Bayerns LKA setzt auf Gesichtserkennung
Das Landeskriminalamt entwickelt System weiter – Kritik von Datenschützern
MÜNCHEN - Das bayerische Innenministerium will mit automatischer Gesichtserkennung und dem Ausbau von Videoüberwachung künftig mehr Tatverdächtige ermitteln. „Derzeit arbeiten wir daran, Bild- und Videodaten nach Tatverdächtigen automatisiert auszuwerten“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitag in München. Momentan werde dafür eine Software getestet. Zudem stehe man in Kontakt mit Forschungseinrichtungen, Sicherheitsunternehmen und anderen nationalen und internationalen Polizeibehörden.
Die über digitale Foto- und Videoaufnahmen ständig größere Flut von Bildmaterial eröffnet für die Ordnungshüter neue Möglichkeiten. Die digitale Bilderkennung werde neben den klassischen Instrumenten des Fingerabdrucks und der DNA-Spur zur „dritten Säule des Erkennungsdienstes“werden, zeigte sich der Leitende Kriminaldirektor vom Bayerischen Landeskriminalamt, Bernhard Egger, überzeugt.
Auch Kriminelle hinterlassen oft Fotos im Internet. Das könnte ihnen in Zukunft mehr und mehr zum Verhängnis werden. So wie einem Einbrecher, der ein iPad erbeutete und später darüber Fotos von seiner Hochzeit in eine sogenannte Cloud hochgeladen hat. Im LKA verglich man die Fotos vom Bräutigam mit eigenen Bilddateien und machte den Langfinger ausfindig. „Er war ziemlich überrascht“, sagte Egger bei der Vorstellung der biometrischen Gesichtserkennung.
Der Mann war einer von 83 Strafverdächtigen, die dieses Jahr anhand des biometrischen Gesichtserkennungssystems ermittelt wurden. 2010 seien es noch zehn Tatverdächtige gewesen, berichtete Innenminister Herrmann. 2017 wurden vor allem Einbrüche, Diebstähle und Urkundenfälschung aufgeklärt, aber auch eine Vergewaltigung. In Ansbach wurde ein Mann ermittelt, der eine Frau verletzt hatte. Die Geschädigte erkannte den Täter auf Bildern einer Diskothek. Außerdem wurden vier Terrorverdächtige über diese Methode ermittelt.
Ein Bart hilft nicht
Das ist erst der Anfang, glaubt man beim bayerischen LKA. Weil die Kameras immer schärfere Bilder liefern, liegt ständig mehr auswertbares Bildmaterial vor. Die in Bayern eingesetzte „Cognitec“-Software erstellt anhand der Gesichtsmerkmale einen Algorithmus, der mit der Bilddatenbank der rund 3,6 Millionen gespeicherten Straftäter und Gesuchten abgeglichen werden kann. „Es gibt aber keinen Eins-zu-eins-Treffer“, sagte Egger. Vielmehr erhalte der Ermittler mehrere Hundert mögliche Täter angeboten.
Haut-, Haarfarbe und Ethnie spielen dabei keine Rolle. Es hilft auch nichts, sich einen Bart wachsen zu lassen oder diesen abzurasieren. Die neue Technik funktioniere nur, wenn die Ermittlungsbehörden einen „umfassenden Zugriff auf alle nationalen und internationalen Datenbanken erhalten“, sagte Innenminister Herrmann. Eine enge Vernetzung der Datenbanken aller EU-Mitgliedsstaaten sei daher unabdingbar. Im Zug der Überarbeitung der EU-Vereinbarung über den Zugriff auf Fingerabdrucksdaten namens „Eurodac“möchte Herrmann daher auch die Rahmenbedingungen schaffen, um künftig auch Bilder von illegal eingereisten Personen oder Asylbewerbern speichern zu können.
Bayern setzt schon seit Längerem auf mehr Videoüberwachung an öffentlichen Brennpunkten sowie im öffentlichen Personennahverkehr. Es könne jedoch nicht Ziel sein, wie in Großbritannien ganze Innenstädte lückenlos mit Video zu überwachen, fügte Herrmann hinzu: „Das macht keinen Sinn und ist rechtlich nicht zu rechtfertigen.“
Datenschützer kritisierten die Pläne. „Bei einer Videoüberwachung öffentlicher Plätze holt sich der Computer Daten von allen Personen, die sich im überwachten Raum aufhalten“, sagte der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thomas Petri. „Das birgt erhebliche Risiken, dass auch unschuldige Personen ins Visier des Computers geraten.“
„Menschen verhalten sich anders, wenn sie sich beobachtet fühlen“, warnte Kerstin Demuth vom Verein Digitalcourage. „Wenn Videoüberwachung mit Gesichtserkennung uns bald auf Schritt und Tritt verfolgt, verlieren wir einen erheblichen Teil unserer Freiheit – für nichts.“Der Datenbankabgleich berge zudem ein bedrohliches Missbrauchspotenzial durch Staaten und Kriminelle.
Herrmann beschrieb die Pläne als unbedenklich. Denn innerhalb einer vorgeschriebenen Frist von zwei bis drei Wochen würden die Aufnahmen wieder gelöscht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Straftäter gefilmt werden, steige hingegen.