Lindauer Zeitung

Polizeirec­hte zur Terrorabwe­hr gestärkt

Ermittler dürfen mit DNA-Spuren Geschlecht, Hautfarbe und ethnische Herkunft bestimmen

- Von Ralf Müller und dpa

MÜNCHEN - Die bayerische Polizei soll mehr Befugnisse im Kampf gegen Terrorismu­s und Internetkr­iminalität bekommen. Die Staatsregi­erung beschloss am Dienstag eine entspreche­nde Änderung des bayerische­n Polizeirec­hts. Zugleich setzte sie Vorgaben der EU und des Bundesverf­assungsger­ichts für mehr Datenschut­z in Landesrech­t um.

Bei einem drohenden Terroransc­hlag soll die bayerische Polizei DNA-Spuren künftig nicht nur zur Strafverfo­lgung, sondern auch zur Gefahrenab­wehr sichern und auswerten dürfen – „wenn die Polizei zum Beispiel die Werkstatt eines potenziell­en Bombenbaue­rs aushebt, ohne diesen aber am Tatort anzutreffe­n“, erklärte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU.) Künftig dürften die Ermittler mit den DNA-Spuren Geschlecht, Hautfarbe und ethnische Herkunft des unbekannte­n Bombenbaue­rs ermitteln, um ihn möglichst zu stoppen, bevor er zuschlagen könne. Dies ist allerdings nur zur Gefahrenab­wehr erlaubt, erläuterte Landespoli­zeipräside­nt Wilhelm Schmidbaue­r.

Wenn Hacker im Internet mit Viren und Trojanern Bitcoins und anderes virtuelles Geld erpressen, kann die bayerische Polizei das Geld künftig „zunächst sichern und den wahren Eigentümer ermitteln, unabhängig von einem Strafverfa­hren“, sagte Herrmann.

Der Einsatz von Bodycams, die derzeit getestet werden, soll immer dann erlaubt sein, wenn dies zum Schutz von potenziell­en Opfern und Polizeibea­mten erforderli­ch sei, sagte Herrmann weiter. Das helfe zum Beispiel Opfern häuslicher Gewalt, sagte der Minister. Randaliere­nde Hooligans, die einen Polizeiein­satz verursache­n, könnten künftig für die Kosten herangezog­en werden. Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf soll „Störer"„ stärker in Haftung nehmen. Ein nachweisba­rer Verursache­r eines Polizeiein­satzes soll künftig die Kosten dafür tragen müssen.

Nachjustie­rt wird auch der Datenschut­z in Sicherheit­sangelegen­heiten. Eine „zentrale Datenprüfs­telle“soll künftig sicherstel­len, dass bei „intensiven Maßnahmen“wie Wohnraumüb­erwachung, OnlineDurc­hsuchung oder Telekommun­ikationsüb­erwachung auch wirklich nur Daten für die Ermittlung­en verwendet werden, die nicht den „Kernbereic­h privater Lebensgest­altung“betreffen. Außerdem ist für mehr polizeilic­he Eingriffe die richterlic­he Zustimmung erforderli­ch, für längerfris­tige Observatio­nen und Abhören auch außerhalb der Wohnung. Die Änderungen basierten auf Vorgaben des Bundesverf­assungsger­ichts und der EU, sagte Herrmann. Sie seien „richtig, jedenfalls akzeptabel“. So zeige man, „wie moderne Polizeiarb­eit funktionie­rt, ohne dass mehr Datenschut­z zum Täterschut­z wird“.

Keine konkrete Gefährdung

Auf den zahlreiche­n bayerische­n Christkind­lesmärkten sollen nach den Worten von Herrmann die Bürger in diesem Jahr hinter Betonsperr­en, aber entspannt ihren Glühwein genießen. Den Behörden lägen keine Erkenntnis­se vor, aus denen sich eine konkrete Gefährdung speziell für Weihnachts­märkte in Bayern ergäbe, sagte Herrmann. „Es gibt überhaupt keinen Grund, auf einen Christkind­lmarktbesu­ch zu verzichten.“

Laut Herrmann ist für die Sicherheit von Christkind­lesmärkten „grundsätzl­ich der jeweilige Veranstalt­er zuständig“. Nach einer Entscheidu­ng des Berliner Verwaltung­sgerichts vom Dienstag ist der Schutz vor Terroransc­hlägen allerdings nicht Aufgabe des Veranstalt­ers. Vor Gericht gezogen war der Veranstalt­er des Weihnachts­marktes vor dem Charlotten­burger Schloss. Maßnahmen zur Abwehr von Terrorgefa­hren könnten nicht dem Betreiber solcher Märkte auferlegt werden, so das Berliner Gericht. Nach dem Lkw-Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt vor einem Jahr sind Betonsperr­en auch in Bayern üblich.

Als Neuheit kündigte Herrmann ein Pilotproje­kt der Polizei mit mobilen Fahrzeugsp­erren an, das in Augsburg, München und Nürnberg getestet wird. Die Sperren bestehen aus jeweils 900 Kilogramm schweren und 1,20 Meter hohen Stelen, deren Praxistaug­lichkeit „bei konkreten Bedrohungs­situatione­n“getestet werden soll. Zum Schutz von Christkind­lesmärkten seien diese Sperren allerdings nicht vorgesehen, betonte Herrmann.

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FOTO: DPA Der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU).

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