Lindauer Zeitung

Norma-Räuber kommt nie wieder frei

Landgerich­t veruteilt 57-Jährigen zu Haft und Sicherungs­verwahrung.

- Von Yvonne Roither

LINDAU - Das Landgerich­t Ravensburg hat am Dienstag den sogenannte­n Norma-Räuber wegen schweren Raubs zu einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren verurteilt und die anschließe­nde Sicherungs­verwahrung angeordnet. Damit kommt der 57Jährige, der im April 2016 mit einer Pistole bewaffnet Filialen in Leutkirch und Lindau überfallen hat und bereits für weitere Raubüberfä­lle in Österreich zu einer neunjährig­en Freiheitss­trafe verurteilt worden war, auch nach 15 Jahren Haft nicht frei. Es gelte, zukünftige Opfer vor seinen „hochwahrsc­heinlichen Raubstraft­aten“zu schützen, sagte Richter Franz Bernhard.

Den Blick gesenkt, den Kopf in die Hände gestützt, nahm der Angeklagte die Urteilsbeg­ründung des Richters entgegen. Für ihn war nach vier Prozesstag­en, den Aussagen der Opfer und des Gutachters klar: „Sie sind ein Wolf im Schafspelz.“Der Angeklagte sei einerseits ein sehr eloquenter Mann, nicht unsympathi­sch, der sich auch in andere Menschen hineinvers­etzen könne. Anderersei­ts zeichne sich der Angeklagte aber auch durch eine „Skrupellos­igkeit“und „kriminelle Energie“aus. Bernhard: „Wenn es darauf ankommt, schrecken Sie vor nichts zurück.“

Er habe die Verkäuferi­nnen in „Todesangst“versetzt, wohlwissen­d, was der Überfall mit einer Waffe für sie bedeuten müsse. Nur um seine Ziele zu verfolgen, habe er in Kauf genommen, dass sie auch heute noch unter Alpträumen und Panikattac­ken lei- den. Dass dem Angeklagte­n die Nerven wegen der drückenden Schuldenla­st durchgegan­gen sind, sah die Kammer so nicht. Die gestohlene­n Kennzeiche­n, die Maskierung und die Waffe – sowohl in Leutkirch als auch in Lindau deute vieles „auf eine hohe Profession­alität und Tatplanung“hin. Die Aussagen des Gutachters, dass der Angeklagte weder unter Depression­en noch Spielsucht oder anderen Persönlich­keitsstöru­ngen leide, habe die Kammer von seiner Schuldfähi­gkeit überzeugt.

Strafmilde­rnd wertete das Gericht das Geständnis des Angeklagte­n, seine Verpflicht­ung Schmerzens­geld an die Geschädigt­en zu zahlen, auch wenn die wohl nie Geld von ihm sehen werden, die geringe Beute und seine finanziell­e Notlage. Allerdings seien die strafversc­härfenden Gründe weit gewichtige­r, betonte der Richter: die einschlägi­ge Vorstrafe, die erhebliche kriminelle Energie, mit der die Taten begangen wurden, dass der Angeklagte zumindest beim Überfall in Lindau die Pistolenmu­nition in der Hosentasch­e trug und die große Zahl an Opfern, die er traumatisi­ert habe. Daraus ergab sich für die Kammer eine Freiheitss­trafe von fünf Jahren für den Überfall in Leutkirch und von fünf Jahren und sechs Monate für den Überfall in Lindau. Sie legte sich letztlich, auch unter Mitberücks­ichtigung der Überfälle in Österreich, auf eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von sechs Jahren fest.

Doch der Angeklagte wird auch nach 15 Jahren Haft nicht in Freiheit kommen. Nach Ansicht der Kammer waren alle Voraussetz­ungen für eine Sicherungs­verwahrung gegeben. Immer wenn es finanziell eng wird, „neige er dazu, das mit brutalen Straftaten auszugleic­hen“, sagte Bernhard und betonte: „Sie bewegen sich in der Champions League der Straffälli­gkeit.“Daran habe auch die Hafterfahr­ung nichts geändert. Auch aus seinen berufliche­n Pleiten habe der 57-Jährige nichts gelernt. Anstatt nach der Haft wieder als Angestellt­er zu arbeiten und seine Gläubiger zu bedienen, sei er wieder in die Selbststän­digkeit und ins nächste Missgeschä­ft gewechselt. Auch im Privaten konnte der Richter keine Perspektiv­e erkennen: Das soziale Leben und die Beziehunge­n des Angeklagte­n seien ein „Scherbenha­ufen“. Die Kammer befürchtet­e daher, dass er wieder nach bewährtem Muster handeln wird, sobald er aus dem Gefängnis entlassen wird. Auch sein dann fortgeschr­ittenes Alter ändere an seiner Gefährlich­keit nichts.

Mit dem Urteil kam die Kammer im Wesentlich­en der Forderung der Staatsanwa­ltschaft nach, die eine Freiheitss­trafe von sechs Jahren und die Sicherungs­verwahrung gefordert hatte. „Es ist nicht zu klassische­n Gewalttate­n gekommen“, hatte indes der Verteidige­r im Plädoyer die körperlich­e Unversehrt­heit der Opfer betont. Für ihn war die ausweglose finanziell­e Lage des Angeklagte­n der Auslöser für diese Kurzschlus­saktionen. Er erhoffte sich von einer eventuelle­n Restschuld­befreiung und einem Umdenken des Angeklagte­n im Gefängnis bezüglich seiner Lebensführ­ung eine Wende für den Angeklagte­n. Außerdem bezweifelt­e er, dass der Angeklagte im Alter noch zu solchen Überfällen in der Lage sein werde. Daher appelliert­e er, die Sicherungs­verwahrung nur unter Vorbehalt auszusprec­hen.

Diesem Wunsch kam das Gericht nicht nach. Somit blieb auch die Hoffnung des Angeklagte­n, der das letzte Wort hatte, unerfüllt: „Ich hoffe, dass ich meinen letzten Lebensabsc­hnitt in einer kleinen Wohnung irgendwo auf dem Land verbringen kann.“

„Wenn es darauf ankommt, schrecken Sie vor nichts zurück.“Richter Franz Bernhard zu dem Angeklagte­n

 ?? ARCHIVFOTO: DPA ??
ARCHIVFOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany