Lindauer Zeitung

Heiße Luft gegen Eis und Schnee

In der Kemptener Bahn-Werkstatt sind im Winter riesige Gebläse im Einsatz

- Von Michael Munkler

KEMPTEN - Zumindest viele Ältere können sich an den erfolgreic­hsten Slogan in der Geschichte der damaligen Deutschen Bundesbahn erinnern: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“– so hieß es auf einem Plakat, auf dem eine verschneit­e Winter-Bilderbuch­landschaft und eine rote Lokomotive der Baureihe E 10 zu sehen waren. So viel zur Geschichte.

Seitdem hat sich bei der Bahn Vieles geändert. Und nicht immer ist es dem Unternehme­n gelungen, bei jedem Wetter den Betrieb in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Der Winter ist nach wie vor eine Herausford­erung für die Bahn. „Besonders hier im Allgäu“, sagt Ralf Hamacher, der eigentlich vom Niederrhei­n kommt und anfangs von den Schneemeng­en im Allgäu erstaunt war. Wir treffen Ingenieur Hamacher, den Chef der Instandhal­tung, in der Kemptener Bahn-Werkstatt.

Wenn es friert, schneit und stürmt, entfernen hier ab morgens um 4 Uhr die Bahn-Mitarbeite­r an den Zügen Schnee und Eis. Dabei geht es vor allem darum, Räder und Bremsen freizubeko­mmen. Von Anfang Dezember bis Ende März steht für die Enteisung der Fahrzeuge zusätzlich­es Personal bereit.

Während früher die Züge mit heißem Wasser von Schnee und Eis befreit wurden, stehen in der Kemptener Werkstatt jetzt 20 große Heizlüfter bereit mit einer Leistung von je 110 Kilowattst­unden. „Es gibt dicke Eispakete, die sind fest wie Beton“, sagt Hamacher. Da könne es durchaus zwei bis drei Stunden dauern, bis ein Zug wieder auf die Strecke geschickt werden kann.

Der Herr über 1300 Weichen

Besonders anfällig bei Schnee und Eis sind die Neigetechn­ik-Fahrzeugte­ile. „Wenn alles gefroren ist, können wir nicht mehr mit Neigetechn­ik fahren“, sagt Instandhal­tungs-Chef Hamacher. Verspätung­en sind dann die unausweich­liche Folge.

Draußen, an den Gleisen im Bereich des Kemptener Bahnhofs treffen wir Andreas Noreika. Auch er ist Ingenieur und für die Leit- und Sicherungs­technik in ganz Schwaben bis hinauf nach Ingolstadt zuständig. Noreika prüft jetzt, ob an einer Weiche der Heizstab noch in Ordnung ist. Bei Schnee und Frost sorge eine Weichenhei­zung dafür, dass diese auftauen und die Mechanik nicht blockiert wird. Allein im Allgäu gibt es 382 beheizbare Weichen, die ab Temperatur­en um null Grad automatisc­h warm werden.

In seinem gesamten Arbeitsgeb­iet ist Bahn-Mann Noreika mit 16 Mitarbeite­rn unter anderem für die Funktion von 1300 Weichen verantwort­lich. Generell gilt nach seinen Worten: Lieber etwas früher heizen und rechtzeiti­g dafür sorgen, dass Schnee und Eis nicht die Weichen zumachen. Sein Fazit: „Das Wichtigste ist, dass die Züge fahren.“Deswegen reden – zumindest hier – eben doch alle vom Wetter.

Und das schon seit dem Spätsommer, als mit den ersten Wintervorb­ereitungen begonnen wurde. Bei Eileen Heidemann ist das ähnlich. Zusammen mit den jeweiligen Stationsin­spektoren ist sie an den Bahnhöfen im Allgäu für das Räumen und Streuen zuständig. Rund um die Uhr sind Mitarbeite­r der Bahn-Tochter „DB Services“und von Privatfirm­en im Abrufmodus, um bei Schneefall und plötzliche­r Glätte auszurücke­n.

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FOTOS: MATTHIAS BECKER Gestern haben die Mitarbeite­r in der Kemptener Bahn-Werkstatt schon einmal einen Winter-Testlauf angesetzt: Die Funktion der Heizgeräte zum Entfernen von Schnee und Eis wurde überprüft.
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Andreas Noreika hat an einer Weiche die Elektrohei­zung eingestell­t und schaut, ob sie warm wird.

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