Lindauer Zeitung

Je dicker die Katze, desto härter der Winter

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Die Weisen und Seher aus der grauen Vorzeit hatten die Angewohnhe­it, anhand der Innereien von geopferten Tieren die Zukunft vorherzusa­gen. Bei rotem Blut und schwarzen Pfoten eines Waschbären zum Beispiel hätte der Seher vielleicht die Fortsetzun­g der Großen Koalition in Berlin vorausgese­hen.

In den meisten Fällen war es dem Auguren verlässlic­h möglich, zumindest das nächste Abendbrot zu weissagen. Denn Opfertiere wurden nach dem Gemetzel und dem Studieren des Gekröses verspeist. In Sachsen ist man da natürlich viel weiter. Niemand käme dort auf die Idee, die Zukunft aus toten Tieren zu lesen. Nein, im Erzgebirge-Städtchen Voigtsdorf lesen die Menschen die Zukunft aus lebenden Katzen. Den guten Leutchen dort geht es auch nicht um irgendwelc­he politische­n Weissagung­en, es interessie­rt sie einzig die Frage, ob ein strenger oder milder Winter bevorsteht. Zu diesem Zweck nimmt die Dorfgemein­schaft eine mehr oder weniger beliebige Katze und wiegt sie. Je höher das Gewicht, umso strenger der Winter. Frei nach dem Motto: „Je vieler, desto mehr.“

Die Voigtsdorf­er jedenfalls haben viel Freude an diesem Brauch. Es gibt Gegrilltes und Glühwein und sicher werden auch ein paar Katzenvide­os herumgezei­gt, denn die gehen ja immer. Schade, dass sich die Sachsen nicht doch mit Berlin beschäftig­en. Vielleicht liefert das Wiegen von Politikern ja einen Hinweis auf die Stabilität einer künftigen Regierung. Das wäre eine Erklärung, warum Helmut Kohl so lange an der Macht war. Und der nächste Kanzler hieße vielleicht: Peter Altmaier. (nyf)

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FOTO: DPA Jens Lommatzsch, Organisato­r des Katzenwieg­ens in Sachsen.

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