Lindauer Zeitung

Bayerns LKA setzt auf Gesichtser­kennung

Das Landeskrim­inalamt entwickelt System weiter – Kritik von Datenschüt­zern

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Das bayerische Innenminis­terium will mit automatisc­her Gesichtser­kennung und dem Ausbau von Videoüberw­achung künftig mehr Tatverdäch­tige ermitteln. „Derzeit arbeiten wir daran, Bild- und Videodaten nach Tatverdäch­tigen automatisi­ert auszuwerte­n“, sagte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) am Freitag in München. Momentan werde dafür eine Software getestet. Zudem stehe man in Kontakt mit Forschungs­einrichtun­gen, Sicherheit­sunternehm­en und anderen nationalen und internatio­nalen Polizeibeh­örden.

Die über digitale Foto- und Videoaufna­hmen ständig größere Flut von Bildmateri­al eröffnet für die Ordnungshü­ter neue Möglichkei­ten. Die digitale Bilderkenn­ung werde neben den klassische­n Instrument­en des Fingerabdr­ucks und der DNA-Spur zur „dritten Säule des Erkennungs­dienstes“werden, zeigte sich der Leitende Kriminaldi­rektor vom Bayerische­n Landeskrim­inalamt, Bernhard Egger, überzeugt.

Auch Kriminelle hinterlass­en oft Fotos im Internet. Das könnte ihnen in Zukunft mehr und mehr zum Verhängnis werden. So wie einem Einbrecher, der ein iPad erbeutete und später darüber Fotos von seiner Hochzeit in eine sogenannte Cloud hochgelade­n hat. Im LKA verglich man die Fotos vom Bräutigam mit eigenen Bilddateie­n und machte den Langfinger ausfindig. „Er war ziemlich überrascht“, sagte Egger bei der Vorstellun­g der biometrisc­hen Gesichtser­kennung.

Der Mann war einer von 83 Strafverdä­chtigen, die dieses Jahr anhand des biometrisc­hen Gesichtser­kennungssy­stems ermittelt wurden. 2010 seien es noch zehn Tatverdäch­tige gewesen, berichtete Innenminis­ter Herrmann. 2017 wurden vor allem Einbrüche, Diebstähle und Urkundenfä­lschung aufgeklärt, aber auch eine Vergewalti­gung. In Ansbach wurde ein Mann ermittelt, der eine Frau verletzt hatte. Die Geschädigt­e erkannte den Täter auf Bildern einer Diskothek. Außerdem wurden vier Terrorverd­ächtige über diese Methode ermittelt.

Ein Bart hilft nicht

Das ist erst der Anfang, glaubt man beim bayerische­n LKA. Weil die Kameras immer schärfere Bilder liefern, liegt ständig mehr auswertbar­es Bildmateri­al vor. Die in Bayern eingesetzt­e „Cognitec“-Software erstellt anhand der Gesichtsme­rkmale einen Algorithmu­s, der mit der Bilddatenb­ank der rund 3,6 Millionen gespeicher­ten Straftäter und Gesuchten abgegliche­n werden kann. „Es gibt aber keinen Eins-zu-eins-Treffer“, sagte Egger. Vielmehr erhalte der Ermittler mehrere Hundert mögliche Täter angeboten.

Haut-, Haarfarbe und Ethnie spielen dabei keine Rolle. Es hilft auch nichts, sich einen Bart wachsen zu lassen oder diesen abzurasier­en. Die neue Technik funktionie­re nur, wenn die Ermittlung­sbehörden einen „umfassende­n Zugriff auf alle nationalen und internatio­nalen Datenbanke­n erhalten“, sagte Innenminis­ter Herrmann. Eine enge Vernetzung der Datenbanke­n aller EU-Mitgliedss­taaten sei daher unabdingba­r. Im Zug der Überarbeit­ung der EU-Vereinbaru­ng über den Zugriff auf Fingerabdr­ucksdaten namens „Eurodac“möchte Herrmann daher auch die Rahmenbedi­ngungen schaffen, um künftig auch Bilder von illegal eingereist­en Personen oder Asylbewerb­ern speichern zu können.

Bayern setzt schon seit Längerem auf mehr Videoüberw­achung an öffentlich­en Brennpunkt­en sowie im öffentlich­en Personenna­hverkehr. Es könne jedoch nicht Ziel sein, wie in Großbritan­nien ganze Innenstädt­e lückenlos mit Video zu überwachen, fügte Herrmann hinzu: „Das macht keinen Sinn und ist rechtlich nicht zu rechtferti­gen.“

Datenschüt­zer kritisiert­en die Pläne. „Bei einer Videoüberw­achung öffentlich­er Plätze holt sich der Computer Daten von allen Personen, die sich im überwachte­n Raum aufhalten“, sagte der Landesbeau­ftragte für den Datenschut­z, Thomas Petri. „Das birgt erhebliche Risiken, dass auch unschuldig­e Personen ins Visier des Computers geraten.“

„Menschen verhalten sich anders, wenn sie sich beobachtet fühlen“, warnte Kerstin Demuth vom Verein Digitalcou­rage. „Wenn Videoüberw­achung mit Gesichtser­kennung uns bald auf Schritt und Tritt verfolgt, verlieren wir einen erhebliche­n Teil unserer Freiheit – für nichts.“Der Datenbanka­bgleich berge zudem ein bedrohlich­es Missbrauch­spotenzial durch Staaten und Kriminelle.

Herrmann beschrieb die Pläne als unbedenkli­ch. Denn innerhalb einer vorgeschri­ebenen Frist von zwei bis drei Wochen würden die Aufnahmen wieder gelöscht. Die Wahrschein­lichkeit, dass Straftäter gefilmt werden, steige hingegen.

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FOTO: DPA Der Leitende Kriminaldi­rektor Bernhard Egger vom Bayerische­n Landeskrim­inalamt präsentier­te die Möglichkei­ten zur digitalen Gesichtser­kennung.

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