Klassik und Jazz begegnen sich eine Nacht lang auf Top-Niveau
19. „Lange Nacht der Musik“ist wieder ein außergewöhnliches Erlebnis
LINDAU - Und wieder ist die von Peter Vogel veranstaltete „Lange Nacht der Musik“im ausverkauften Forum am See zu einem herausragenden Musikevent in Lindau geworden und zu einem ungewöhnlichen. Crossover an sich ist nicht ungewöhnlich, doch dass ein hochangesehenes Ensemble wie das Szymanowski-Quartett bei Peter Vogels Jazz-Quintett mitspielt, ist schon etwas Besonderes.
Dafür muss man einen langen Atem haben, denn das Konzert beginnt um 19 Uhr und erst nach zwei klassischen Blöcken und zwei langen Pausen für kulinarische Genüsse und Gespräche beginnt um 23 Uhr die Jazz-Session, in der Jazz-Band und Streichquartett sich vereinen. Die Reihen haben sich inzwischen ein wenig gelichtet – es gibt auch Klassikliebhaber, die weniger am Jazz interessiert sind. Doch hier geht es weniger um Gegensätze als um neugieriges Beschnuppern.
Eigentlich ist diese Lange Nacht der Musik, die im kommenden Jahr ihr 20. Jubiläum feiern wird, ein eigenes kleines Musikfestival, geprägt durch Peter Vogel, der, wie seine Gäste wissen, auch selbst komponiert und beim Jazz so richtig aus sich herausgeht und am Piano loslegt, dass die Haare fliegen – eine Freude anzusehen und anzuhören wie auch Christian Maurer am Saxophon, Ralf Franz am Bass und Wolfi Rainer an den Drums samt der charmanten Sängerin Alexandrina Simeon in Arrangements wie „The man I love“oder „Summertime“.
Einzig Aaron Pilsan ist bei dieser Session nicht mehr dabei. Er hat den Abend eröffnet mit zwei Klaviersonaten von Joseph Haydn. Großartig und ungewöhnlich ist sein Spiel. Der sympathische junge Mann spielt technisch absolut perfekt, doch damit nicht genug: Er zeigt eine Reife, wie man sie von einem Mitdreißiger erwarten würde. Eine der Haydn-Sonaten hat er vor rund zehn Jahren als Zwölfjähriger dem weltweit renommierten Klavierpädagogen KarlHeinz Kämmerling vorgespielt. Kämmerling ließ ihn außer der Reihe sofort vor Publikum spielen und nahm ihn in seine Hochbegabtenklasse auf. Bis zu dessen Tod war er sein Schüler und setzt heute sein Studium in Hannover fort. Es ist jedes Mal ein Erlebnis, wenn man ihm in der Region begegnen darf.
Schumanns Klavierquintett wird zu einer Sternstunde
Nicht minder hochkarätig war das nachfolgende neue SzymanowskyQuartett, denn zu Agata Szymczewska und Robert Kowalski an den Violinen und Wladimir Mykytka an der Viola ist ganz neu die Cellistin Monika Leskovar, Professorin am Konservatorium Lugano, gekommen. Jeder ist ein Meister auf seinem Instrument und zugleich Teil eines harmonischen Ganzen, der ständige Blickkontakt zeigt die Freude am Aufeinander-Eingehen. Düster beginnt Mozarts „Dissonanzenquartett“und führt in immer neuen Aufschwüngen in lichte Höhen, zu zauberhaftem Wohlklang und furiosem Vorwärtsstürmen. Untergründige und ausgelebte Emotionen werden in Schuberts Streichquartett Nr. 1 g-Moll hörbar.
Zur Sternstunde der Kammermusik wird das Klavierquintett Es-Dur op. 44 von Robert Schumann, zu dem Aaron Pilsan hinzukommt. Völlig gelöst genießt er das Zusammenspiel, ein kraftvoller Strom fließt und erfasst alle fünf Spieler, im leidenschaftlichen Aufbäumen wie in süßer Engelsmusik und sprühenden Musikfontänen. Es gibt Dinge, die kann nur die Musik ausdrücken, so wie hier. Alle haben es gespürt, dieser Beifall war anders, ein von Herzen kommender Dank für ein außergewöhnliches Geschenk.