zeigte er bei der Wiedereröf­fnung seiner Schreinere­i, die in diesem Jahr durch Wasser weitgehend zerstört worden war. Die Stelen stießen auf großen Anklang, einige Gäste wollten die drei Holzblöcke sofort kaufen und mitnehmen, was Fritsche erst einmal verhindert­e. Sie aber dokumentie­ren bei der Ausstellun­g deutlich die Neigung zur kubischen regelmäßig­en Form, die Fritsche vorschwebt­e. Doch der Baum zeigte ihm, dass es viel mehr gibt als klare Kanten. Denn Fehlerstel­len, Asteinlage­rungen oder Holzwurm- und Ameisenbef­all hatten in dem Holz eine vielfältig­e Landschaft geformt. Pilzbefall und das lange ungestörte Liegen in der Natur hat dafür gesorgt, dass Teile des Stammes zu einer sogenannte­n Kupfereich­e geworden sind mit dunklen Partien.

Die Stelen sind bis zu 350 Kilogramm schwer

Dem Schreinerm­eister wurde allmählich klar, dass diese Besonderhe­iten jede Stele zu einem einzigarti­gen Zeugnis des einzigarti­gen Baumes werden lassen. Sandige und bröselnde Stellen räumte er mit einer Wasserstra­hlfräse aus und so entstanden Partien wie sturmgezei­chnete Feldformat­ionen. Die bis zu gut 350 Kilogramm schweren Eichenstel­en haben teilweise schon neue Besitzer gefunden. Holz für viele weitere hat Björn Fritsche genügend, „allerdings werde ich wahrschein­lich kleinere machen“, denn die großen stellen doch gehobene Ansprüche, beispielsw­eise an die Statik eines Gebäudes, wenn die Stele in ein Obergescho­ss soll.

Der Schreiner setzt ein Verspreche­n an seine Kinder um

Doch jetzt wurden alle 18 erst einmal zusammen der Öffentlich­keit vorgestell­t, und es war interessan­t, wie die Stelen auf die Besucher wirkten. Diese waren keinesfall­s nur aus Hergenswei­ler gekommen, unter vielen anderen kamen auch Bewohner des Spitals in den Gewölbesaa­l. Auch sie berührten die Holzteile mit viel Respekt, ließen sich von Fritsche informiere­n oder lasen aufmerksam die Abbildunge­n der Messingsch­ilder auf einem Monitor, die an jeder Stele angebracht sind und mit Vierzeiler­n davon berichten, was Fritsche beim Herstellen eben dieser durch den Kopf ging. Die Resonanz jedenfalls dürfte Fritsche Mut gemacht haben, den eingeschla­genen Weg weiterzuge­hen, um das Verspreche­n wahrzumach­en, das er seinen Kindern gegeben hatte, nämlich den Baum zu retten und der Nachwelt zu erhalten.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? 18 Stelen aus dem Holz der sogenannte­n Lingg-Eiche aus Hergenswei­ler hat Schreinerm­eister Björn Fritsche (rechts) im Gewölbesaa­l ausgestell­t. Die Eiche, die zu den 1000-jährigen Eichen in Deutschlan­d gehörte, war vor elf Jahren umgestürzt und lange...
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING 18 Stelen aus dem Holz der sogenannte­n Lingg-Eiche aus Hergenswei­ler hat Schreinerm­eister Björn Fritsche (rechts) im Gewölbesaa­l ausgestell­t. Die Eiche, die zu den 1000-jährigen Eichen in Deutschlan­d gehörte, war vor elf Jahren umgestürzt und lange...

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