Heiße Luft gegen Eis und Schnee
In der Kemptener Bahn-Werkstatt sind im Winter riesige Gebläse im Einsatz
KEMPTEN - Zumindest viele Ältere können sich an den erfolgreichsten Slogan in der Geschichte der damaligen Deutschen Bundesbahn erinnern: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“– so hieß es auf einem Plakat, auf dem eine verschneite Winter-Bilderbuchlandschaft und eine rote Lokomotive der Baureihe E 10 zu sehen waren. So viel zur Geschichte.
Seitdem hat sich bei der Bahn Vieles geändert. Und nicht immer ist es dem Unternehmen gelungen, bei jedem Wetter den Betrieb in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Der Winter ist nach wie vor eine Herausforderung für die Bahn. „Besonders hier im Allgäu“, sagt Ralf Hamacher, der eigentlich vom Niederrhein kommt und anfangs von den Schneemengen im Allgäu erstaunt war. Wir treffen Ingenieur Hamacher, den Chef der Instandhaltung, in der Kemptener Bahn-Werkstatt.
Wenn es friert, schneit und stürmt, entfernen hier ab morgens um 4 Uhr die Bahn-Mitarbeiter an den Zügen Schnee und Eis. Dabei geht es vor allem darum, Räder und Bremsen freizubekommen. Von Anfang Dezember bis Ende März steht für die Enteisung der Fahrzeuge zusätzliches Personal bereit.
Während früher die Züge mit heißem Wasser von Schnee und Eis befreit wurden, stehen in der Kemptener Werkstatt jetzt 20 große Heizlüfter bereit mit einer Leistung von je 110 Kilowattstunden. „Es gibt dicke Eispakete, die sind fest wie Beton“, sagt Hamacher. Da könne es durchaus zwei bis drei Stunden dauern, bis ein Zug wieder auf die Strecke geschickt werden kann.
Der Herr über 1300 Weichen
Besonders anfällig bei Schnee und Eis sind die Neigetechnik-Fahrzeugteile. „Wenn alles gefroren ist, können wir nicht mehr mit Neigetechnik fahren“, sagt Instandhaltungs-Chef Hamacher. Verspätungen sind dann die unausweichliche Folge.
Draußen, an den Gleisen im Bereich des Kemptener Bahnhofs treffen wir Andreas Noreika. Auch er ist Ingenieur und für die Leit- und Sicherungstechnik in ganz Schwaben bis hinauf nach Ingolstadt zuständig. Noreika prüft jetzt, ob an einer Weiche der Heizstab noch in Ordnung ist. Bei Schnee und Frost sorge eine Weichenheizung dafür, dass diese auftauen und die Mechanik nicht blockiert wird. Allein im Allgäu gibt es 382 beheizbare Weichen, die ab Temperaturen um null Grad automatisch warm werden.
In seinem gesamten Arbeitsgebiet ist Bahn-Mann Noreika mit 16 Mitarbeitern unter anderem für die Funktion von 1300 Weichen verantwortlich. Generell gilt nach seinen Worten: Lieber etwas früher heizen und rechtzeitig dafür sorgen, dass Schnee und Eis nicht die Weichen zumachen. Sein Fazit: „Das Wichtigste ist, dass die Züge fahren.“Deswegen reden – zumindest hier – eben doch alle vom Wetter.
Und das schon seit dem Spätsommer, als mit den ersten Wintervorbereitungen begonnen wurde. Bei Eileen Heidemann ist das ähnlich. Zusammen mit den jeweiligen Stationsinspektoren ist sie an den Bahnhöfen im Allgäu für das Räumen und Streuen zuständig. Rund um die Uhr sind Mitarbeiter der Bahn-Tochter „DB Services“und von Privatfirmen im Abrufmodus, um bei Schneefall und plötzlicher Glätte auszurücken.